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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Dänemark

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Dänemark (Geschichte: 19. Jahrhundert).

die Regierung ausfielen, so gab das Ministerium Bluhme 3. Dez. seine Entlassung ein und wurde durch ein neues, wiederum eiderdänisches, unter Bang ersetzt. Das dem neuen Reichstag im Dezember vorgelegte Programm lautete dahin, daß unter Vorbehalt einer definitiven Regelung die Gesamtstaatsverfassung insoweit abgeändert werden solle, daß die Gesamtrepräsentation in Finanz- und Gesetzgebungsangelegenheiten beschließend, die Zahl der vom König zu ernennenden Mitglieder beschränkt, in den äußern Angelegenheiten endlich die Neutralitätspolitik festgehalten werden solle. Ein Antrag von Scheel-Plessen, die Herzogtümer über die neue Verfassung zu befragen, wurde abgelehnt. Die Herzogtümer wurden als erobertes, daher rechtloses Land behandelt, und der Übermut des auf seinen Sieg über die Rebellion stolzen Volkes sprach sich in der gewaltthätigen Danisierung Schleswigs, der Vertreibung oder Maßregelung aller Deutschgesinnten und der rücksichtslosen Verletzung nicht bloß der nationalen, sondern auch der materiellen Interessen Schleswig-Holsteins aus. Nachdem der dänische Reichstag 1855 seine Zustimmung zur Gesamtstaatsverfassung gegeben, ward sie 2. Okt. 1855 publiziert, die Beamten darauf vereidigt und 1. März 1856 der Reichsrat in Kopenhagen eröffnet. Bei der Überzahl der Dänischgesinnten war es nicht anders möglich, als daß die deutschen Vertreter der Landesrechte stets in der Minderheit blieben. Am 14. März stellten 14 Reichsräte aus den Herzogtümern den Antrag auf neue Verfassungsvorlagen für die Herzogtümer, der aber nach langen Kämpfen 25. April verworfen wurde. Die Domänen waren in der Gesamtverfassung als gemeinschaftlich bezeichnet, und die Regierung beantragte daher, sie zum Verkauf von Domänen in den Herzogtümern zu ermächtigen. Trotz des Protestes der deutschen Abgeordneten wurde diese Vollmacht erteilt und, obwohl die deutschen Großmächte dagegen als eine Verletzung der im Londoner Protokoll garantierten Rechte Einspruch erhoben, das Gesetz publiziert und mit dem Verkauf begonnen.

