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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Danzig

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Danzig (Beschreibung der Stadt).

(Bd. 1, das. 1850; Bd. 2, hrsg. von Guhrauer, 1853-1854; neue Aufl. von v. Maltzahn und Boxberger, Berl. 1881), die erste würdige Biographie Lessings. "Gesammelte Aufsätze" von D. gab Otto Jahn (Leipz. 1855) heraus.

Danzig (poln. Gdansk; hierzu der Stadtplan), Hauptstadt des preuß. Regierungsbezirks D. (s. S. 541), Festung ersten Ranges, einst eine mächtige Hansestadt und noch jetzt als Handelsplatz wichtig, liegt anmutig am linken Ufer des westlichsten (jetzt toten) Arms der Weichsel, ca. 6 km von der Ostsee und an den Eisenbahnlinien Dirschau-D.-Neufahrwasser und Berlin-Stettin-D. Im W. schließen beträchtliche Höhen (Bischofs-, Hagelsberg etc.) die Stadt ein; auf den übrigen Seiten ist sie von üppigen Wiesen und fruchtbaren Niederungen umgeben. Sie wird in mehreren Armen von der Mottlau durchflossen, die, früher von nur 2,5 m Tiefe, jetzt durch Baggerung bis zu 4,5 m vertieft ist, so daß die größten Handelsschiffe bis in die Mitte der Stadt und zur Speicherinsel gelangen können, welch letztere, von zwei Armen der Mottlau umgeben, hauptsächlich mit großen Niederlagen für Getreide bebaut ist. Im J. 1885 wurden Speicher und Lagerhöfe durch eine Eisenbahn mit dem Güterbahnhof D.-Legethor verbunden. An der Westseite fließt die Radaune. Beide Flüsse vereinigt münden unterhalb D. in die Weichsel. Die eigentliche Stadt besteht aus fünf Teilen: der Altstadt, der Rechtstadt, der Vorstadt und der Niederstadt, südlich von der Speicherinsel, wo sich längs eines Mottlauarms große Holzniederlagen befinden, und dem Langgarten. Die alten, aus dem 16. Jahrh. stammenden Thore: das Jakobsthor, das Neugarter, Petershager und Olivaer Thor, sind, um dem steigenden Verkehr zu genügen, abgebrochen und durch eiserne Thore ersetzt worden; das Hohe Thor, eins der bedeutendsten monumentalen Bauwerke des 16. Jahrh., nach Art der römischen Triumphbogen, von welchem die Langgasse, die schönste Straße Danzigs, auf den Langen Markt führt, wurde mit der Prinkammer freigelegt und restauriert. Neun Vorstädte umlagern den westlichen Halbkreis der Stadt, unter denen einige ziemlich entfernt liegen: St. Albrecht (4 km südlich), Altschottland, Schidlitz, Langfuhr, die schönste Vorstadt (4 km im NW.), wohin eine prachtvolle doppelte Lindenallee führt, Neuschottland und Neufahrwasser, der Hafen von D. Mit Ausnahme Nürnbergs und einiger rheinischer Städte hat D. unter allen deutschen Städten die am schärfsten ausgeprägte Physiognomie, und nirgends vergegenwärtigen die Gebäude so verständlich die Geschichte und den Geschmack ihrer Zeit. Zu den Eigentümlichkeiten der Häuser gehörten früher besonders die sogen. Beischläge, die seit dem letzten Jahrzehnt wegen der dadurch veranlaßten Beschränkung der Kommunikation aus allen Hauptstraßen entfernt wurden. Die Häuser Danzigs stehen fast alle mit der schmalen Giebelseite nach der Straße zu und dehnen sich ganz unverhältnismäßig nach hinten aus. Oft steht die schmale Hinterfronte an der parallel laufenden Hintergasse, oder es befindet sich zwischen Vorder- und Hintergebäude ein kleiner Hof, auf dem ein Seitengebäude die beiden Hauptteile verbindet. Wo aber Grund und Boden aufs äußerste beschränkt war, da baute man in die freie Luft. Daher sind viele Häuser Danzigs sehr hoch und turm- und