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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Digesten - Digne.

flüchtigen Flüssigkeiten muß die Temperatur eine entsprechend niedrigere sein, so daß niemals der Siedepunkt der Flüssigkeit erreicht wird; auch verbindet man, um Verluste zu vermeiden, mit dem Gefäß einen umgekehrten Kühlapparat, in welchem sich die entweichenden Dämpfe wieder verdichten und in die Flasche oder den Kolben zurückfließen.

Digesten (lat.), s. v. w. Pandekten, s. Corpus juris.

Digestion (lat.), in der Technik der Prozeß des Digerierens (s. d.); in der Medizin s. v. w. Verdauung; digestibel, verdaulich.

Digestivmittel (lat. Digestiva sc. remedia), die Verdauung befördernde Mittel, z. B. solche, welche im Magen überschüssig vorhandene Säure neutralisieren oder die fehlende Magensäure ersetzen oder die Drüsenthätigkeit anregen, wie Kochsalz, Gewürze, Bitterstoffe, namentlich Chinarinde, Wein etc. Digestivsalben, balsamisch-harzige Verbandsalben, welche die Eiterung verbessern, z. B. Unguentum digestivum, aus venezianischem Terpentin, Baumöl, Aloe, Myrrhe und Eidotter bestehend.

Digestivsalz, älterer Name für Chlorkalium.

Digestor (lat., "Auflöser, Zerteiler", Papinscher Topf, Dampfkochtopf, Autoclave), Kochtopf, welcher durch einen aufgeschliffenen Deckel luftdicht verschlossen werden kann, so daß darin beim Kochen eine hohe Dampfspannung und entsprechend hohe Temperatur entsteht, unter deren Einfluß Speisen schneller gar werden. Der Deckel wird in der Regel mit Bügel und Schraube befestigt, ein Ventil sichert vor Explosion, und ein Hahn dient zum Abblasen des gespannten Dampfes, wenn man den Topf öffnen will. Der D. ist für Haushaltungen sehr empfehlenswert, denn er ermöglicht eine bedeutende Ersparnis an Zeit und Brennmaterial und liefert kräftigere und schmackhaftere Speisen. Fleisch und Gemüse, welches im offenen Kochtopf nicht weich wird, erlangt im D. in kurzer Zeit große Zartheit, und man muß vorsichtig sein, daß es nicht durch zu langes Kochen völlig zerfällt. Beim Gebrauch des Digestors ist auch zu berücksichtigen, daß während des Kochens kein Wasser verdampft, so daß man davon beim Aufsetzen der Speisen viel weniger nehmen muß als beim Gebrauch gewöhnlicher Töpfe. In der Technik benutzt man Digestoren häufig zur Ausführung chemischer Prozesse, welche nur unter hohem Druck und bei hoher Temperatur verlaufen, und versieht sie oft auch mit einem Rührwerk.

Digger (engl., von dig, graben), in den Goldfeldern von Kalifornien, Australien etc. Name der Goldgräber.

Dighton (spr. dejtön), Dorf im nordamerikan. Staat Massachusetts, am Tauntonfluß, in dessen Nähe Dighton Rock mit unentzifferbaren Inschriften, in welchen man Runen der normännischen Entdecker Amerikas hat erkennen wollen.

Digitāl (lat.), die Finger oder Zehen betreffend.

Digitalīn, der wirksame Bestandteil des Fingerhuts (Digitalis purpurea L.). Man hat aus dem Fingerhut verschiedene Präparate dargestellt, über deren Eigenschaften und Beziehungen zu einander noch vielfach Unklarheit herrscht. Das eigentliche D. scheint ein sehr veränderlicher Körper zu sein, auch enthalten die Digitalisblätter vielleicht verschiedene wirksame Bestandteile, wenigstens zu verschiedenen Zeiten. Im Handel kommen als D. verschiedene Präparate vor, welche äußerst energisch wirken, aber wegen der darüber herrschenden Unsicherheit nicht offizinell sind. Man unterscheidet besonders ein in Wasser lösliches (französisches) und ein unlösliches (deutsches) Präparat.

