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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Damaskus

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Damaskus.

Stadt, bewässert dann die stundenweit ausgedehnten Gärten und Felder der Umgegend und verliert sich endlich gegen O. hin in Sümpfen. Die Stadt ist von festen Mauern mit Türmen und Gräben umgeben und hat neun Thore. Die Straßen sind krumm, staubig und unsauber und führen nach orientalischer Weise zwischen kahlen, fensterlosen Lehmwänden hin; aber das Innere der Häuser, die Hofräume und Gärten sind zum Teil glänzend und durch Blumenpracht, Säulenhallen und Springbrunnen überaus lieblich. Die schnurgerade, an 2 km lange Hauptstraße der Stadt soll dieselbe sein, welche in der Apostelgeschichte (9, 11) als die "gerade" erwähnt wird. Im übrigen hat D. trotz seines hohen Alters nur wenig Altertümer (einen römischen Aquädukt, einige Inschriften und Säulen etc.) aufzuweisen. Unter den sehr zahlreichen Moscheen (angeblich 248) ist die berühmteste die Moschee der Omejjaden (Herakliosmoschee), ursprünglich eine Kirche des heil. Johannes, welche an der Stelle eines korinthischen Tempels errichtet und später von Abd ul Malik (705-715), dem fünften Kalifen des Hauses der Omejjaden, in das jetzige, durch seine Pracht und Schönheit ausgezeichnete Wunderwerk arabischer Baukunst umgewandelt wurde. Den Mittelgang des Gebäudes bilden zwei Reihen von je 40 ungeheuern Säulen von Serpentin, Granit, Porphyr und vielfarbigem Marmor; vier Thore öffnen sich gegen die vier Himmelsgegenden. Von den drei Minarets genießt "Mâdinet 'Isâ" besondere Verehrung wegen der Sage, daß am Jüngsten Tag Jesus sich auf dieses Minaret vom Himmel herablassen werde. Das größte Heiligtum der Moschee ist die Kapelle, wo das Haupt Johannis des Täufers ruhen soll, obschon es zur Zeit des byzantinischen Reichs nach Konstantinopel gebracht wurde. An nichtmohammedanischen Gotteshäusern besitzt D. 10 Synagogen, eine griechische, eine maronitische, eine syrische, eine armenische Kirche und 3 römisch-katholische Klöster. Merkwürdig ist auch das umfangreiche Serail im NW. der Stadt, das 1219 erbaut wurde und jetzt als Citadelle benutzt wird. Ausgezeichnet ist D. ferner durch Glanz und Schönheit seiner Kaffeehäuser. Auch zeigt man hier die Grabmäler zweier Gemahlinnen des Propheten (der Umm Selma und Umm Habiba) sowie die Grabstätten mehrerer Kalifen, Heiligen, Weisen, Dichter und der beiden Sultane Nureddin und Salaheddin. Die Bazare von D. (über 30 an der Zahl) sind die originellsten im Morgenland; sie ziehen sich in unendlichen Verzweigungen bedeckter Passagen um die Moschee der Omejjaden herum und haben vor den meisten andern des Orients den Vorzug, daß sie alles zum Lebensgenuß und Lebensverkehr Erforderliche in sich fassen. In ihnen findet man herrliche Karawanseraien, Warenhäuser, eine Börse, Schlafstätten fremder Kaufherren, Bäder, Kaffeehäuser und klare, frische Quellen. Unmittelbar bei der Großen Moschee befindet sich der umfangreichste Bazar in ganz Syrien, der durch Bogen in 16 Abteilungen getrennt ist. Im N., W. und S. breiten sich vor den Thoren drei große Vorstädte aus; die bedeutendste ist die südliche, der Meidan. Die Zahl der Einwohner beträgt etwa 150,000 (früher 400,000), bestehend aus 6000 Juden und 18,000 Christen (Armeniern, Griechen etc.), im übrigen aus christenfeindlichen Mohammedanern. Vor dem großen Christengemetzel 1860 zählte man 32,000 Christen in D. In industrieller Beziehung ist D. berühmt durch seine Bäckereien und Konditorwaren, sein Rosenöl (aus der Damaszener Rose), seine Seidenmanufakturen. Der schwere Damast wird zwar noch hier verfertigt, jedoch von ähnlichen Fabriken in Westeuropa übertroffen. Die Anzahl der Webstühle für seidene Zeuge und gemischte Baumwolle wird auf 4000 angegeben. Auch Gold- und Silberfäden werden in beträchtlicher Menge verfertigt, ferner Gold- und Silberstoffe aller Art, elegante Sattlerarbeiten und Geschirre, feine Öle, Parfümerien, Balsame und andre Toilettenartikel, Teppiche etc. Ehedem, bevor Tamerlan die Waffenschmiede von D. fortführte, hatten auch seine Säbelklingen Weltruf. Auch die Garküchen von D. (etwa 400) sind nicht zu vergessen. Der Handel der Stadt ist noch jetzt ziemlich bedeutend und wird hauptsächlich mit Europa über Beirut, Aleppo, Tripolis, Akka und mit Bagdad durch eine französische konzessionierte Gesellschaft, welche täglich 16 Frachtwagen entsendet, sowie vermittelst Karawanen von jährlich 2000 Kamelen betrieben. Auch die große Pilgerkarawane für Mekka sammelt sich hier alljährlich im September. Haupthandelsartikel sind: Südfrüchte, Wein, Olivenöl. Unter den Erzeugnissen der Umgegend sind die großen Damaszener Pflaumen und die Damaszener Trauben, welche, am Stocke getrocknet, die besten Rosinen geben, hervorzuheben. Die Einfuhr betrug 1884: 12,2 Mill., die Ausfuhr 4,8 Mill. Frank. D. ist Sitz eines deutschen Konsuls.