Eine neue Beeinträchtigung der Herzogtümer war die vom Reichsrat beschlossene und vom König sanktionierte Verwendung der Sundzollablösungsgelder (s. Sundzoll), welche D. nach längern Verhandlungen im Betrag von 32 Mill. Thlr. gegen Verzicht auf den Sundzoll erhielt, für das Königreich D., während die Herzogtümer vertragsmäßigen Anteil an denselben hatten. Der Herzogtümer Holstein und Lauenburg, als Mitglieder des Deutschen Bundes, vermochte sich nun wenigstens der deutsche Bundestag anzunehmen. Daher bemühte sich die dänische Regierung, die Stände der beiden Herzogtümer 1857 zur Annahme der sie betreffenden Paragraphen der Gesamtstaatsverfassung zu bewegen. Dies gelang jedoch nicht. Den Forderungen des Bundestags, die Gesamtstaatsverfassung so zu ändern, daß die Selbständigkeit und die gleichberechtigte Stellung der Herzogtümer gesichert wären, suchte die dänische Regierung anfangs durch allerhand Ausflüchte auszuweichen, erklärte sich 15. Juli 1858 bereit, die Gesamtverfassung vom 2. Okt. 1855 als für Holstein und Lauenburg "mittlerweile außer Wirksamkeit seiend zu betrachten", bis die Feststellung der verfassungsmäßigen Stellung der Herzogtümer auf dem Weg der Unterhandlung erfolgt sei, und hob erst, als der Bundestag die Einleitung des Exekutionsverfahrens beschloß, 7. Nov. 1858 die Gesamtstaatsverfassung für Holstein und Lauenburg auf. Eine Vereinbarung mit den holsteinischen Ständen über eine neue Verfassung für die Gesamtmonarchie kam nicht zu stande. Der König gab überhaupt unter dem Einfluß der in Kopenhagen herrschenden nationalliberalen Partei seinen frühern dynastischen Standpunkt ganz auf und lenkte in die Bahnen der eiderdänischen Politik ein. Auf Bitten des Landsthings, welches im Januar 1863 in einer Adresse den Wunsch nach einer weitern Ausscheidung Holsteins und dafür einer um so engern Vereinigung Schleswigs mit dem eigentlichen D. aussprach, trennte der König durch Verordnung vom 30. März 1863 Holstein von der bisherigen Gemeinsamkeit mit den übrigen Teilen des Königreichs. Dagegen wurde Schleswig ganz offen als dänische Provinz behandelt und durch Verstärkung der Befestigungen am Danewerk und auf den Düppeler Höhen militärisch gesichert. Die letzte Konsequenz der eiderdänischen Politik war es, daß die Regierung dem am 28. Sept. 1863 eröffneten Reichsrat den Entwurf einer für das eigentliche D. und das Herzogtum Schleswig gemeinsamen Verfassung vorlegte. Dieses Staatsgrundgesetz fand rasch die Genehmigung des Gesetzgebenden Körpers; schon 13. Nov. ward dasselbe unter stürmischem Beifall der Tribünen mit 41 gegen 16 Stimmen angenommen. Die eiderdänische Demokratie der Hauptstadt jubelte; sie hatte in der Erreichung des lange angestrebten Ziels einen glänzenden Triumph gefeiert. Die noch fehlende königliche Sanktion war natürlich mit Sicherheit zu erwarten, und dann sollte die neue Ordnung schon mit 1. Jan. 1864 in Kraft treten.

Gerade in diesem Augenblick starb unerwartet 15. Nov. 1863 der König. Als Nachfolger Friedrichs VIII. bestieg der sogen. Protokollprinz, Prinz Christian von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, als Christian IX. den dänischen Thron. Im eigentlichen Königreich geschah dieses vollkommen rechtlich, da hier der Londoner Vertrag durch den Verzicht der näher Berechtigten und durch die Zustimmung des Reichstags unbestrittene Gültigkeit erlangt hatte. Gleichwohl war auch hier der neue König der Zustimmung des Volkes keineswegs sicher, und durch die Forderungen und Drohungen der aufgeregten Kopenhagener Bevölkerung ließ sich Christian IX. 18. Nov. bewegen, der neuen Verfassung seine Zustimmung zu geben; am 1. und 2. Dez. wurde dieselbe amtlich publiziert und sollte in der That 1. Jan. 1864 in Vollzug treten. Dies gab dem Widerstand, der sich in den Herzogtümern sofort gegen die Thronbesteigung Christians IX. erhoben hatte, erst Kraft und Nachhaltigkeit. Die Stände erklärten sich für den Prinzen von Augustenburg als legitimen Erben und riefen den Schutz des Bundes für die Rechte des Landes und des Prinzen an. Als der Bund noch im Dezember 1863 Holstein und Lauenburg durch sächsische und hannöversche Truppen besetzen ließ, räumten die Dänen, ihrer Politik getreu, diese Lande ohne Schwertstreich. Nun aber verlangten Österreich und Preußen auf Grund des auch im Londoner Protokoll bestätigten Rechts Schleswigs und Holsteins auf Zusammengehörigkeit und gemeinschaftliche Verfassung 16. Jan. 1864 die Aufhebung der eiderdänischen Verfassung. In thörichtem Vertrauen auf die Hilfe der Großmächte, namentlich Englands, lehnte das Ministerium Monrad die Forderung ab und führte damit einen neuen deutsch-dänischen Krieg herbei. Die österreichischen und preußischen Truppen überschritten 1. Febr. die Eider und zwangen die Dänen unter Meza durch einige Gefechte und eine Umgehung ihrer linken Flanke 5. Febr. zur Räumung des Danewerks. Dieselben zogen sich hinter die Düppeler Schanzen