Digitālis L. (Fingerhut), Gattung aus der Familie der Skrofulariaceen, zwei- oder mehrjährige, kahle oder behaarte Kräuter mit abwechselnden, einfachen Blättern, oft einseitigen, terminalen Blütentrauben, röhrig-glockenförmigen Blüten und eiförmigen, vielsamigen Kapseln. 18 Arten in Europa, West- und Mittelasien. D. purpurea L. (roter Fingerhut, s. Tafel "Giftpflanzen II"), mit mehr als 1 m hohem Stengel, bis 20 cm langen, eiförmigen, gekerbten, rauhhaarigen Blättern und schönen purpurroten, innen behaarten, mit roten, weiß gesäumten Tropfen gefleckten Blüten, ist zweijährig, wächst in Gebirgswäldern durch den größten Teil Europas, den Nordosten und äußersten Süden ausgenommen. Die ganze Pflanze ist stark giftig. Die frisch widrig, etwas narkotisch riechenden, ekelhaft scharf und bitter schmeckenden Blätter sind offizinell und müssen von wild wachsenden blühenden Pflanzen gesammelt werden. Sie enthalten als wirksamen Stoff Digitoxin und Digitalin (s. d.). Sie mindern den Blutumlauf und daher die Pulsfrequenz und Körperwärme, wirken deprimierend auf die Nerven der Geschlechtsorgane und vermehren die Harnabsonderung; in größern Dosen wirken sie als Gift. Man benutzt sie bei entzündlichen Herzleiden, Hypertrophie und Erweiterung des Herzens, Schlagadergeschwülsten, Entzündungen der Hirnhäute und Brustorgane, Fiebern, Blutungen, Tuberkulose, wassersüchtigen Leiden, Reizungszuständen der Geschlechtsorgane, krampfhaften Neuralgien, Wahnsinn etc. Sie wurden zuerst 1775 durch Withering in Birmingham in den Arzneischatz eingeführt. In Gärten kultiviert man den roten Fingerhut als Zierpflanze, ebenso D. grandiflora Lam., mit großen, gelben, innen braun geäderten und gefleckten Blüten, aus Mittel- und Südeuropa; D. aurea Lindl., mit goldgelben, innen buntnetzartigen Blüten, aus Syrien und Griechenland; die sehr heftig wirkende D. ferruginea L., mit prachtvollen rostfarbigen, inwendig gelblichen Blüten, aus Südeuropa, etc. Ein prächtiger, immergrüner Strauch auf Madeira ist D. sceptrum L., mit geradem Stamm und steifhaarigen Ästen und sehr schönen, herabhängenden, am Ende der Äste eine eiförmige Ähre bildenden, gelblich rostfarbigen Blumen. Vgl. Lindley, Digitalium monographia (Lond. 1821).

Digitigrăda (lat.), Säugetiere, die nur mit den Zehen auftreten, Zehengänger.

Digĭtus (lat.), Finger; römisches Maß, einen Finger breit, = 1/16 röm. Fuß = 0,0185 m.

Diglyph (griech.), Zweischlitz, zuerst von Vignola angewandte Verzierung des dorischen Frieses, welche sich von dem griechischen Triglyph (Dreischlitz) durch das Fehlen der beiden halben Seitenschlitze unterscheidet.

Dignánd (Dignandus, lat.), die auf eine Potenz (Dignität) zu erhebende Zahl.

Dignano (spr. dinjā-), Stadt in der österreich. Markgrafschaft Istrien, Bezirkshauptmannschaft Pola, auf einem Hügel an der Eisenbahn von Divazza nach Pola gelegen, hat ein Bezirksgericht, eine sehenswerte Dechanteikirche mit Gemälden von Tintoretto, Paul Veronese etc. und (1880) 5315 Einw., welche Getreide-, Obst-, Wein- und Olivenbau, eine Dampfmühle und Seidenkultur betreiben. In der Nähe wächst der sogen. Rosenwein.

Digne (spr. dinj, bei den Alten Dinia oder Dignis), Hauptstadt des franz. Departements Niederalpen, an der Bléonne und einem Zweig der Durancethalbahn, zwischen hohen Waldbergen, 590 m ü. M. gelegen, hat eine neuerdings restaurierte Kathedrale,