Geschichte. In der Geschichte erscheint D. zuerst zur Zeit des Königs David, welcher D. nach einem blutigen Krieg eroberte. Doch machte es sich schon unter Salomo wieder unabhängig, und die Könige von D. benutzten die Spaltung des israelitischen Reichs, um auf die nördlichen Teile desselben Angriffe zu machen. Besonders Benhadad I. und II. und Hasael bedrängten das Reich Israel wiederholt. Das Reich von D. umfaßte den ganzen Osten Syriens, ward aber 810 v. Chr. von den Assyrern unterworfen. Sowohl unter der assyrischen als später unter der babylonischen und persischen Herrschaft blieb D. eine blühende Stadt und Hauptstadt Syriens; erst unter den Seleukiden verlor es diese Stellung. Als Antiochos Dionysios 85 im Kriege gegen die Araber blieb, ward deren Anführer Aretas I. von den Damaszenern zur Herrschaft berufen. Seine Nachkommen herrschten seit 64 v. Chr. unter römischer Oberhoheit, bis 105 n. Chr. Trajanus D. der römischen Provinz Syrien einverleibte. Das Christentum faßte hier frühzeitig Wurzel, und Paulus wurde hier zum Christentum bekehrt. Seit Hadrian führte die Stadt den Ehrentitel Metropolis, Kaiser Philippus machte sie zu einer römischen Kolonie. Diokletian legte daselbst gegen die Sarazenen bedeutende Waffenfabriken, Magazine und Festungswerke an. Später wurde D. der Sitz eines Bischofs und dem oströmischen Reich einverleibt. 635 eroberten es die Araber unter dem Kalifen Omar nach zweimonatlicher Belagerung. Omar residierte abwechselnd hier und zu Mekka; Moawija, der Stammvater der omejjadischen Kalifen, verlegte seine Residenz hierher, und seine Nachkommen sowie die ersten Abbassiden residierten von 660 bis 753 daselbst. Nachdem Almansor Bagdad zu seiner Residenz gemacht, wurde D. durch Statthalter verwaltet, von denen mehrere ein eignes Sultanat begründeten. So ward es 877 von Achmed, dem Tuluniden, dem Kalifat entrissen, wechselte aber öfters die Dynastie. Auch in den Kreuzzügen wurde wiederholt um den Besitz von D. gekämpft. 1148 belagerten die Kreuzfahrer D. ohne Erfolg. 1154 ward es von dem Sultan Nureddin von Aleppo erobert. Nach Nureddins Tod kam es in die Gewalt Saladins und teilte hierauf meist das Los von Aleppo und Ägypten. Timur schlug 5. Jan. 1401 die Ägypter unter den Mauern von