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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Deutschland

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Deutschland (Geschichte 1618-1634. Dreißigjähriger Krieg).

gelische Kirche in seinem Gebiet kraft seines Jus reformandi schließen, der Erzbischof von Prag eine andre niederreißen lassen) erfuhr eine schroffe, ungnädige Abweisung, die den Ausbruch eines Aufstandes in Prag (23. Mai 1618) zur Folge hatte. Die aufrührerischen Protestanten setzten über Böhmen eine selbständige Regierung ein und wiegelten auch die österreichischen Stände zur Empörung auf. Mitten in diesen Wirren starb Matthias, und Ferdinand II. (1619 bis 1637) übernahm die Herrschaft unter den schwierigsten Verhältnissen: die Böhmen standen vor Wien, der österreichische Adel bedrängte Ferdinand in der Hofburg selbst, Bethlen Gabor von Siebenbürgen drohte von Ungarn her. Aber furchtlos und voll Zutrauen zu sich und zu seiner Aufgabe, den alten Glauben in seiner frühern Herrschaft herzustellen, nahm Ferdinand den Kampf gegen alle seine Feinde auf und schuf sich für denselben eine rechtliche Grundlage, indem er seine Wahl zum Kaiser von den Kurfürsten zu erlangen wußte. Mit Hilfe der ligistischen Heeresmacht besiegte er die Böhmen, welche den jungen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz zum König gewählt hatten, 8. Nov. in der Schlacht am Weißen Berg, und nun verhängte er über die Empörer ein furchtbares Strafgericht; nicht bloß in Böhmen, sondern auch in Österreich wurde die evangelische Kirche mit Waffengewalt unterdrückt und damit auch die Macht der Stände gebrochen. Ferdinand war wieder unumschränkter Herr in den habsburgischen Landen.

Doch damit hatte er nur einen Teil seiner Aufgabe erfüllt. Sein weiteres Ziel war, auch D. dem Katholizismus wiederzuerobern und dasselbe nach dem Muster Spaniens in eine mächtige Militärmonarchie umzuwandeln, die mit der spanischen vereint die habsburgische Weltherrschaft, wie sie Karl V. geplant, begründen konnte. Zu diesem Zweck setzte er den Kampf gegen Friedrich V. und seine Verbündeten auch in D. fort und verwickelte es so in den furchtbaren Dreißigjährigen Krieg (1618-48, s. d.). Nachdem er den Kurfürsten geächtet und die pfälzische Kur auf seinen Verbündeten, Maximilian von Bayern, übertragen hatte, vertrieben kaiserliche, ligistische und spanische Truppen in Gemeinschaft die Anhänger der Union aus Süddeutschland und unterwarfen dasselbe der Herrschaft des Kaisers und des Katholizismus. Überall führte Tilly, der Feldherr Ferdinands und der Liga, auf Grund des geistlichen Vorbehalts die Restitution des säkularisierten oder reformierten Kirchenguts an die katholische Kirche und zwar zu handen der Jesuiten im weitesten Umfang und mit größter Strenge durch, bald auch im nordwestlichen D., als ihn die Verfolgung des Herzogs Christian von Braunschweig dorthin führte. Als die Fürsten des niedersächsischen Kreises, hierdurch in ihrem Besitzstand bedroht, sich unter der Führung des Königs Christian von Dänemark zur Abwehr rüsteten, wurden die Pläne Ferdinands deutlicher kund. Er stellte nun selbst mit Hilfe Wallensteins ein Heer auf, das im Bund mit Tilly den niedersächsischen Kreis unterjochte und den Dänenkönig auf seine Inseln verjagte. Ganz Norddeutschland wurde von den kaiserlichen Truppen militärisch besetzt, die Rechte und Privilegien auch der mächtigsten Fürsten, wie der Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen, die ihre schmähliche Neutralität vergeblich bereuten, rücksichtslos mit Füßen getreten, der kaiserliche Generalissimus Wallenstein mit dem Reichsfürstentum Mecklenburg belehnt, die Vertreibung noch andrer Dynastien und die Verleihung ihrer Fürstentümer an kaiserliche Feldherren in Aussicht genommen. Mehrere norddeutsche Stifter zugleich wurden österreichischen Erzherzögen übertragen. Der kaiserliche Hof plante sogar die Errichtung einer großen Seemacht in der Nord- und Ostsee, welche die Seeherrschaft der Vereinigten Niederlande vernichten und die spanisch-österreichische Macht am Niederrhein wiederherstellen sollte. 1629 erließ Ferdinand II. das Restitutionsedikt (s. d.), welches, scheinbar nur eine strikte Auslegung u. Anwendung des Augsburger Religionsfriedens und seiner von den Protestanten leichtsinnig zugegebenen Klauseln, wirklich durchgeführt die gänzliche Vernichtung des Protestantismus und die völlige Restitution des Katholizismus in D. bedeutet hätte. Denn es befahl nicht nur die Rückgabe aller reichsunmittelbaren Stifter an die katholische Kirche, sondern auch die der landständischen; es gewährte den katholischen Ständen, also auch den neuen katholischen Prälaten in den evangelischen Stiftern, das Recht, ihre Unterthanen zu ihrer Religion zu zwingen, und gestand den Religionsfrieden und die Religionsfreiheit nur denjenigen Reichsständen zu, welche sich zur unveränderten Augsburgischen Konfession bekannten, d. h. außer dem Hause Sachsen nur sehr wenigen. Das Restitutionsedikt brachte die höchste Verzweiflung unter den Protestanten hervor, aber niemand außer Magdeburg wagte sich zu widersetzen. Die kaiserliche Soldateska hielt ganz D. unter dem eisernen Druck der Waffen. Wie 1548 drohten D. der absolute Dominat des Hauses Habsburg und das Joch des Papsttums.

