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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Disreputation - Dissidenten.

gekehrt, gab er einige Gedichte, 1791 eine "Defence of poetry" heraus, die er jedoch selbst wieder vernichtete. Sein Lieblingsfach, dem er, im Besitz eines ansehnlichen Vermögens, fortan sein Hauptstudium widmete, war und blieb die Litteraturgeschichte, auf deren Gebiet er sich dauernden Ruf erwarb. Gleich sein erstes Werk, die mit Geschmack und Kritik ausgeführten "Curiosities of literature" (1791-1823, 3 Tle.), wurde vermöge seiner tiefsinnigen philosophischen Bemerkungen, verbunden mit der liebenswürdigen Kunst der Darstellung, bald zu einer Lieblingslektüre des englischen Publikums und erlebte zahlreiche Auflagen (neueste Ausg. 1884). Andre in dieses Fach einschlagende Veröffentlichungen waren: "Litterary miscellanies" (1796), "Essay on the literary character" (1795, neue Ausg. 1867), "Calamities of authors" (1812, 2 Bde.; neue Ausg. 1867) und "Quarrels of authors" (1814, 3 Bde.), die 1850 mit dem Werk über Jakob I. (s. unten) unter dem Titel: "Miscellanies of literature" (neue Ausg. 1884) vereinigt erschienen. Zu den ersten Nummern der neubegründeten "Quarterly Review" lieferte D. mehrere wertvolle Beiträge. Ein Aufsatz darin von ihm: "Spences anecdotes", und Bemerkungen über die moralische und poetische Geltung Popes riefen einen Streit über Pope hervor, an dem Bowles, Lord Byron u. a. teilnahmen. Einen glänzenden Beweis seines historischen Scharfblicks und seiner kritischen Begabung gab D. in dem Werk "Inquiry into the literary and political character of King James I." (1816) sowie in seinen "Commentaries of the life and reign of Charles I." (1828-31, 5 Bde.; neue Ausg. von Benjamin D., 1850, 2 Bde.), wofür ihm die Universität Oxford das Doktordiplom erteilte. Mit neuem Eifer kehrte er, bereits 70 Jahre alt und seit 1839 erblindet, von seiner Tochter unterstützt, zu seiner Geschichte der englischen Litteratur zurück, der er den pedantischen Titel: "Amenities of literature" (Lond. 1841, 3 Bde.) gab, erreichte aber nicht einmal das Zeitalter Popes, über den er tiefe Studien gemacht. Er starb 19. Jan. 1848 auf seinem Landsitz Brandenham House in Buckinghamshire, nachdem er bereits 1814 (mit seinem Sohn Benjamin) zum Christentum übergetreten war. Seine Werke erschienen gesammelt in 7 Bänden (mit Biographie von seinem Sohn, Lond. 1849-51; neueste Ausg. 1884).

2) Benjamin, Staatsmann, s. Beaconsfield.

Disreputation (lat.), übler Ruf; disreputierlich, schimpflich, dem guten Ruf nachteilig.

Diss, altertümliche Marktstadt in der engl. Grafschaft Norfolk, am Waveney, mit (1881) 3845 Einw., welche Fabrikation von Bürsten und Matten betreiben.

Disseminieren (lat.), Samen ausstreuen, aussäen; aussprengen (ein Gerücht); Dissemination, Ausstreuung, Aussäung; Verbreitung eines Gerüchts.

Dissen, Weichbild (Flecken) im preuß. Regierungsbezirk Osnabrück; Kreis Iburg, am Teutoburger Wald, 17 km vom Bahnhof Melle, mit Fabrikation von Würsten, Segeltuch und Sackleinwand, 2 Dampfsägemühlen, Butterexport und (1880) 1566 evang. Einwohnern. Dabei die Ruinen der alten Kaiserburg Dissene und die Saline Rothenfelde mit neuen Anlagen und Kurgebäuden.

