Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Deutscher Orden

778

Deutscher Orden (Kämpfe gegen Polen; das Ordensland weltliches Herzogtum).

zu denken war und dauerndes Verbleiben in Venedig wegen der politischen Verhältnisse der Stadt nicht rätlich erschien, 1309 die hochmeisterliche Residenz in dasjenige Land, welches damals und voraussichtlich noch für längere Zeit die Hauptthätigkeit des Ordens in Anspruch nahm, nach Preußen, und wählte zu seinem Sitz die Marienburg, die zwar schon lange vorher angelegt worden war, aber die erhabene Gestalt, welche ihre Reste noch heute erkennen lassen, erst im 14. Jahrh. erhalten hat. Unmittelbar vor der Übersiedelung in die Marienburg gewann der Orden die (von dem bereits erwähnten Esthland abgesehen) letzte bedeutende Erweiterung seines Gebiets an der Ostsee. Der preußische Landmeister kaufte 1308 das Herzogtum Pommerellen (s. d.) mit den Hauptorten Danzig, Dirschau und Schwetz, um welches seit dem Aussterben der eingebornen Herzogsfamilie ein Erbfolgestreit obwaltete, von den zumeist berechtigten Markgrafen von Brandenburg, um sich nicht etwa durch die Polen, deren Fürsten ebenfalls Ansprüche geltend machten, von der Verbindung mit Deutschland abschneiden zu lassen.

Für die nächsten zwei Jahrhunderte fließt die Geschichte des Deutschen Ordens mit der Geschichte von Preußen (s. Ostpreußen) und Livland (s. d.), seinen Hauptgebieten, zusammen, da seine übrigen Besitzungen, die zerstreut umherlagen, ohne besondere politische Bedeutung waren. Die Glanzperiode der ganzen Ordensgeschichte fällt in das 14. Jahrh. Die stille Eifersucht des erstarkenden Polenreichs trat offen hervor, als Pommerellen dem Orden zufiel, und bereitete ihm, wenn auch weniger mit den Waffen als auf diplomatischem Weg, manchen bösen Strauß; die Kurie, hieran anknüpfend, wollte den Orden gefügiger und seine Lande ergiebiger machen; der Erzbischof von Riga strebte danach, in Livland die Obergewalt zu erlangen, die Stadt Riga aber nach Selbständigkeit. Doch alle diese Gefahren wußte der Orden zu überwinden. Die ununterbrochenen Kriegszüge nach Litauen brachten zwar keinen positiven Gewinn, aber großen Ruhm in der Meinung jener Zeit. Eine ganz hervorragende Stellung, einige Zeit fast die leitende Rolle gewann der Hochmeister in den nordischen Verhältnissen: die Hansa erfreute sich bisweilen seiner Unterstützung in ihren Kriegen gegen die nordischen Kronen, ohne die Ordenshilfe vermochte man das entsetzliche Unwesen der seeräuberischen Vitalienbrüder auf der Ostsee nicht zu bewältigen. Die ganz vortreffliche Regierung der eignen Lande, die wahrhaft landesväterliche Fürsorge für die Unterthanen bewirkten, daß diese trotz vieler schwerer Opfer, trotz manchen kleinen Zwiespalts in treuer Ergebenheit zu den Rittern, den "Herren", standen. In dieser Zeit regierten die folgenden Hochmeister: Karl v. Trier 1311 bis 12. Febr. 1324; Werner v. Orseln, gewählt 6. Juli 1324, ermordet 18. Nov. 1330; Herzog Luther von Braunschweig 17. Febr. 1331 bis 18. April 1335; Burggraf Dietrich von Altenburg 3. Mai 1335 bis 6. Okt. 1341; Ludolf König, gewählt 6. Jan. 1342, dankte 14. Sept. 1345 ab; Heinrich Dusemer, gewählt 13. Dez. 1345, dankte 1351 ab; Winrich v. Kniprode vom 16. Sept. 1351 bis 24. Juni 1382; Konrad Zöllner v. Rothenstein 2. Okt. 1382 bis 20. Aug. 1390; Konrad v. Wallenrod 12. März 1391 bis 25. Juli 1393; Konrad v. Jungingen 30. Nov. 1391 bis 30. März 1407.

