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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Dänische Litteratur

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Dänische Litteratur (bis zum 18. Jahrhundert).

ruhen im wesentlichen auf denselben Grundlagen wie die gleichzeitige kanonische Gesetzgebung andrer Länder, streben aber ersichtlich danach, den besondern Verhältnissen ihres Landes möglichst Rechnung zu tragen. Noch mehr gilt dies von den gleichzeitig erlassenen weltlichen Gesetzen, so von dem schonenschen (Skaanske Lov) 1160, dem seeländischen (Sællandske Lov) von König Waldemar 1170 und vor allen Dingen von dem jütländischen (Iyske Lov), welches 1241 auf dem Reichstag zu Vordingborg erlassen wurde und noch heute die Grundlage der dänischen Gesetzgebung bildet. (Litteratur in: Chr. Stemann, Den danske Retshistorie indtil Christian V.s Lov, Kopenh. 1871, und Kolderup-Rosenvinge, Grundrids af den danske Retshistorie, das. 1821 u. öfter; deutsch, Berl. 1825.)

Außer diesen beiden Gruppen von Litteraturdenkmälern und einer "Dänischen Reimchronik" aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrh. sind fast alle Schriften der vorreformatorischen Zeit in lateinischer Sprache abgefaßt. Sie gingen in der Regel aus den Klöstern hervor und behandelten historische und religiöse Stoffe. Auf die Weiterentwickelung der Litteratur oder auf das geistige Leben der Nation haben diese Schriften keinen Einfluß ausgeübt.

Selbst die Reformation führte keinen wesentlichen Aufschwung der dänischen Nationallitteratur herbei. Freilich wurde durch sie die Macht der Geistlichkeit und damit die Herrschaft des Lateinischen als Schriftsprache gebrochen, dafür aber gewann nunmehr das Deutsche als Sprache der Gebildeten die Oberhand. Nicht wenig trug dazu der gelehrte, deutsch redende Friedrich I. (1523-33) bei, der deutsche Gelehrte nach Dänemark hereinzog und es nach und nach dahin brachte, daß die dänische Sprache den höhern Ständen fast ganz abhanden kam. Dennoch aber ließ sich die einmal erwachte nationale Begeisterung nicht ganz zurückdämmen, und der nach dem Tod Friedrichs I. entbrannte Bürgerkrieg vermochte sie nur noch zu schüren. Besonderes Verdienst um diese volkstümliche Richtung erwarb sich Christian Pedersen (1480-1554), der mit Recht als der Vater der dänischen Schriftsprache bezeichnet wird. Er hatte in seiner Jugend in Paris studiert, war dann Kanzler beim Erzbischof Johan Vese geworden und hatte in dieser Stellung bereits mündlich und schriftlich für die Hochhaltung der Muttersprache gewirkt. Auf Grund seiner Sympathien für den gefangenen König Christian II. hatte er indessen 1528 ins Ausland fliehen müssen. Er war nach Wittenberg gegangen, wo er durch Luther für die Sache der Reformation gewonnen worden war. Sofort hatte er mit der Übersetzung der Bibel ins Dänische begonnen und schon 1529 in Antwerpen, wohin er sich mittlerweile begeben hatte, das Neue Testament erscheinen lassen. Zwei Jahre später erschienen dann auch noch die Psalmen und ein Aufruf über "Börn at holde i Skole", welch letzterer offenbar durch das bekannte Sendschreiben Luthers vom Jahr 1524 veranlaßt worden war. Vergleicht man diese Schriften Pedersens mit andern gleichzeitig erschienenen, z. B. mit der 1524 von Hans Mikkelsen veranstalteten Übersetzung des Neuen Testaments, so ersieht man sofort, mit welch unglaublicher Meisterschaft er die dänische Sprache handhabte. Seine Schriften erregten daher auch ein solches Aufsehen, daß es ihm schon 1532 gestattet wurde, nach seinem Vaterland zurückzukehren und in Malmö eine Buchdruckerei zu eröffnen. Aus dieser ging nun im Lauf der nächsten Jahre eine große Anzahl volkstümlicher Schriften hervor, so z. B. mehrere historische Volksbücher, eine Menge kleinerer religiöser Schriften, ein Arzneibuch fürs Volk und 1550 endlich die erste vollständige dänische Bibelübersetzung, die hinsichtlich der Sprache noch heute als ein Meisterwerk ersten Ranges dasteht.

