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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Dehn

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Dehli - Dehn.

aufwärts rückte die Residenz Mitte des 14. Jahrh., und Firoz Schah gab Zeugnis von seinem Bausinn durch seine Feste (Kotila) mit der sie überragenden, 13 m hohen Asokasäule, die ursprünglich am Fuß des Gebirges stand und von dort unter großen Schwierigkeiten herbeigeschafft wurde. Timurs Zerstörung (1398) bewirkte die Verödung von D.; erst Humâyun baute (1533) auf der Stelle des alten Indraprastha wieder ein Fort; Schah Dschahan (Kaiser 1628-58) gründete dann die jetzige Stadt, erbaute neben vielen andern Gebäuden den Residenzpalast der Großmoguls und die Dschamnamoschee und machte D. zum Sitz jener glänzenden Hofhaltung, die, dem staunenden Europa von Reisenden und Missionären unter Ausschmückung mit zahlreichen Fabeln erzählt, den Ruf der Großmoguls als der reichsten Fürsten der Erde begründeten. Der alte Residenzpalast, ein überaus weitläufiges Gebäude, in seinen schönsten Teilen aus weißem Marmor, mit vielen prachtvollen Skulpturen, ist mit einer Längsseite gegen die Dschamna gerichtet. Die Eingänge bilden zwei prächtige Thore; man kommt zuerst in einen äußern Vorhof, aus welchem ein kleines Thor zu dem mit Marmorplatten belegten, weiter gegen O. hinter dem Hof des äußern Throns gelegenen innern Thronhof führt. Einst stand in dem Prunkgebäude dieses Hofes, dem "Staatsratszimmer", der berühmte Pfauenthron, der aus schweren, mit Diamanten und Perlen ausgelegten Goldplatten gearbeitet war, und zu dessen beiden Seiten sich goldene Pfauen mit ausgebreitetem Edelsteingefieder, über diesen aber ein aus einem einzigen Smaragd geschnittener Papagei in natürlicher Größe befanden. Nadir Schah, der große persische Eroberer (1736-47), raubte alle Kleinodien; der jetzt noch vorhandene Thronstuhl ist ein unscheinbares Möbel. Innerhalb der Mauern dieses Palastes, der eine kleine Stadt für sich bildet, wohnte bis zum letzten Aufstand der Großmogul als englischer Pensionär, mit britischer Wache am Westeingang; nach Unterdrückung der Meuterei 1857 wurde der Nachkomme der Könige von D. nach Rangun, der Hauptstadt von Britisch-Birma, verbannt. Das andre Hauptgebäude der Stadt, die Dschamnamoschee (s. Tafel "Baukunst VIII", Fig. 15), ist die prächtigste der 40 Moscheen Dehlis. Sie erhebt sich auf einem 9,5 m hohen, 140 m breiten und langen Viereck von roten Sandsteinquadern; die Moschee selbst ist aus weißem Marmor erbaut, der mosaikartig mit rotem Sandstein abwechselt. Den Haupteingang bildet eine große und prächtige Freitreppe, an deren beiden Seiten je fünf andre Eingänge sich befinden, zu deren mittelstem je wieder eine Freitreppe führt. Die Decke der Moschee bilden drei weiße Marmorkuppeln mit schwarzen Streifen, und an jedem Ende der Fronte erhebt sich ein 45,6 m hohes Minaret. Etwa 14 km östlich von der Stadt steht der berühmte Kutab Minar, das kolossale, 76 m hohe Minaret einer unvollendeten Moschee, das sich im Anklang an die buddhistischen Tempel als riesige, verjüngte Säule von 14,5 m unterm Durchmesser erhebt, durch Galerien in mehrere Absätze geteilt und mit röhrenförmigen Kannelierungen bedeckt; der Bau fällt vermutlich in die Zeit von 1196 bis 1235 n. Chr. Rund um die Moschee liegen die Trümmer von Alt-D. Die Bedeutung von D. beruht gegenwärtig auf der Größe seines Handels; am lebhaftesten ist der Verkehr im Tschandni-Tschauk ("der im Mondschein strahlende Markt"). Die Stadt liegt an der nach dem Pandschab führenden Eisenbahn und bildet den Ausgangspunkt für die Bahn durch Radschputana nach Bombay.