Im höchsten Grad bedenklich wurde die Lage des Ordens erst dadurch, daß der litauische Großfürst Jagello sich samt seinem Volk 1386 taufen ließ, die polnische Erbtochter Hedwig heiratete und durch sie die polnische Krone gewann; denn der vereinten Macht beider Reiche zu widerstehen, reichten die Kräfte des Ordens schließlich doch nicht aus. Daß der Orden zunächst ohne Rücksicht auf die wenn auch nur äußerliche und oberflächliche Bekehrung die Heidenfahrten nach Litauen nicht einstellte, gab den Gegnern genügenden Grund zu Klage und Drohung; als sich dann der Hochmeister Ulrich v. Jungingen (gewählt 26. Juni 1407), um mit Einem Schlag die Entscheidung herbeizuführen, übereilt in den Kampf stürzte, verlor er in der Schlacht bei Tannenberg 15. Juli 1410 Sieg und Leben. Nur die durch die Umsicht und den Mut Heinrichs v. Plauen herbeigeführte Erhaltung der Marienburg rettete den Orden vom völligen Untergang. Die Niederlage brachte ihm aber unersetzlichen Schaden an seinem Ruhme, mit den Heidenfahrten hörten auch die Zuzüge von auswärts auf, und der Orden mußte sowohl die Unterthanen noch weit mehr als früher zum Kampf heranziehen, als auch für schweres Geld Söldner unter Waffen halten; dadurch steigerten sich die Lasten des Landes zu erdrückender Schwere, Ackerbau und Gewerbe verfielen, der Handel beschränkte sich zuletzt allein auf Danzig. So entstand zunächst eine erklärliche Abneigung, dann tiefe Erbitterung im Land gegen den Orden, der, weil er sich fast ausschließlich aus dem Ausland ergänzte, in kein inniges Verhältnis zu den Landeseingesessenen treten konnte und, weil er keinen höhern Zweck mehr hatte, schnell entartete. Fast ohne Verbindung mit dem Reich, dessen Zustände auch nicht eben geeignet waren, nationale Gefühle zu erwecken und zu ermutigen, neigten sich der landsässige Adel und die Städte in Preußen, welche vergeblich vom Orden Anteil an der Verwaltung des Landes und Befreiung von den drückenden Lasten forderten, Polen zu. Da der Polenkönig bereitwillig Erhaltung der Privilegien und Besserung der Zustände versprach, ergriff man vereint mit ihm die Waffen gegen die verhaßte Herrschaft. Nach zwölfjährigem Krieg (1455-66) verlor der Orden die westliche Hälfte Preußens samt Ermeland und mußte für die östliche die Lehnshoheit des Polenkönigs anerkennen. Die Politik der folgenden Hochmeister ging dahin, sich womöglich der Eidesleistung zu entziehen; nur einer huldigte freiwillig.

Seit der Schlacht von Tannenberg verwalteten das hochmeisterliche Amt: Heinrich v. Plauen 9. Nov. 1410 bis 14. Okt. 1413 (entsetzt); Michael Küchmeister 9. Jan. 1414 bis März 1422, Paul v. Rußdorf 10. März 1422 bis 2. Jan. 1441 (beide dankten ab); Konrad v. Erlichshausen 12. April 1441 bis 7. Nov. 1449; Ludwig v. Erlichshausen 21. März 1450 bis 4. April 1467; Heinrich Reuß v. Plauen 17. Okt. 1469 bis 2. Jan. 1470; Heinrich v. Richtenberg 29. Sept. 1470 bis 20. Febr. 1477; Martin Truchseß v. Wetzhausen 4. Aug. 1477 bis 2. Jan. 1489; Hans v. Tiefen 1. Sept. 1489 bis 25. Aug. 1497. Der folgende Hochmeister, Herzog Friedrich zu Sachsen (gewählt 29. Sept. 1498), ging schließlich, allen persönlichen Gefahren auszuweichen und Hilfe zu suchen, nach Deutschland und starb daselbst 13. Dez. 1510. Auch sein Nachfolger, Markgraf Albrecht von Brandenburg-Ansbach (gewählt 13. Febr. 1511), des Polenkönigs Schwestersohn, vermochte sich weder in der Güte noch durch Waffengewalt aus den Verpflichtungen des ewigen Friedens von 1466 zu lösen. Wie er selbst, durch persönlichen Verkehr für die neue evangelische Lehre gewonnen, den Rat Luthers, aus dem Orden auszutreten, zu heiraten und aus Preußen ein weltliches Fürstentum