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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Dispositionsfähig - Disraeli.

gemäße Anordnung des Stoffs einer Abhandlung oder Rede; im militärischen Sinn der Plan, nach welchem ein Marsch, ein Manöver, ein Gefecht von Truppenabteilungen ausgeführt werden soll. In letzterm Sinn muß die D. vor allem klar und bestimmt gefaßt lein; sie enthält unter anderm die Einteilung der Truppen, die Absicht des Kommandierenden, die Aufträge für die einzelnen Unterabteilungen und die Bestimmung der Zeit für den Abmarsch oder Angriff, auch Nachrichten über den Feind, den Ort, wohin alle Meldungen, Verwundete zu schicken, u. dgl. Eine D. wird schriftlich nur für solche Truppenverbände ausgegeben, welche der Befehlshaber in ihrer Thätigkeit nicht mehr mit eignen Augen übersehen kann, also etwa von der Division aufwärts; bei kleinern Abteilungen genügt der mündliche "Befehl". Größere oder selbständig operierende Korps, deren Lage seitens der Armeeleitung nicht genug übersehen werden kann, um ihnen eine bestimmte D. vorzuschreiben, erhalten als Richtschnur für ihr Verhalten nur allgemeine Direktiven (s. d.). In der Psychologie bedeutet D. s. v. w. Gemütsstimmung, Geneigtheit zu etwas, in der Medizin s. v. w. Anlage (zu einer Krankheit). In der Rechtswissenschaft versteht man unter D. jede Verfügung über einen vermögensrechtlichen Gegenstand und unterscheidet dabei zwischen D. unter Lebenden, wie Kauf, Schenkung etc., und D. auf den Todesfall oder letztwillige D., wie Testament, Erbvertrag u. dgl.; daher Dispositionsfähigkeit, die Befugnis, derartige Verfügungen zu treffen. Der Mangel dieser Dispositionsfähigkeit kann ein absoluter oder ein relativer sein; ersteres insofern, als einer Person die Fähigkeit zum selbständigen Abschluß von Rechtsgeschäften überhaupt entzogen ist, wie Unmündigen, Wahnsinnigen, notorischen Verschwendern und sonstigen unter Kuratel stehenden Personen. Relativ, d. h. in Ansehung eines bestimmten Gegenstandes, eines Rechts oder einer Sache, dispositionsunfähig ist eine Person dann, wenn jener Gegenstand ihrer rechtlichen Macht nicht unterworfen oder die betreffende Sache überhaupt der Privatdisposition entzogen ist, wie z. B. ein öffentliches Gewässer. - Im Staatsdienst bedeutet Stellung zur D. (im Gegensatz zum aktiven Dienst und zur gänzlichen Pensionierung) s. v. w. Versetzung in den zeitweiligen Ruhestand, welche regelmäßig eine Gehaltsverminderung zur Folge hat und bei Richterbeamten vermöge des Prinzips der Unabhängigkeit der Gerichte nur mit Zustimmung des Richters oder doch nach vorgängigem Gehör desselben und nach Ansetzung eines besonders normierten Verfahrens erfolgen kann. Über die Versetzung der Offiziere in den Dispositionsstand s. Offizier. Die gebräuchliche Abkürzung für ein solches Verhältnis ist "z. D." (zur D.), im Gegensatz zu "a. D." (außer Dienst). In Frankreich heißen "in Disponibilität" diejenigen aktiven Generale, welche kein dauerndes Kommando haben, sondern zur Verfügung des Kriegsministers stehen. Die Offiziere, welche in Deutschland als "z. D." befindlich bezeichnet sind, werden in Frankreich wie in Österreich als "in Reserve" in den Listen geführt.

Dispositionsfähig, s. Disposition.

Dispositionsgüter, s. Disponenda.

Dispositionsschein, die Empfangsbescheinigung, welche für hinterlegte oder auf Kontokorrent gegebene und dem Deponenten zu jeder Zeit zur Verfügung stehende Gelder ausgestellt wird.

Dispositionsstand, s. Disposition.

