Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Edda

304

Edda (die ältere).

ländischen Priesters Sämundr inn Frodhi (1056-1133) sei; dies glaubte er nun im Codex regius zu finden. Lange galt Sämundr unbestritten als Verfasser, später schrieb man ihm wenigstens die Sammlung und die Urheberschaft der Prosa zu. Jetzt ist wohl allgemein anerkannt, daß er nichts mit unsern Liedern zu thun hat (vgl. Möbius in Zachers "Zeitschrift für deutsche Philologie", I, 399 ff.). Nicht einmal der Name E. ist authentisch für die Lieder; doch paßt seine Bedeutung für ihren Inhalt zu treffend, als daß man ihn ausmerzen sollte. Zum Unterschied von Snorris erst um 1230 entstandener, größtenteils Prosa enthaltender E. gebraucht man für sie die Ausdrücke ältere, poetische oder Lieder-E. Die Gedichte nun, die vermöge ihrer alten Überlieferung hierher gehören, sind, 33 an der Zahl, mehr oder minder vollständig und ursprünglich; nur in der Hälfte und zwar meist in den sagenhistorischen Liedern finden sich eingeschobene Prosastücke des Sammlers, die teils dunkle Stellen erläutern, teils Lücken der poetischen Darstellung ergänzen, teils den sachlichen Zusammenhang mehrerer Lieder geben sollen. Zwei Stücke (Sinfjötlalok, "Tod des Sinfiotli", und Niflungadráp, "Untergang der Nibelungen") stehen selbständig. Die Lieder sind sämtlich in allitterierenden Versen und Strophen, teils im kvidhuháttr, teils im ljódhaháttr (s. Isländische Verskunst), abgefaßt. Ihrem Inhalt nach behandeln sie entweder die nordische Mythologie oder Heldensage und zwar in episch-erzählender oder dramatisch-didaktischer Darstellung. Die mythischen Lieder sind folgende: Völuspá ("Offenbarung der Seherin"), gibt eine Übersicht der heidnischen Weltanschauung; Vafthrúdhnismál, erzählt die Reise Odins unter Gangrads Gestalt zu dem Riesen Vafthrudnir und den Wettstreit beider in der Religionsweisheit; Grímnismál, erzählt, wie Odin als Grimnir bei dem König Geiroddr den Zustand der Welt und sein eignes Wesen offenbart; För Skírnis ("Skirners Fahrt"), wie Skirner, Freys Diener, für seinen Gebieter um die Riesentochter Gerdr freit; Hárbardsljódh ("Harbards Lied"), wie Thor auf seiner Reise mit Harbard, dem Fährmann, Streit anfängt; Hýmiskvidha, erzählt die Sage vom Riesen Hymir, welchem Thor und Tyr den Kessel abgenommen, in dem von Ögir das Bier für die Götter gebraut wurde; Ögisdrekka ("Der Trank bei Ögir") oder Lokasenna ("Lokes Streit"), auch Lokaglepsa ("Lokes Biß"), wie Loke an einem Gastmahl bei Ögir die Asen lästerte; Thrymskvidha oder Hamarsheimt ("Die Wiedererlangung des Hammers"), wie Thor und Loke dem Riesen Thrymr den Hammer Thors wieder nehmen; Vegtamskvidha ("Wanderers Lied"), wie Odin als Vegtamr in der Unterwelt die Zauberin nötigt, ihm Baldrs Tod zu weissagen; Alvísmál ("Des Allwissenden Lied") handelt von Synonymen der himmlischen, irdischen und unterirdischen Wesen in der Dichtersprache; Rígsthula oder Rigsmál, erzählt die Entstehung der drei sozialen Stände durch Heimdall, der unter dem Namen Rigr die Welt durchwandert; Hyndluljódh, mit dem in der Tradition die Völuspá hin skamma (die kürzere Völuspa) zusammengewachsen ist, berichtet, wie die Zauberin Hyndla, um den Erbschaftsstreit zwischen Angantyr und Ottar zu schlichten, die Abstammung der Helden von den Göttern beweist. Außer diesen elf hat man früher allgemein auch einige nur in Papierhandschriften überlieferte Lieder mythischen Inhalts zur E. gerechnet. Aber von dem einen, dem Forspjallsljódh oder Hrafnagaldr Odhins (trübe Träume und dunkle Ahnungen der Asen vor Baldrs Tod), hat Bugge nachgewiesen, daß es ein Kunstprodukt des 17. Jahrh. und gemacht ist als Einleitung zur Vegtamskvidha, die selbst auch interpoliert wurde. Jener Einleitung dürfte der Name Forspjallsljódh, dieser erweiterten Vegtamskvidha der Name Hrafnagaldr (oder Hrævagaldr, "Totenzauberlied"?) gehören. Zwei andre: Grógaldr (worin der Geist der gestorbenen Zauberin Groa ihrem Sohn kräftige Zaubersprüche mitteilt) und Fjölsvinnsmál (unter dem Namen Fiölsvidr kommt der Held Svipdagr zur Burg seiner Geliebten Menglöd, der Wächter wehrt den Eingang; lange Unterredung beider, bis Menglöd herbeieilt), sind philosophische Gedichte des spätern gelehrten Mittelalters. Bugge freilich faßt sie als Teile eines noch in dänisch-schwedischer Nachdichtung erhaltenen Volksliedes, der Svendalsvise, auf und bezeichnet sie demnach als Svipdagsmál I und II. Neuerdings hat dies Bergmann ("Vielgewandts Sprüche und Groas Zaubersang", Straßb. 1874) bekämpft (vgl. auch Kölbing in "Germania", Bd. 19, 359 ff.). Ebensowenig dürfen die Sólarljódh zur E. gerechnet werden, die aus christlicher Zeit, aber kaum von Sämund herrühren und die christliche Mythologie mit altheidnischen Bildern ausschmücken.