Dissen, Georg Ludolf, verdienstvoller Philolog, geb. 17. Dez. 1784 zu Großenschneen bei Göttingen, wurde in Schulpforta gebildet, studierte 1804-1808 in Göttingen, ward 1809 Privatdozent daselbst, 1812 außerordentlicher Professor in Marburg und 1813 außerordentlicher, 1817 ordentlicher Professor in Göttingen, wo er 21. Sept. 1837 starb. Seine Hauptwerke sind die Ausgaben des Pindar (Gotha 1830, 2 Bde.; 2. Aufl. von Schneidewin, 1843-47), Tibull (Götting. 1835, 2 Tle.) und der Rede des Demosthenes: "De corona" (das. 1837), in denen er eine höhere Ausbildung der Hermeneutik zu begründen suchte. Seine "Kleinen Schriften, nebst biographischen Erinnerungen" (Götting. 1839) wurden von Thiersch, Welcker und Otfr. Müller herausgegeben.

Disséns (lat.), Meinungsverschiedenheit.

Dissenters ("Andersgläubige", früher Nonkonformisten), in England im weitern Sinn alle nicht zur Staatskirche Gehörigen (also auch die Römisch-Katholischen), im engern Sinne nur die protestantischen Sekten, die sich von jener Kirche getrennt haben, wie die Wesleyaner, Independenten, Methodisten, Baptisten, Quäker, Irvingianer, Unitarier etc. Sie hatten unter den Stuarts viel zu leiden, bis ihnen die Toleranzakte von 1689 wenigstens bedingte Duldung gewährte. Erst die neueste Zeit hat durch Aufhebung der Testakte und Korporationsakte von 1673 ihre kirchlichen Rechte erweitert, sie bürgerlich den Mitgliedern der Staatskirche gleichgestellt (1836), sie von den an die bischöfliche Geistlichkeit zu bezahlenden Kirchensteuern befreit (1868) und ihnen durch die University-Test-Bill (1871) auf den Universitäten Oxford und Cambridge gleiche Rechte mit den Studierenden der anglikanischen Kirche gewährt.

Dissentieren (lat.), andrer Meinung sein, anders denken; von einer herrschenden Ansicht abweichen. Dissentiment (franz., spr. dissangtimāng), Verschiedenheit der Meinung; Dissension, s. v. w. Dissens.

Disserieren (dissertieren, lat.), in wissenschaftlicher Weise über etwas reden oder verhandeln.

Dissertation (lat.), wissenschaftliche Abhandlung; besonders auf Universitäten die zum Zweck der Habilitation oder der Erlangung der Doktorwürde verfaßte Abhandlung über einen wissenschaftlichen Gegenstand.

Dissezieren (lat.), zerschneiden, zergliedern, zerlegen; Dissektion, Zergliederung.

Dissidenten (lat., "Getrennte"), allgemeiner Name aller polnischen Nichtkatholiken, namentlich der Lutheraner, Reformierten, Griechen und Armenier, mit Ausschluß jedoch der Wiedertäufer, Socinianer und Quäker. In den Akten der Warschauer Konföderation von 1573 waren mit dem Ausdruck Dissidentes in religione beide Hauptreligionsparteien, Katholische und Evangelische, die einander damals Duldung angelobten, bezeichnet; seit dem Konvokationstag von 1632 aber gebrauchte man die Bezeichnung D. allein für letztere. Lutheraner, Reformierte und Böhmische Brüder hatten im Vergleich von Sendomir (Consensus Sendomiriensis) 1570 ein gemeinsames Glaubensbekenntnis aufgestellt und bildeten von jetzt an eine auch für politische Zwecke vereinigte Kirche, deren Glieder 1573 und 1660 den Katholiken in bürgerlichen Rechten ganz gleichgesetzt wurden. Nach und nach jedoch wurden ihnen die wesentlichsten ihrer Rechte, so 1717 das Recht, neue Kirchen zu bauen, 1733 das Recht, Staatsämter zu bekleiden, genommen; auch zeigte 1724 das Thorner Blutbad (s. Thorn), daß von der katholischen Partei noch Schlimmeres zu fürchten sei. Als man 1764 den D. sogar das Recht, Güter zu erwerben, zu entziehen suchte, brachten sie, vornehmlich unterstützt von Rußland, 1766 ihre Klagen auf den Reichstag. Zur nachdrücklichern Empfehlung ihres Gesuchs rückten die Russen 1767 in Polen ein, was 1772 zur ersten Teilung des Reichs führte, worauf allerdings 1775 die D. alle frühern Freiheiten wiedererlangten, mit Ausnahme des Rechts auf Senator- und Ministerstellen.