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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Distributivgenossenschaften; Distrikt; Distrophisch; Disturbieren; Disunierte; Diszedieren; Diszeptieren; Diszernieren; Diszession; Disziplin; Disziplinargewalt

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Distributivgenossenschaften - Disziplinargewalt.

wörter, z. B. bald-bald, teils-teils etc.; Distributivsätze, Sätze, in denen solche Partikeln ihre Stelle haben; Distributivzahl, in einem Zahlensystem die Zahl, welche angibt, wievielmal man eine Einheit nehmen muß, um die nächsthöhere oder mindere Ordnung zu erhalten.

Distributivgenossenschaften, s. Genossenschaften.

Distrikt (lat.), Bezirk, Unterabteilung einer Provinz, eines Kantons etc. In Bayern zerfallen die Kreise oder Regierungsbezirke in Verwaltungsdistrikte, welche den Bezirksämtern unterstellt sind. Der Kommunalverband des Distrikts ist die Distriktsgemeinde und der Vertreter der letztern der Distriktsrat, welcher sich aus Großgrundbesitzern und Abgeordneten der Landgemeinden zusammensetzt. Der Distriktsrat wählt aus seiner Mitte einen Distriktsausschuß von sechs Mitgliedern zur Kontrolle der Distriktsverwaltung.

Distrophisch (griech.), zweizeilig, zweistrophisch; Distrophon, ein solches Gedicht.

Disturbieren (lat.), beunruhigen, stören; Disturbation, Beunruhigung, Störung.

Disunierte (lat.), s. v. w. Desunierte (s. d.).

Diszedieren (lat.), auseinander gehen, sich trennen.

Diszeptieren (lat.), erörtern, untersuchen, streiten; Diszeptation, gelehrter Streit, Erörterung; Diszeptator, Entscheider, Schiedsrichter.

Diszernieren (lat.), unterscheiden, absondern, beurteilen, erkennen; diszernibel, unterscheidbar, erkennbar; Diszernibilität, Unterscheidbarkeit.

Diszession (lat.), das Auseinandergehen, die Trennung; das Übertreten zu einer andern Partei beim Abstimmen; auch das Abstimmen selbst.

Disziplin (lat., "Schulung") bezeichnete schon bei den Alten wie heute bald den Unterricht, bez. das einzelne Unterrichtsfach, bald (was heute vorwiegt) die Schulzucht und Schulordnung. In jener Bedeutung ist das Wort auf das gesamte Gebiet der Wissenschaft übergegangen (D., s. v. w. Wissenschaft, Wissenszweig), in dieser findet es mannigfache Anwendung auf die praktische Lebensordnung im kirchlichen, staatlichen, militärischen Leben und deren Handhabung durch Maßregeln der Verwaltung und Spruch des Richters. S. Disziplinargewalt.

