Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Destillation

720

Destillation (Rektifikation, fraktionierte D.).

den Korb und verflüchtigt, indem er das Kraut durchdringt, das in demselben enthaltene ätherische Öl, dessen Dämpfe in der Kühlschlange zugleich mit dem Wasserdampf verdichtet werden. Manche sehr schwer flüchtige Körper sind überhaupt nur in der Weise zu destillieren, daß man in das Destillationsgefäß hochgespannten oder überhitzten Dampf leitet, welcher die Dämpfe der Substanz mit sich fortführt. Auch saugende Apparate (Exhaustoren) werden angewandt, um die in der Retorte gebildeten Dämpfe möglichst schnell herauszuschaffen.

Ist der Apparat zusammengesetzt, so feuert man vorsichtig an, bringt die Flüssigkeit schnell zum Sieden, mäßigt dann das Feuer und unterhält ein lebhaftes, gleichmäßiges Kochen. Besondere Vorsicht erfordern schäumende Flüssigkeiten, welche leicht übersteigen. Manche Flüssigkeiten kochen unter fortwährendem Stoßen; in solchen Fällen bringt man in die Retorte einen vielfach gebogenen Platindraht, Glasscherben oder Kohle, von deren Oberfläche aus die Dampfbildung dann gleichmäßig erfolgt. Scheidet sich während der D. ein fester Körper aus, z. B. Gips, schwefelsaures Bleioxyd, so stößt die Flüssigkeit oft so heftig, daß die Retorte zu zerspringen droht. In diesem Fall bedient man sich der in Fig. 12 dargestellten Vorrichtung. Ein konisch zusammengelegtes Blech ist in der Mitte so weit ausgeschnitten, daß der untere Teil der Retorte, in welchem sich der ausgeschiedene feste Körper sammelt, darin versenkt werden kann. Anstatt vom Boden, erhitzt man nun die Retorte von den Seiten durch Kohlen, die auf das Blech gelegt werden, und erzielt so ein gleichmäßiges Sieden. Diese Vorrichtung ist namentlich bei der Rektifikation der englischen Schwefelsäure empfehlenswert. Sehr gut wirkt auch ein Luftstrom, den man durch den Tubulus der Retorte mit Hilfe eines Glasrohrs bis auf den Boden derselben leitet; doch muß man statt gewöhnlicher Luft oft ein andres Gas anwenden. Nach Pellogio wird das stoßende Kochen leicht dadurch verhindert, daß man in den Tubulus der Retorte mittels eines durchbohrten Pfropfens ein Glasrohr einsetzt, welches bis fast auf den Boden der Retorte reicht, außerhalb seitwärts rechtwinkelig umgebogen und am äußersten Ende zu einem offenen feinen Haarröhrchen ausgezogen ist. Um Flüssigkeiten, die wegen ihrer leichten Zersetzbarkeit nicht bis zum Siedepunkt erhitzt werden dürfen, im luftverdünnten Raum zu destillieren, verbindet man die Retorte luftdicht mit einem tubulierten Kolben, der durch ein Glasrohr mit einer Luftpumpe in Verbindung steht. Sobald die Luftverdünnung einen hinreichend hohen Grad erreicht hat, schmelzt man das Glasrohr zu und destilliert nun unter gelinder Erwärmung der Retorte und sehr starker Abkühlung der Vorlage. Bisweilen ist es vorteilhaft, die D. nicht mit einer Retorten- oder Blasenfüllung zu Ende zu führen, sondern von der zu destillierenden Flüssigkeit beständig nachfließen zu lassen, bis sich endlich im Destillationsgefäß so viel nicht oder schwer flüchtige Substanzen angesammelt haben, daß man die D. unterbrechen muß. Soll das Destillat aus der Einwirkung zweier Substanzen aufeinander hervorgehen, so ist meist ein längeres Digerieren erforderlich, und man muß dann das zuerst erhaltene Destillat in die Retorte zurückgießen und abermals destillieren. Diese lästige Operation, das Kohobieren, wird vermieden, wenn man die Retorte mit aufwärts gerichtetem Kühlapparat verbindet, so daß die in letzterm verdichtete Flüssigkeit beständig in die Retorte zurückfließt. Ist endlich der Zweck erreicht, so bringt man den Kühlapparat in normale Lage und destilliert wie gewöhnlich.

Rektifikation.

Nicht immer wird der Zweck, welchen man mit der D. verfolgt, in einer einzigen Operation erreicht. Dann muß das Destillat zum zweitenmal destilliert werden, und diese zweite D. nennt man Rektifikation. Eine solche ist besonders erforderlich, wenn es sich bei der D. darum handelt, leichter und schwerer flüchtige Flüssigkeiten voneinander zu trennen. Erhitzt man ein Gemisch solcher Flüssigkeiten, so verflüchtigt sich zunächst diejenige, deren Siedepunkt am niedrigsten liegt. Ein in das Gemisch tauchendes Thermometer zeigt beständig annähernd dieselbe Temperatur, bis der größte Teil der flüchtigsten Flüssigkeit übergegangen ist. Alsdann steigt das Thermometer, es entwickeln sich reichlich Dämpfe der Flüssigkeit, deren Siedepunkt nunmehr der niedrigste ist, und wiederum bleibt das Thermometer stationär, bis der größte Teil auch dieser Flüssigkeit destilliert ist. Dies Verhalten ermöglicht die Trennung mehrerer Bestandteile eines Gemisches, wenn deren Siedepunkte hinreichend verschieden sind. Man unterbricht dann die D. zu geeigneten, durch das Thermometer angegebenen Zeitpunkten und sammelt die Destillate gesondert (fraktionierte D.). Da aber eine vollständige Trennung nicht sofort erreicht wird, so rektifiziert man die Destillate und fängt gesondert auf, was bei einer Temperatur von einigen Graden unter und über dem Siedepunkt der rein darzustellenden Flüssigkeit übergeht. Durch wiederholte Rektifikation und Einschränkung der Temperaturgrenzen erhält man endlich Produkte, bei deren D. die Temperatur vom Anfang bis zum Ende stationär bleibt. Zur Erleichterung der fraktionierten D. setzt man auf den an Stelle der Retorte benutzten Destillierkolben ein Rohr mit zwei oder mehr Kugeln (Fig. 13), in welchen die Dämpfe der weniger flüchtigen Substanzen verdichtet werden, so daß diese in den Kolben zurückfließen, während die Dämpfe der flüchtigsten Substanzen in den Kühlapparat gelangen. Ein Thermometer im obern Teil des Kugelrohrs zeigt die Temperatur der entweichenden Dämpfe an.

In der Spiritusfabrikation, bei der Darstellung von Benzol etc. kommt es darauf an, aus einem Flüssigkeitsgemisch (Alkohol und Wasser, Benzol und andre Teeröle) den einen Bestandteil möglichst schnell und vollständig und mit möglichst geringem Aufwand an Brennmaterial abzuscheiden. Man erreichte dies früher durch wiederholte Destillationen (Rektifikationen), benutzt jetzt aber Apparate, welche das Ziel schneller und vollständiger in einer einzigen Operation und dabei zum Teil kontinuierlichem Betrieb gestatten, so daß beständig die zu destillierende

^[Abb.: Fig. 12. Apparat zum Erhitzen stoßender Flüssigkeiten.]

^[Abb.: Fig. 13. Fraktionierte Destillation.]