laternenartig luftig. Sehr hohe und eng nebeneinander gestellte Fenster von kristallklarem Spiegelglas geben den Fassaden etwas Glasartiges, Durchbrochenes und Glänzendes. Die Dachspitzen streben meist in zierlichen Formen arabeskenartig in die Höhe und sind gewöhnlich von einer Fahne oder irgend einer Figur eingenommen. In der ganzen Architektur Danzigs spricht sich derselbe Geist abgeschlossenen, selbstbewußten, kräftigen Bürgertums aus, der die Stadt einst so groß gemacht. Die stattlichsten Teile derselben sind die Langgasse und der Lange Markt bis südlich zur Mottlau, die mit den prächtigsten alten Bauten prangen, von denen auch einzelne Häusern in Portugal und Italien nachgeahmt sind. Auch die öffentlichen Gebäude sind meist großartig. Unter den 23 Kirchen der turmreichen Stadt, von denen 8 katholisch sind, ist die 1343-1502 erbaute Oberpfarrkirche zu St. Marien die bedeutendste und zugleich eine der größten evangelischen Kirchen, die es gibt. Sie mißt 104 m in der Länge, 34,8 m in der Breite und über 23,3 m in der Höhe, hat drei gleich hohe und lange Schiffe mit 37 großen Fenstern, einen 76 m hohen Turm nebst 10 kleinern Türmen. Eine Eigentümlichkeit dieser Kirche sind die nach innen hineingezogenen, überwölbten und zu Kapellen benutzten Strebepfeiler, wodurch die Kirche eigentlich fünfschiffig wird. Sie enthält zwei Kunstschätze: ein Jüngstes Gericht aus dem J. 1467, vermutlich von Memling, und einen kunstvoll in Holz geschnitzten Hochaltar (von M. Schwartz, 1511-17), der erst in neuerer Zeit seine Vollendung erhalten hat. Vor wenigen Jahren sind auch in Schränken der Sakristei kostbare Paramente von hohem Kunstwert gefunden worden. Der Dichter M. Opitz ruht in dieser Kirche. Die älteste Kirche ist die Katharinenkirche (1326-30) mit einem schönen Glockenspiel. Außerdem besitzt D. zwei Synagogen und ein mennonitisches Bethaus. Die hervorragendsten weltlichen Gebäude sind das großartige gotische Rathaus in der Rechtstadt, in seinem Hauptkern aus dem 15. Jahrh., mit einem zierlichen, 82 m hohen Turm und einem ehernen Springbrunnen daneben, und das altstädtische Rathaus, ein Renaissancebau (1587 vollendet). Auch das Kranthor und das Zeughaus sind altertümliche Gebäude. Auf dem Langen Markt steht der Artus- oder Junkerhof (die großen Kaufleute hießen im Mittelalter hier "Junker"), dessen Inneres eine einzige große, viereckige, von vier Granitsäulen getragene und in der eigentümlichsten Weise mit Gemälden und Schnitzwerk aus der Sagenwelt verzierte Halle bildet, welche ehedem zu Gelagen bestimmt war und jetzt als Börse dient. Endlich ist noch die berühmte alte Mühle von 18 Gängen an der Radaune zu erwähnen, die ehemals der Stadt in jeder Stunde einen Dukaten abgeworfen haben soll, der sogen. Stockturm und das spätgotische, 1871 restaurierte Franziskanerkloster (das einzige noch vorhandene Klostergebäude), dessen oberes und unteres Geschoß die städtische Gemäldegalerie und Altertümersammlung einnimmt, während das mittlere zum Lokal des Realgymnasiums bestimmt ist. Von neuern Gebäuden sind hervorzuheben: das Oberpostdirektionsgebäude, Postamtsgebäude, das Landeshaus und das Dikasterialgebäude (Sitz des Oberpräsidiums), beide auf Neugarten, die Viktoriaschule und die Artilleriekaserne.

Die Befestigungen der Stadt bestehen aus einem Hauptwall mit 20 Bastionen. Sämtliche Gräben vor dem Hauptwall sind mit Wasser angefüllt, und die Umfassung ist zu zwei Dritteln durch die

^[Abb.: Wappen von Danzig.]