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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Deutschland

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Deutschland (Geschichte 1308-1338. Heinrich VII., Ludwig IV. etc.).

rieten ganz unter französischen Einfluß. Die Versuche Albrechts, seine Hausmacht zu vergrößern, scheiterten alle: in Holland und Zeeland, die er für eröffnete Lehen erklären und seinen Söhnen übertragen wollte, mußte er die weibliche Nachfolge des Hauses Avesnes anerkennen; ein Einfall kaiserlicher Söldner in Thüringen und Meißen, um diese von seinem Vorgänger erkauften Lande in Besitz zu nehmen, ward von den Brüdern Friedrich und Diezmann siegreich zurückgewiesen; in Böhmen ward zwar 1306 nach dem Erlöschen des Hauses der Przemysliden von einem Teil der Stände sein Sohn Rudolf zum König erwählt, aber als dieser schon 1307 starb, übertrug die den Habsburgern feindliche Mehrheit dem Herzog Heinrich von Kärnten die Krone. Ehe Albrecht die Unterwerfung der Fürsten vollenden und das bei seinem Streben, die habsburgischen Lande zu vermehren, erlittene Mißgeschick ausgleichen konnte, ward er bei einem Besuch in der Schweiz, angesichts der Stammburg seines Hauses, 1. Mai 1308 ermordet; der Mörder war sein Neffe Johann von Schwaben (Parricida), der, durch vermeintliche Zurücksetzung gegen seinen Oheim erbittert, von dem Erzbischof von Mainz, Peter von Aspelt, und andern Fürsten zu der Frevelthat angestachelt worden war.

Erzbischof Peter beeilte sich, den Gewinn des Mordes den Fürsten zu sichern, indem er die Nachfolge eines Habsburgers verhinderte und im Einverständnis mit Balduin von Trier die Wahl der Kurfürsten auf Balduins Bruder, den Grafen Heinrich von Luxemburg, lenkte. Zwar benutzte der neue König, Heinrich VII., seine Stellung mit Erfolg dazu, seinem Haus eins der bedeutendsten Fürstentümer des Reichs als Hausmacht zuzuwenden, indem er seinen Sohn Johann mit der przemyslidischen Prinzessin Elisabeth vermählte und mit Hilfe der Kurfürsten und eines Teils der böhmischen Stände Heinrich von Kärnten aus Böhmen verdrängte (1310). Aber sein Streben ging weiter: schwungvoll und phantastisch, gedachte er die alte Kaisermacht wiederherzustellen und als oberster Schiedsrichter der Christenheit der Welt den ersehnten Frieden zurückzugeben; seine erhabene Würde und sein reiner, edler Wille, glaubte er, würden genügen, um dies Ziel zu erreichen. So zog er, von einem stattlichen Gefolge von Reichsfürsten umgeben, 1310 über die Alpen nach Italien, das seit der staufischen Zeit kein Kaiser betreten hatte, und wo ihn die ghibellinische Partei, an ihrer Spitze Dante, freudig begrüßte; denn Italien war durch den unversöhnlichen Parteihader der Guelfen und Ghibellinen verwirrt und verwüstet und sehnte sich nach einem kraftvollen Herrscher, der das politisch zerrüttete Land einigte. Anfangs nicht ohne Erfolg, ward Heinrich VII. mit der lombardischen Königskrone gekrönt und empfing auch 1312 im Lateran zu Rom die Kaiserkrone. Aber als er, statt sich zu einem Werkzeug der ghibellinischen Partei zu machen, die Idee eines über allen Parteien stehenden Kaisertums durchzuführen versuchte, verbanden sich die in ihren selbstsüchtigen Hoffnungen Getäuschten mit den unversöhnten Guelfen; an ihre Spitze trat König Robert von Neapel, und auch der Papst Clemens V., der anfangs Heinrichs Unternehmen begünstigt, schleuderte den Bann gegen ihn. Unter den Vorbereitungen eines Feldzugs gegen Neapel starb der Kaiser 1313 in Buonconvento bei Siena. Sein Unternehmen hatte nur dazu gedient, die Opposition der Italiener gegen die deutsche Fremdherrschaft wieder zu erwecken, und die Unmöglichkeit des alten Kaisertums dargethan.