Aber in diesem entscheidenden Moment zeigte sich Ferdinand II. der doppelten Aufgabe, die er durchzuführen unternommen, nicht gewachsen. Während er sich durch das Restitutionsedikt mit den protestantischen Ständen tödlich entzweite und diese den fremden Mächten in die Arme trieb, entfremdete er sich die katholischen Stände, besonders Maximilian von Bayern, durch die Militärdiktatur, die Wallenstein ausübte, und die eine Aristokratie von glücklichen Soldaten an Stelle der deutschen Fürsten zu setzen bestimmt schien. An der Spitze der Stände verlangte Maximilian auf dem Fürstentag von Regensburg 1630 die Entlassung Wallensteins und die Verminderung des kaiserlichen Heers. Ferdinand hätte es verweigern und den Kampf mit der Fürstenaristokratie aufnehmen können, aber dann mußte er sich entschließen, sich auf die kleinern Stände und das Volk zu stützen und deren Vertrauen durch Anerkennung des Protestantismus zu erwerben. Lieber verzichtete er auf die militärische Herrschaft als auf die Ausrottung der Ketzerei, und so gab er Wallenstein preis und schlug mit seiner Entlassung seiner Heereskraft den Kopf in demselben Augenblick ab, da Gustav Adolf von Schweden auf Frankreichs Antrieb in Pommern landete. Die Folge dieser Unklugheit war, daß die desorganisierte kaiserliche Armee Schritt für Schritt aus dem nordöstlichen D. verdrängt, endlich 17. Sept. 1631 bei Breitenfeld völlig vernichtet wurde und der Schwedenkönig ganz D. befreite und Anfang 1632 sogar den Kaiser in seinen Erblanden bedrohte. Aus dieser äußersten Gefahr ward er durch Wallenstein gerettet. Gustav Adolfs kühne Pläne auf Errichtung eines protestantischen Kaisertums gingen mit ihm auf dem Schlachtfeld von Lützen (16. Nov. 1632) zu Grunde, aber von der Errichtung einer starken kaiserlichen Militärmacht konnte jetzt nicht mehr die Rede sein, da Wallenstein vor allem danach strebte, sich den Preis seiner Thaten auch gegen den kaiserlichen Hof zu sichern. Zwar gelang es Ferdinand 1634, sich des allzu mächtigen Feldherrn durch Mord zu entledigen, sein Heer für sich zu gewinnen und mit demselben den Sieg bei Nördlingen über die Schweden