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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Danzig

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Danzig (Industrie, Handel etc.).

Weichsel und durch Überschwemmungen gedeckt, die mittels der Steinschleuse am Legethor bewirkt werden können. Der Hauptwall hat daher nur vor drei Fronten kleine Ravelins und Lünetten als Außenwerke vor sich, aber nach den überschwemmbaren Seiten im N., O. und W. hin einen bedeckten Weg mit Glacis. Auf der nordwestlichen Seite ist der Thalrand der sehr nahen Radaune bedeutend höher als der Wall, weshalb nach dieser Seite sieben Bastionen mit Kavalieren angelegt sind. Zugleich hat man die nahe an die Stadt hintretenden Höhen als zweite Verteidigungslinie mit selbständigen Werken besetzt, welche die Stadt von außen decken. Das stärkste liegt auf dem Hagelsberg (russisches Grab genannt), bestehend aus vier Bastionen und mehreren Seitenwerken; weiter südlich ist der befestigte Bischofsberg mit zwei halben und einer ganzen Bastion nebst Ravelins. Der Hagelsberg ist durch eine bedeckte Kaponniere mit der Stadt verbunden. Neun Defensivkasernen in den Werken verstärken die Verteidigungsfähigkeit des Platzes. Auch mehrere einzelne Außenwerke sind an wichtigen Punkten vorgeschoben. Namentlich zieht sich von der Nordseite der Stadt eine Reihe von Werken längs der Weichsel bis an ihre Mündung, wo sie mit den Batterien am Kanal Neufahrwasser oder Hafenkanal endigen. An diesem Kanal, der 970 m lang und 26 m breit ist und wegen Versandung der alten Weichselmündung angelegt wurde, ist bei Neufahrwasser der Hafen von D., mit einer großen Steinmole und zwei Leuchttürmen versehen und durch Dampfschiffahrt (wie durch Eisenbahn) mit der Stadt verbunden; der Bau eines neuen Hafenbassins an der westlichen Seite des Hafenkanals wurde 1871 begonnen. Gegenüber an der rechten Seite der Weichselmündung liegt die Festung Weichselmünde, ein bastioniertes Viereck; welches mit der Westerschanze und mehreren Forts den Flecken und Kanal Neufahrwasser und die Reede deckt. Durch den Holm, eine befestigte große Insel der Weichsel, und mehrere Forts wird die Verbindung zwischen D. und dem 4 km entfernten Weichselmünde bewerkstelligt. Zwischen dem Meer und Neufahrwasser liegt der in einen schattigen Park verwandelte Küstenstrich Westerplatte. Der frühere Ausfluß der Weichsel ist, seit dem 1. Febr. 1840 der Strom die Sanddüne bei dem Dorf Neufähr durchwühlte und sich eine neue Mündung machte, ganz geschlossen, so daß die Seeschiffe nur durch den Hafenkanal von der Reede in die Weichsel gelangen. Der Weichseldurchbruch ist an der Mündung zu sehr versandet und darum für Schiffe nicht zu benutzen, dennoch aber durch ein Fort geschützt.