Den Hauptteil der E. machen die sagenhistorischen Lieder aus, von denen jedoch nur vier ihren Stoff der heimisch-nordischen Sage entnehmen: drei Lieder von Helgi (s. d.) und der Grottasöngr (die Frieden mahlenden Riesenmägde prophezeien dem Frodi nahen Untergang). Die Völundarkvidha zeigt die nordische Gestaltung der gemeingermanischen Sage vom Schmied Wieland. Sämtliche übrigen Lieder behandeln die deutsche Siegfried- (nord. Sigurdhr) und Nibelungensage, die in früher Zeit (etwa im 6. Jahrh.) im Norden bekannt wurde und sich in den Liedern reiner erhielt, während sie im deutschen Stammland in lebhafter Entwickelung blieb. Man unterscheidet zunächst drei Sigurdlieder (Sigurdarkvidhur Fáfnisbana). Im ersten läßt sich Sigurd von seinem Oheim Gripir sein Schicksal vorhersagen (daher besser Grípisspá, "Gripirs Prophezeiung"). Im zweiten wird dem Sigurd vom Zwerg Regin der Ursprung des Horts erzählt und er angestachelt, den Horthüter Fafnir zu töten; doch rächt Sigurd erst den Tod seines Vaters (besser Reginsmál). Darauf berichten die Fáfnismál erst von der Tötung Fafnirs und Regins und Sigurds Besitznahme von dem Schatz, die Sigrdrífumál Sigurds Zusammentreffen, Unterhaltung und Verlobung mit Brynhild (Sigrdrifa als Walküre), bis das eigentliche (dritte) Sigurdlied uns erzählt, wie Sigurd an Giukis (deutsch Gibich) Hof kommt, sich mit Gudrun vermählt und Gunnar und Brynhild zusammenbringt, wie dann Brynhild sich durch Ermordung Sigurds rächt, aber ihm freiwillig in den Tod folgt. Die Mordgeschichte nebst den nähern Umständen danach liegt noch in einem Liedfragment vor, dem sogen. Brot af Sigurdharkvidhu (auch Brynhildarkvidhu). Die Helreidh Brynhildar beschreibt Brynhilds Fahrt in die Unterwelt. Drei Gudhrunarkvidhur schildernden gewaltigen Schmerz und die Klage Gudruns um Sigurd, wie sie dazu gebracht wird, sich mit Atli zu vermählen, und wie sie, der Untreue beschuldigt, sich durch den Kesselfang vom Verdacht reinigt. Die beiden Atlilieder (Atlakvidha und Atlamál in groenlensku ^[grœnlensku]) zeigen schon durch ihre Form relativ späte Entstehung; sie erzählen (das zweite ausführlicher) Einladung, Fahrt und Tod der Nibelungen bei Atli (Etzel) und Gudruns Rache. Zwei andre Lieder führen uns in die Ermanarichsage. Ermanarich hat seine Frau Swanhilde