D. nimmt geschichtlich den ersten Rang unter den Städten Indiens ein; es kommt unter dem Namen Indraprastha (griech. Indabara) schon in dem altindischen Epos "Mahâbhârata" vor. Der Name D. stammt von einem Fürsten Dilu, der im 1. Jahrh. v. Chr. 10 km stromabwärts der heutigen Stadt einen Burgbau aufführte. Nach wechselnden Schicksalen unter einheimischen Fürsten, wobei D. so gründlich verwüstet wurde, daß es 1052 durch Anang Pal II. neu bevölkert werden mußte, wurde D. 1011 n. Chr. von dem Ghasnawidensultan Mahmud erobert, geplündert und das Land zu einer Provinz des Ghasnawidenreichs unter eignen Radschas gemacht. Allmächtig geworden, eroberte der Ghoride Mohammed (1193) die Stadt wieder. Der Gouverneur Kutb ud din Ai Beg machte sich unabhängig, gründete ein selbständiges mohammedanisches Reich, machte D. zu seiner Hauptstadt und entfaltete hier großen Glanz. Seit 1290 folgen afghanische Dynastien, bis 1398 der Mongolenchan Timur nach Besiegung des unfähigen Sultans Mahmud D. erobert, ausplündert und niederbrennt. Als die Stadt allmählich sich wieder erholt hatte, kam sie 1450 unter die afghanische Dynastie Bahlol Lodi; diese stürzte 1526 ein Nachkomme Timurs, Baber, der sich zum Großmogul erklärte. Sein Nachfolger war Schah Dschahan, dem D. Mitte des 17. Jahrh. seine jetzige Lage verdankt. 1738 eroberte Nadir Schah von Persien die Stadt und ließ an einem Tag 30,000 (nach andern Nachrichten sogar 225,000) Hindu töten; nach zwei Monaten zog er heim mit einer Beute von mehr als 420 Mill. Mk. Am 30. Dez. 1803 wurde D. an die Engländer abgetreten. Im Sommer 1857 versuchten die fanatisierten Muselmanen die Herrschaft der Briten abzuwerfen, vertrieben und ermordeten die Europäer und riefen den Großmogul Mohammed Bahadur Schah zum König von Indien aus. Am 20. Sept. 1857 wurde die Stadt nach einer regelrechten Belagerung von den englischen Truppen gestürmt und der Scheinkönig nach Hinterindien verbannt. Über die zahlreichen Baudenkmäler in D. vgl. "Archaeological Survey of India", Bd. 1 u. 4 (Kalkutta 1871-74); E. Schlagintweit, Indien (mit vielen Abbildungen aus D., Leipz. 1882).

Dehn, Siegfried Wilhelm, Musiktheoretiker, geb. 25. Febr. 1799 zu Altona, widmete sich, nachdem er auf dem Gymnasium zu Plön seine Schulbildung empfangen, erst der Forstwissenschaft, dann 1819-1822 in Leipzig dem Studium der Rechte, beschäftigte sich aber daneben eifrig mit der Tonkunst. Nachdem er 1824 seinen festen Wohnsitz in Berlin genommen, genoß er den Unterricht des Komponisten Bernhard Klein und wählte dann die Musik zu seinem Beruf. Obwohl er mehrere Instrumente, namentlich das Violoncello, mit Fertigkeit spielte, so wandte er sich doch vornehmlich der Theorie zu und brachte es darin zu sehr verdienstlichen Leistungen. Außer einer trefflichen Ausgabe der sieben Bußpsalmen des Orlandus de Lassus (Berl. 1838) und einer reichen Sammlung von Musikstücken aus dem 16. und 17. Jahrh. (12 Hefte) veröffentlichte er eine "Theoretisch-praktische Harmonielehre" (das. 1840, 2. Aufl. 1860) und die "Lehre vom Kontrapunkt" (hrsg. von seinem Schüler Bernhard Scholz, das. 1858; 2. Aufl. 1882). Auch setzte er die von Gottfried Weber 1842-48 redigierte Zeitschrift "Cäcilia" fort und gab eine mit Zusätzen vermehrte Übersetzung der "Notice biographique sur Roland de Lattre" von Delmotte (Berl. 1837) heraus. Im J. 1842 ward er als Kustos der königlichen Bibliothek zu Berlin für die musikalische Abteilung angestellt und erhielt 1850 den Professorentitel. Er starb 12. April 1858. Zu seinen Schülern in der Kompo-^[folgende Seite]