Dispositionsurlauber, s. Beurlaubtenstand.

Dispostieren (neulat.), in Posten teilen, abteilen.

Disproportion (neulat.), Mangel an Proportion, Unverhältnismäßigkeit, Unebenmäßigkeit.

Dispungieren (lat.), Rechnungen etc. genau durchgehen, prüfen; Dispunktion, genaue Prüfung.

Dispūt (franz. Dispute), Wortwechsel, Wortstreit.

Dispŭta (ital., eigentlich D. del sacramento, "Abendmahlsstreit"), eins der berühmtesten Gemälde Raffaels, Fresko im Vatikan (Zimmer della Segnatura), die Theologie symbolisierend, in neuester Zeit auch durch Kellers Stich (1858) bekannt geworden.

Disputation (lat.), Wortkampf, gelehrtes Streitgespräch, besonders ein öffentlich angeordnetes; Disputanten, diejenigen, welche sich an einem solchen beteiligen. In frühern Zeiten wurden öffentliche Disputationen besonders häufig über theologische Streitfragen abgehalten (s. Religionsgespräche), heutzutage beschränken sich dieselben fast nur noch auf den akademischen Usus. Man hat hier die Inauguraldisputation (disputatio pro loco) oder Habilitationsdisputation, zur Erlangung der Erlaubnis, an der Universität Kollegien zu lesen, und die Promotions- oder Doktordisputation (disputatio pro gradu), zur Erlangung eines akademischen Grades. Schedendisputationen (vgl. Scheda) sind die unter einem Präses, d. h. unter dem Vorsitz eines Universitätslehrers, über einzelne Thesen gehaltenen Disputationen. Derjenige, welcher durch die D. sich irgend einen Platz in der Gelehrtenrepublik erkämpfen will, hat seine in bestimmten Thesen aufgestellten Behauptungen (als Defendent oder Respondent) gegen jeden, der sie bestreitet (Opponent), zu verteidigen. Gegenwärtig ist aber das Disputieren meist Scheingefecht mit vorher bestimmten Opponenten geworden. Bis gegen die Mitte dieses Jahrhunderts durfte bei Disputationen nur die lateinische Sprache gebraucht werden; die Universität Breslau war die erste, welche Disputationen in deutscher Sprache gestattete; die Zulassung derselben ist jedoch weder allgemein bei allen Fakultäten durchgedrungen, noch hat sie die alte akademische Form mit wirklichem, neuem Leben erfüllen können.

Disputationstage, in Mecklenburg Versammlungen der Stände, welche nicht vom Landesherrn berufen sind, sondern aus eigner Initiative zur Besprechung gemeinsamer Angelegenheiten auf Landes-, Kreis- oder Amtskonventen zusammentreten.

Disputatorium (lat.), gelehrte Disputierübung; Kolleg zur Übung im Disputieren.

Disputax (lat.), ein Streitsüchtiger.

Disputieren (lat.), etwas streitend erörtern, besonders eine wissenschaftliche Frage; s. Disputation.

Disqualifikation (lat.), mangelnde Befähigung, Untauglichkeit, z. B. bei einem Pferd oder Reiter der Mangel der zur Qualifikation (Tauglichkeit) nach dem Rennprogramm geforderten Bedingungen. Disqualifizieren, zu etwas unfähig, untauglich machen.

Disquirieren (lat.), genau untersuchen, erforschen.

Disquisition (lat.), Untersuchung, besonders gelehrte Erforschung.

Disraeli (spr. disrehli oder disrihli), 1) Isaak, engl. Litteraturhistoriker, geboren im Mai 1766 zu Enfield, Sohn eines 1748 in England eingewanderten venezianischen Kaufmanns, Benjamin D., dessen israelitische Vorfahren gegen Ende des 15. Jahrh. durch die Inquisition aus Spanien vertrieben worden waren, verbrachte den größten Teil seiner Jugend in Holland und widmete sich erst in Leiden und Amsterdam, sodann in Paris klassischen Studien. Von mehreren Reisen auf dem Festland nach England zurück-^[folgende Seite]