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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Dampfschiff

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Dampfschiff (Geschichtliches).

Seite des Schiffs) bewegt werden sollten. Die Räder sollten durch eine gekröpfte Welle in der Mitte und unter Mithilfe von Seilen entsprechend zur gemeinsamen Aktion vereinigt werden. Die Erfindung, den Dampf als Triebkraft zu benutzen, hat man einige Zeitlang dem spanischen Seekapitän Blasco de Gary (1543) zugeschrieben; indes hat Mac Gregor nachgewiesen, daß hier ein Mißverständnis vorlag und nur von Experimenten die Rede sein kann, Schiffe durch Schaufelräder, welche von Menschen betrieben wurden, in Bewegung zu setzen. Die ersten Patente auf verschiedene mechanische Mittel, Schiffe ohne Handruder und Segel zum Fortlauf zu bringen, datieren in England von 1618; doch ist hinsichtlich deren Ausführung nichts bekannt geworden. Somit beginnt die Geschichte der Dampfschiffe thatsächlich erst mit dem 1681 von Papin geschriebenen Buch, in welchem er den Vorschlag machte, die Dampfkraft zur Bewegung der Schiffe zu benutzen. Papin wurde einige Jahre darauf Professor der Physik in Marburg, und es ist völlig zweifellos, daß er 27. Sept. 1707 mit einem von ihm angegebenen Ruderradschiff, wobei der Wasserdampf als bewegende Kraft benutzt wurde, auf der Fulda von Kassel nach Münden gefahren ist. Papin wollte mit diesem Schiffchen nach England übersetzen und scheint den Durchgang bei Münden, da ihm die obrigkeitliche Erlaubnis versagt worden war, mit Gewalt versucht zu haben. Dabei zerstörten ihm die dortigen Schiffer sein Fahrzeug, und dies Mißgeschick entmutigte ihn so sehr, daß er alle weitern Bemühungen aufgab. Im J. 1736 erhielt Hull ein Patent auf die Verwendung der Newcomenschen atmosphärischen Dampfmaschine zur Umdrehung von Ruderrädern auf Schiffen. Doch ist von einer Ausführung seiner Ideen nichts bekannt. Interessant ist, daß schon damals der Physiker Daniel Bernoulli vorgeschlagen hat (in seiner 1727 bearbeiteten und 1738 in Straßburg erschienenen "Hydrodynamica"), Schiffe durch die Reaktion von an ihrem Hinterteil unter dem Wasserspiegel ausströmendem Wasser in Bewegung zu setzen. Im J. 1753 erinnerte Bernoulli in einer von der Pariser Akademie gekrönten Preisschrift über den besten Schiffsmotor an diesen Vorschlag, gab aber dabei einer nach Art der Windräder konstruierten Schraube den Vorzug. Auf den Ruhm, das D. erfunden zu haben, macht auch Frankreich große Ansprüche, obwohl erst 1774 Auxiron und 1775 Périer Dampfboote konstruierten, welche aber viel zu langsam liefen, als daß sie zur weitern Verfolgung der Sache hätten anregen können. Im J. 1776 begann auch der Marquis Joffroy auf dem Doubs seine Versuche, und 1783 soll dieser mit einem größern Boot bei Lyon eine kurze Zeit gegen den Strom gefahren sein. Wegen der Geringfügigkeit des Erfolgs lehnte indes Calonne das Patentgesuch ab, und ein erneuter Versuch, den Joffroy 1816 unternahm, nachdem bereits die Korvette L'Elise auf der Themse über den Kanal bis Paris gedampft war, schlug gleichfalls fehl. In England begann man ungefähr um dieselbe Zeit mit derartigen Bemühungen. Im J. 1787 befuhr Patrick Miller den Firth of Forth mit einem Doppelboot, welches von zwei durch Handhaspel umgedrehten Ruderrädern bewegt wurde, und im folgenden Jahr benutzte er zum Betrieb der Räder eine zweipferdige, von Symington erbaute Dampfmaschine zu einer erfolgreichen Probefahrt auf dem Landsee zu Dalswinton. Im J. 1785 hatte Bramah ein englisches Patent auf Schrauben als "Schiffspropeller" erhalten; aber 1787 befuhr Fitch mit dem ersten Schraubendampfer den Schuylkill, und noch in demselben Jahr kam Rumsey in Philadelphia mit einem Boot zu stande, welches die Reaktionskraft aus Röhren fließenden Wassers als Motor benutzte. Dies war das erste Prallschiff. Beide Amerikaner scheiterten auch in England; bez. Frankreich an ihren Arbeiten an Widerwärtigkeiten und Unglücksfällen verschiedener Art. Dagegen schleppte Symington, der den Lord Dundas für Dampfschiffahrtsversuche interessiert hatte, 1801 durch sein mit einer doppelt wirkenden Wattschen Dampfmaschine und einem Heckrad ausgestattetes Schiff 1802 auf dem Forth- und Clydekanal zwei Kanalboote mit einer Geschwindigkeit von 3,25 engl. Meilen die Stunde. Symington gebührt das Verdienst, zum erstenmal die Verbesserungen miteinander vereinigt zu haben, welche die Basis des heutigen Systems der Dampfschiffe bilden; seine Bemühungen scheiterten jedoch am Unverstand der Kanalschiffahrtsgesellschaft, bei der auch Lord Dundas mit seiner bessern Erkenntnis nicht durchzudringen vermochte. 1803 hatte der Amerikaner Robert Fulton mit einem Dampfboot auf der Seine Versuchsfahrten angestellt, reüssierte aber vollständig erst mit seinem D. Clermont, welches 7. Okt. 1807 den Hudson von New York bis Albany mit einer Maximalgeschwindigkeit von 5 engl. Meilen befuhr. Dieses Schiff war 42,67 m lang, 4,57 m breit und mit zwei an den Schiffsseiten angeordneten Ruderrädern von 4,7 m Durchmesser ausgestattet. Nach der Versuchsfahrt wurde es sofort als Passagierboot benutzt, und damit war die Dampfschiffahrt eröffnet. Fulton kann jedoch nicht als Erfinder wesentlicher Teile des Schiffs betrachtet werden; er benutzte eine Dampfmaschine von Watt, die Ruderräder von Miller, die Kombination der Räder mit der Maschine wesentlich nach den Ideen Symingtons, und die Gestalt des Schiffs war vorzugsweise auf Beaufoys Versuche gestützt. Seine Erfolge fanden aber so großen Anklang, daß schon 1812 mehr als 50 in Nordamerika erbaute Dampfer die dortigen Flüsse befuhren. Im J. 1818 lief in New York das für die Fahrt New York-Liverpool-St. Petersburg bestimmte dreimastige D. Savannah vom Stapel und vollendete seine erste Fahrt von Savannah bis Liverpool in 26 Tagen, wobei 18 Tage unter Dampf. Amerikaner verbesserten die Dampfschiffe mit großer Energie, sie erreichten eine Geschwindigkeit von 10 Knoten, und so schnell breitete sich nun die Dampfschiffahrt aus, daß 1823 schon über 300 Schiffe die Flüsse, Seen und Küsten befuhren. Charakteristisch für diese Dampfer waren die auf Deck gebauten Passagierräume, welche, noch jetzt dort üblich, sich auch auf unsern Flußdampfern einbürgerten.

In Europa wurde das erste dauernd in Fahrt gestellte D. 1812 von Wood im Auftrag von Bell an der Clydemündung erbaut und noch in demselben Jahr als Passagierboot zwischen Greenock und Glasgow benutzt. Bell hatte anfänglich mit John Thomson in Verbindung gestanden, und diesem gelang es 1812, auf eigne Hand ein D. zu bauen, welches schneller lief als das von Bell; fast gleichzeitig erbaute Robertson ein D., welches in Europa die erste Reise zur See machte. Ein andrer Glasgower Mechaniker, Buchanan, erfand 1813 die feathering paddle-wheels, deren Schaufeln in vertikaler Richtung ein- und austraten und auch so durch das Wasser gingen, aber in der Praxis sich nicht bewährten (s. S. 480). Die englischen Dampfschiffunternehmungen hatten guten Erfolg, 1815 fuhren in England und Schottland schon 20, im J. 1823 über 160 Boote. Deutsche Flüsse (Rhein und Elbe) wurden 1818 zuerst von englischen Dampfern befahren, aber