Disziplinargewalt (Disziplinarstrafgewalt, Disziplinarstrafrecht), die dem Staat und seinen Organen zustehende oder doch von ihm anerkannte Befugnis, zur Aufrechthaltung von Ordnung, Zucht und Sitte gegen Untergebene einzuschreiten. Handelt es sich nämlich um einen Eingriff in die staatliche Rechtsordnung überhaupt, welcher strafrechtliche Ahndung erheischt, so tritt die Strafgewalt des Staats in Thätigkeit, indem sie den Thäter mit öffentlicher Strafe belegt. Dagegen setzt die D. immer noch ein besonderes Verhältnis der Unterordnung voraus und innerhalb dieses Rechtsverhältnisses ein Verstoßen gegen Zucht und Ordnung, welches zwar unerlaubt, aber doch nicht kriminell strafbar ist. So wird z. B. der Schüler, welcher sich eines Diebstahls schuldig macht, wofern er mit Rücksicht auf sein Alter überhaupt strafbar ist, kriminell bestraft, während ihn nur eine Schuldisziplinarstrafe trifft, wenn er den seinem Lehrer schuldigen Respekt verletzte. Der Unterschied zwischen der öffentlichen Strafe oder Kriminalstrafe und der Disziplinarstrafe besteht also darin, daß die erstere ein Ausfluß der allgemeinen staatlichen Strafgewalt behufs Aufrechthaltung der Rechtsordnung überhaupt ist, während die Disziplinarstrafe auf Grund besonderer Aufsichtsbefugnisse verhängt wird. So steht z. B. dem Hausvater gegenüber dem Hauskind, dem Lehrer gegenüber dem Schüler, dem Lehrmeister dem Lehrling, dem Dienstherrn dem Dienstboten und dem Schiffer dem Schiffsmann gegenüber eine gesetzlich begrenzte D. zu. Von großer Wichtigkeit ist ferner die rechtliche Feststellung und Einschränkung der kirchlichen D. Die moderne Gesetzgebung (z. B. das preußische Gesetz vom 13. Mai 1873) geht dabei von der Auffassung aus, daß als kirchliche Straf- und Zuchtmittel nur solche Anwendung finden sollen, welche dem religiösen Gebiet angehören oder die Entziehung kirchlicher Rechte oder den Ausschluß aus der kirchlichen Gemeinschaft betreffen. Auch die Disziplinarstrafgewalt der Kirche gegen Kirchendiener ist durch die staatliche Gesetzgebung normiert (z. B. durch das preußische Gesetz vom 12. Mai 1873). Auch ist gegen kirchliche Disziplinarentscheidungen das Rechtsmittel der Berufung an die zuständige Staatsbehörde (recursus ab abusu) gegeben. Auch der D. des Präsidenten der gesetzgebenden Körperschaften ist hier zu gedenken, welche um so bedeutungsvoller ist, als wenigstens nach deutschem Recht kein Mitglied einer solchen Versammlung außerhalb der letztern wegen einer in derselben gethanen Äußerung zur Rechenschaft gezogen werden kann.

Was die Staatsbeamten anbetrifft, so ist der Grundsatz allgemein anerkannt, daß Staatsdiener sowohl wegen eigentlicher Amtsverbrechen (s. d.) als auch wegen gemeiner Verbrechen und Vergehen durch richterliches Urteil nach vorgängiger gerichtlicher Untersuchung bestraft und ihres Amtes für verlustig erklärt werden können. Das deutsche Strafgesetzbuch (§ 31, 33, 35) läßt die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter und damit auch den Verlust der bekleideten bei Zuchthausstrafe, Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte und bei der ausdrücklichen Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung solcher Ämter eintreten. Diese strafrechtliche Ausstoßung aus dem Dienst wird als Dienstentsetzung (Kassation) bezeichnet. Aber der Staatsdiener steht vermöge seines besondern Dienstverhältnisses unter einer doppelten Strafgewalt. Der Beamte kann unter Umständen auch auf dem Verwaltungsweg mit Disziplinarstrafen belegt und sogar aus dem Dienst entlassen werden. Für diese Ausstoßung aus dem Dienstverhältnis im Disziplinarweg ist der Ausdruck Dienstentlassung gebräuchlich. Unfleiß, Fahrlässigkeit, Leichtsinn im Dienst, Ungehorsam oder Widerstand gegenüber den Vorgesetzten, unkollegiales oder unsittliches Betragen, insbesondere, wenn da durch ein öffentliches Ärgernis gegeben und das Ansehen der Behörde bloßgestellt wird, sind Gründe zu einem disziplinarischen Einschreiten. Es sind dies Dienstvergehen (Disziplinarvergehen) im Gegensatz zu den eigentlichen Amtsvergehen oder Amtsverbrechen, welch letztere strafrechtlich, nicht disziplinarisch geahndet werden. Übrigens kann eine strafbare Handlungsweise eines Beamten nicht bloß eine strafrechtliche, sondern auch noch überdies eine Disziplinaruntersuchung nach sich ziehen, namentlich dann, wenn die strafrechtliche Untersuchung nicht zur Dienstentsetzung des Beamten führte und gleichwohl dienstliche Rücksichten die Dienstentlassung als geboten erscheinen lassen. Dabei ist es aber die Aufgabe der Gesetzgebung des modernen Rechtsstaats, den Beamten gegen willkürliche Maßregelung zu schützen.

In den Verfassungsurkunden, Dienstpragmatiken, Beamtengesetzen und in den besondern Gesetzen über die D. ist das Disziplinarverfahren geregelt, so z. B. durch das preußische Gesetz vom 21. Juli 1852, betreffend die Dienstvergehen der nicht richterlichen Be-^[folgende Seite]