Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Courtoisie; Courtrai; Courts jours; Cöus; Cousin

315

Courtoisie - Cousin.

Robespierre gefundenen Papiere, und er erstattete im Januar 1795 der Versammlung über dieselben einen interessanten Bericht, der eins der wertvollsten Aktenstücke für die Geschichte der Revolution ist. 1795 wurde er Mitglied des Rats der Alten und 20. April 1797 Präsident desselben, trat bald darauf aus, ward jedoch 1799 abermals in denselben berufen und war einer der Führer der Partei, welche Bonapartes Staatsstreich vom 18. Brumaire vorbereitete. Aus dem Tribunat ward er wegen angeblicher Erpressung ausgestoßen und hielt sich mehrere Jahre lang auf seinem Landgut in Lothringen verborgen. Trotz der 1814 verkündigten Amnestie ließ der Minister Decazes seine für die Geschichte der Revolution sehr wichtigen Papiere in Beschlag nehmen, wodurch dieselben fast sämtlich verloren gingen. Die 1828 erschienenen "Papiers inédits trouvés chez Robespierre, Salut-Just et Payan etc., supprimés ou omis par C." enthalten nur einen kleinen Teil davon. C. starb 6. Dez. 1816 in Brüssel.

Courtoisie (franz.), s. Kourtoisie.

Courtrai (spr. kurträ, holländ. Kortrijk), Hauptstadt eines Arrondissements in der belgischen Provinz Westflandern, 4 km von der französischen Grenze, zu beiden Seiten der schiffbaren Lys, Knotenpunkt an der Bahn Gent-Tournai, ist gut gebaut, mit alten Mauern umgeben, hat zahlreiche Kirchen (bemerkenswert sind die Martinskirche aus dem 12. Jahrhundert, 1862 vom Blitz getroffen und bis auf die Mauern ausgebrannt, seitdem wieder aufgebaut, und die 1238 gegründete Frauenkirche mit der Grabkapelle der alten Grafen von Flandern und einer Aufrichtung des Kreuzes von van Dyck), ein schönes gotisches Rathaus (1526 erbaut, neuerdings restauriert, mit Fresken von Guffens und Swerts), einen Belfried, eine Börse und (1884) 28,202 Einwohner, welche berühmtes Tafelleinen, Blonden, Spitzen etc. fabrizieren (hier und in der Umgegend 5400 Handwebstühle und acht Fabriken mit mechanischen Webstühlen), auch bedeutende Färbereien und große Bleichen unterhalten. Etwa 6000 Menschen beschäftigen sich mit der Anfertigung von Spitzen. Der in der Umgegend gewonnene Flachs ist sehr gesucht. C. hat eine Malerakademie mit Museum, eine höhere Knabenschule, Industrieschule und ist Sitz eines Tribunals, eines Handelsgerichts und einer Handelskammer. - C. hieß im Altertum Cortoriacum und lag in Gallia belgica. Im Mittelalter hatte es lange erbliche Kastellane aus dem Haus Nevel. Bei C. wurden mehrere Schlachten geschlagen, unter denen die merkwürdigste die berühmte Sporenschlacht (11. Juli 1302) ist, in welcher die Franzosen unter Robert von Artois von den Flamändern (hauptsächlich Webern aus Gent und Brügge) unter Johann, Grafen von Namur, völlig besiegt wurden. An 6000 französische Reiter blieben auf dem Schlachtfeld, auf welchem die Sieger 4000 goldene Sporen, eine Auszeichnung der französischen Ritterschaft, sammelten. Eine kleine Kapelle (1831 errichtet) bezeichnet vor dem Genter Thor das Schlachtfeld. Karl VI. rächte 12. Dez. 1382 diese Niederlage durch die Plünderung und Zerstörung von C. nach der siegreichen Schlacht von Rosebeck. Auch in den Kriegen zwischen Frankreich und Spanien im 17. Jahrh., während welcher es vom Aachener (1668) bis zum Nimwegener Frieden zu Frankreich gehörte, hatte C. durch wiederholte Belagerungen mancherlei Drangsale zu erdulden, nicht weniger in den Revolutionskriegen, wo es im Mai 1794 nach heftigen Gefechten in die Hände der Franzosen fiel. Am 31. März 1814 fand bei C. ein Gefecht zwischen 8000 Mann Sachsen und andern deutschen Truppen unter Thielemann gegen die Franzosen unter Maison statt, welches für die erstern ungünstig ausfiel.