Nach Heinrichs VII. frühem Tod betrieben die Habsburger ihre Bewerbung um den deutschen Thron mit um so größerm Eifer, als die Festsetzung der Luxemburger in Böhmen ihrer Herrschaft in Österreich gefährlich zu werden drohte. Albrechts ältester Sohn, Friedrich der Schöne, gewann auch einen Teil der Wahlfürsten, Kurköln, Pfalz, Sachsen-Wittenberg und Heinrich von Kärnten als Prätendenten der böhmischen Krone, für sich. Die luxemburgische Partei, voran Balduin von Trier und Peter von Mainz, denen sich Brandenburg und Sachsen-Lauenburg anschlossen, stellte Herzog Ludwig von Bayern als ihren Kandidaten auf, da König Johann von Böhmen zu jung war und auf den Widerwillen der Kurfürsten, die Krone sich vererben zu lassen, stieß. Friedrich wurde im Oktober 1314 von seinen Anhängern in Sachsenhausen, Ludwig von den seinigen gleichzeitig in Frankfurt gewählt. Nur Waffengewalt konnte zwischen den beiden Nebenbuhlern entscheiden. Nachdem die habsburgische Partei im Kampf gegen die Schweizer bei Morgarten 1315 einen empfindlichen Schlag erlitten, erlag König Friedrich in der Entscheidungsschlacht bei Mühldorf (28. Sept. 1322) seinem Gegner und geriet selbst in dessen Gefangenschaft. Ludwig der Bayer (1314-46) war jetzt in D. Alleinherrscher. Allerdings setzte Friedrichs stolzer Bruder, Herzog Leopold von Österreich, den Kampf fort und gewann den König von Frankreich, dem er die Aussicht auf die deutsche Krone eröffnete, und der vor allem seine Macht in Burgund auf Kosten des Reichs erweiterte, sowie den Papst Johann XXII. für sich. Letzterer beanspruchte sogar die Entscheidung des deutschen Thronstreits und verhängte, als Ludwig sich weigerte, die durch die Waffen eroberte Krone der Gnade des Papstes preiszugeben, über diesen den Bann, über D. das Interdikt. Indes durch direkte Verständigung zwischen Ludwig und Friedrich (1325) und den frühen Tod Leopolds (1326) wurde der innere Zwist in D. dahin geschlichtet, daß Friedrich gegen den Verzicht auf die Kaiserkrone und auf Italien in D. eine Mitregentschaft eingeräumt wurde, die bis zu seinem Tod (1330) dauerte.

Ermutigt durch die allgemeine Opposition in D. gegen das anmaßende, übereilte Verfahren des Papstes, der sich sogar der einflußreiche Franziskanerorden anschloß, nahm Ludwig den Kampf mit dem Papsttum auf. Mit einem kleinen Söldnerheer zog er 1327 nach Italien, wo ihn die Ghibellinen anfangs unterstützten, empfing 1328 in Rom die Kaiserkrone aus den Händen des römischen Volkes und erhob, nachdem er Johann XXII. als Hochverräter und Ketzer hatte absetzen lassen, einen frommen Minoritenmönch als Nikolaus V. auf den Stuhl Petri. Aber Ludwigs Ungeschick und die übermäßige Begehrlichkeit seiner Anhänger führten bald zu einem Zwist mit demselben, der den Kaiser auf einmal aller Macht beraubte und ihn zwang, einen fast fluchtähnlichen Rückzug nach D. anzutreten. In dem weitern Streit mit den durch Frankreichs Schutz gesicherten Päpsten benahm er sich mutlos und schwankend und verscherzte durch diese Haltung seinen Ruhm und sein Ansehen. Erst als die Kurfürsten (mit Ausnahme Böhmens) sich zur Zurückweisung der päpstlichen Anmaßung ermannten, die um so unwürdiger war, als der Papst ganz in der Gewalt des französischen Königs stand, und auf dem Kurverein zu Rhense (16. Juli 1338) erklärten, die Wahl der Kurfürsten, nicht die Bestätigung des Papstes mache den König, wagte es Ludwig, auf dem darauf folgenden Reichstag in Frankfurt 8. Aug. mit Zustimmung der zahlreich versammelten Reichsstände feierlich zu erklären, daß die