Nach dem Zensus von 1871 hatte D. 88,974, 1875: 97,931 und 1880: 108,551 Einw., worunter 74,833 Protestanten, 30,455 Katholiken und 2736 Juden. Die Garnison zählt 6568 Mann. Unter den industriellen Anstalten sind namentlich hervorzuheben: die Schiffswerften, darunter die große kaiserliche Werfte mit Trockendock und 1580 Arbeitern, die königliche Artilleriewerkstatt und die Gewehrfabrik mit zusammen 823 Arbeitern, 14 Brauereien, darunter eine großartige Aktienbrauerei in dem nahen Kleinhammer, ferner 2 Spritfabriken (Danziger Goldwasser), welche bedeutend für den Export arbeiten, 6 Bernsteinwarenfabriken, 3 Tabaksfabriken, 6 große Mahlmühlen (Export zur See 1884: 6 Mill. kg), 8 Dampfschneidemühlen, eine große Eisengießerei und Maschinenbauanstalt, Schiffs- und Kesselschmieden, Fabriken für Drahtseile und Tauwerk, ätherische Öle, Farben, Lack, Firnis, Dachpappe, Zündwaren, Öfen, Seife und Lichte; Papier, Glas u. a. Der Handel Danzigs, genährt durch Eisenbahnen, Fluß- und Seeschiffahrt, ist sehr bedeutend; sein schnelleres Wachsen wird indes beeinträchtigt durch das russische Zollsystem und das dadurch begünstigte Emporblühen russischer Ostseehäfen sowie auch durch die Konkurrenz des günstiger gelegenen Stettin. Die Messe (Dominikmarkt), welche, 5. Aug. beginnend, alljährlich in D. abgehalten wird, hat neuerdings an geschäftlicher Bedeutung sehr abgenommen. Auf den Seeverkehr entfällt etwa die Hälfte des Eingangs und ein Drittel des Ausgangs. Der Wert des Handels seewärts allein bezifferte sich 1884 bei der Einfuhr auf 58,2 Mill. Mk. (namentlich Heringe, Baumwolle, Roheisen, Droguen, Steinkohlen, Kaffee, Häute und Felle), bei der Ausfuhr, die durch den Rückgang des Getreide- und Holzexports bedeutend abnahm, auf 64,6 Mill. Mk. (auf 11,9 Mill. für Weizen, 24 Mill. Zucker, 11 Mill. Holz, ferner Spiritus, Roggen, Gerste, Mehl). Auf den Weichselverkehr entfielen im Eingang 311,185 Ton. (namentlich Weizen, Roggen, Holz, Zucker), auf den Ausgang 205,100 T. (Steinkohlen, Eisen, Salz); die Eisenbahnen führten fort 254,804 T. (Steinkohlen, Eisen, Holz, Salz, Baumwolle, Heringe, Getreide, Zucker). Die Reederei Danzigs ist in beständigem Rückgang, sie bestand Ende 1871 aus 118 Schiffen von 147,925 cbm, worunter allerdings nur 3 Dampfer von 2485 cbm, Ende 1884 aus 62 Segelschiffen von 89,367 cbm und 18 Schraubendampfern von 24,926 cbm, zusammen 80 Schiffen von 114,293 cbm, war also um 33,632 cbm gesunken. Der Schiffsverkehr zeigt gleichfalls eine Abnahme, seewärts liefen 1884 ein: 1790 Schiffe von 791,334 T. (906 Dampfer von 590,851 T.), aus: 1805 Schiffe von 796,065 T. (909 Dampfer von 592,096 T.). Auf der Weichsel verkehrten 19,523 Schiffe (darunter 10,299 Dampfer) und 575 Holztraften. Dabei ist aber die beträchtliche Zahl der in Ballast gehenden Fahrzeuge inbegriffen. Den Geldverkehr vermitteln die Reichsbankhauptstelle (1884 mit einem Umsatz von 618,6 Mill. Mk.), die Danziger Privataktienbank, der Sparkassenaktienverein, die Westpreußische landschaftliche Darlehnskasse, der Danziger Hypothekenverein u. a. Die Stadt besitzt Gas- und Wasserleitung (letztere 1884 bis Neufahrwasser ausgedehnt), Kanalisation und eine 3,3 km lange Pferdebahn nach Ohra. Von den sieben in D. erscheinenden Zeitungen (davon ein Wochenblatt) ist die "Danziger Zeitung" die bedeutendste. Von Bildungs- und Wohlthätigkeitsanstalten finden sich 2 Gymnasien, 2 Realgymnasien, eine städtische und 7 private höhere Töchterschulen; ferner eine Handelsschule, Navigationsschule, Provinzialgewerbeschule, Fortbildungsschule, Taubstummenschule; dazu ein Hebammeninstitut, mehrere gelehrte Gesellschaften, 2 Sternwarten, eine Bibliothek mit 100,000 Bänden und einigen Manuskripten, eine Gemälde- und Antiquitätensammlung (s. oben), ein Theater, Stadtmuseum, Provinzial-Kunstgewerbemuseum, Kunstschule; ferner gute Armenanstalten, 2 Waisen- und 2 Krankenhäuser (Marienkrankenhaus und Diakonissenanstalt), ein Lazarett unter städtischer Verwaltung und ca. 130 milde Stiftungen, darunter einige sehr bedeutende, wie das Heilige Leichnams-Hospital, das Elisabethhospital, das Gertrudenhospital u. a. D. ist auch Zentralsitz der Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (1865 gegründet) und des Deutschen nautischen Vereins sowie mehrerer gewerblicher Bildungs- u. Unterstützungsvereine. Es ist der Sitz des Oberpräsidenten, der Regierung, des Landesdirektoriums, der westpreußischen Landschaftsdirektion, des Landratsamtes, Landgerichts (für die