Unter den Zeitgenossen Pedersens ragt vor allen der Ripener Bischof Hans Tausen (1494-1561) hervor. Auch er beschäftigte sich hauptsächlich mit religiösen Arbeiten, veröffentlichte z. B. eine Übersetzung der fünf Bücher Mosis, eine Passionsgeschichte, eine Postille und als Hauptwerk endlich eine verbesserte Ausgabe des 1528 in Malmö erschienenen dänischen Gesangbuches (1544). Dieselbe wurde indessen schon ein Vierteljahrhundert später abgeschafft und hat darum für die weitere Entwickelung der kirchlichen Poesie nur insofern Bedeutung gehabt, als sie für spätere ähnliche Arbeiten maßgebend gewesen ist. Die hervorragendste unter diesen ist Thomas Kingos (1634-1703) "für Dänemark und Norwegen verordnetes Gesangbuch", das 1689 und in zweiter, wesentlich umgearbeiteter Ausgabe 1699 erschien. Es ist dies eins der schönsten geistlichen Liederbücher, welche die evangelische Kirche besitzt. Endlich verdienen aus dieser Periode noch genannt zu werden: Frands Vormordsen (1491-1551), der Davids Psalmen und Luthers kleinen Katechismus übersetzte; Anders Arrebo (1587-1637), der in der dänischen Litteratur eine ähnliche Rolle spielt wie Martin Opitz in der deutschen, und Arild Hvitfeld (1549-1609), der "Danmarks Riges Krönike" in 10 Bänden (Kopenh. 1595-1604) veröffentlichte. Aber trotz des eifrigen Bemühens aller dieser Männer und noch vieler andrer blieb die dänische Sprache in den höhern Gesellschaftskreisen verpönt.

Da erschien Ludvig Holberg (1684-1754) und mit ihm eine neue Epoche der dänischen Nationallitteratur. Er ist nicht allein der Begründer der modernen dänischen Bühne, sondern der skandinavischen dramatischen Litteratur überhaupt. Ohne irgend welche Vorbilder und verfolgt von dem Hohn des "gebildeten Publikums", schuf er in wenigen Jahren eine durchaus selbständige dänische "Schaubühne", die, verglichen mit der gleichzeitigen Gottschedschen, die höchste Bewunderung einflößen muß. Einzelne von seinen Stücken, besonders "Der politische Kannengießer" und "Jeppe auf dem Berge", sind auch in Deutschland viel gegeben worden, und auf der dänischen Bühne werden sie noch heutigestags gespielt. Seine Stoffe entnimmt Holberg immer der Gegenwart, deren Thorheiten er mit köstlichem Humor zu geißeln versteht. Besonders persifliert er die Sucht, ausländische Sprache und Sitte nachzuäffen, in geradezu genialer Weise. Auf diese Weise erreichte er durch Spott, was seine Vorgänger vergebens durch Belehrung zu erreichen versucht hatten: dänische Sprache und Denkweise kam wieder zu Ehren und bildete den Boden, auf welchem die neue volkstümliche Litteratur emporblühen konnte. Glücklicherweise fand sich bald nach Holbergs Tod eine neue Kraft, welche das Begonnene weiterzuführen im stande war. Es war dies Johannes Ewald (1743-81), der, obwohl er schon im frühen Mannesalter starb, für die Entwickelung der dänischen Litteratur von hervorragender Bedeutung geworden ist. Am größten ist er als Lyriker, doch steht er auch als Tragödiendichter sehr hoch. Wie Holberg der Vater des Lustspiels, so ist er der Begründer des dänischen Trauerspiels. Um diese beiden Männer herum und meistens durch sie angeregt, gruppiert sich eine ganze Anzahl kleinerer Geister, wie: Chr. Falster (gest. 1765), der