Courts jours (franz., spr. kuhr schuhr), kurze Frist (von Wechseln).

Cöus, Titane, s. Köos.

Cousin (franz.), s. Kousin.

Cousin (spr. kusäng), 1) Jean, franz. Bildhauer und Maler, geb. 1501 zu Soucy bei Sens, scheint sich anfänglich der Glasmalerei gewidmet zu haben. Schöne Werke dieser Art im französischen Renaissancegeschmack sind: im Dom zu Sens die Legende des heil. Eutropius (1530), vier Gemälde in der Kirche St.-Gervais zu Paris (1551), die der Kapelle des Schlosses Fleurigny bei Sens etc. Doch hat C. auch in Öl gemalt, darunter das Jüngste Gericht im Louvre, das indessen trotz seiner fleißigen Ausführung geringen Geschmack in der Komposition zeigt; jedenfalls wurde C. von seinen Landsleuten, die ihn den französischen Michelangelo nannten, sehr überschätzt. Auch als Bildhauer erfreut sich C. eines bedeutenden Ansehens; die liegende Statue von Phil. de Chabot im Louvre ist ein lebendiges, frisch aufgefaßtes Werk. Der vielseitige Künstler schrieb auch: "La vraie science de la pourtraicture" (zuerst Par. 1571 u. öfter; u. d. T.: "L'art de desseigner, revu etc. par Fr. Jollain"), ferner "Livre de perspective" (das. 1560 u. öfter). 200 zum erstenmal veröffentlichte Zeichnungen Cousins gab Lalanne heraus ("Le livre de fortune", 1884). C. starb um 1590. Vgl. Didot, Étude sur Jean C. (Par. 1872); Derselbe, Recueil des œuvres choisies de Jean C. (40 Tafeln, das. 1872).

2) Victor, berühmter franz. philosophischer Schriftsteller, geb. 28. Nov. 1792 zu Paris als Sohn eines armen Handwerkers, ward, als Schüler von Maine de Biran und Royer-Collard durch diese zum Studium der Philosophie bestimmt, schon 1815 des letztern Stellvertreter an der philosophischen Fakultät und Professor der Philosophie an dem Lycée Bonaparte. Durch seinen Lehrer Laromiguière in den Sensualismus, durch Royer-Collard in die Philosophie der schottischen Schule eingeweiht und durch die letztere dem Kritizismus Kants nahegebracht, welchen er mittels einer lateinischen Übersetzung des Hauptwerks des letztern sich anzueignen strebte, trat er 1817 eine philosophische Studienreise nach Deutschland an, auf welcher er Hegels und im folgenden Jahr Schellings Bekanntschaft machte, von welcher Zeit der Einfluß deutscher Philosophie in Frankreich datiert. Nachdem er 1820 seine Vorlesungen aus politischen Gründen hatte einstellen müssen, auf einer Reise in Deutschland als politischer Umtriebe verdächtiger Karbonaro verhaftet und nach Berlin gebracht worden war, welchen Aufenthalt er benutzte, um sich (durch Gans und Michelet) näher mit der Hegelschen Philosophie vertraut zu machen, durfte er 1828 seine Vorlesungen wieder eröffnen, ward 1830 Mitglied der Akademie und stieg nach der Julirevolution rasch von Stufe zu Stufe, wurde Generalinspektor der Universität, 1831 Staatsrat und mit Erstattung eines Berichts über das preußische Unterrichtswesen beauftragt, 1832 Direktor der Normalschule und Pair, endlich (März 1840) im Ministerium Thiers Minister des öffentlichen Unterrichts, legte diesen Posten jedoch schon im Oktober wieder nieder und lebte seitdem als Privatmann seinen Studien. Er starb 12. Jan. 1867 in Cannes infolge eines Schlaganfalls. C. ist der Begründer der sogen. eklektischen Schule, die ihren Standpunkt zwischen der französischen (zu welcher er

^[Artikel, die unter C vermißt werden, sind unter K oder Z nachzuschlagen.]