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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ehe

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Ehe (bei verschiedenen Völkern; Voraussetzungen der Eheschließung).

wandten Pflicht, wenn ein Bürger bloß eine Erbin hinterlassen hatte, in welchem Fall diese den nächsten ihrer Anverwandten ehelichen mußte, um das Vermögen der Familie zu erhalten. Den Römern war es vorbehalten, den eigentlichen Begriff der E. herauszufinden. Trotz des Versuchs mehrerer Kaiser, der Polygamie Eingang zu verschaffen, blieb die E. monogamisch. Ehelosigkeit wurde bestraft, fruchtbare Ehen dagegen begründeten gewisse Rechte (jus liberorum). Das strenge römische Zivilrecht erkennt von jeher nur eine Art der E. an unter den Namen nuptiae, justae nuptiae, justum matrimonium; aber selbst diese konnte verschiedenerlei Wirkungen haben, je nachdem sie die Ehefrau in die volle Familiengewalt (manus) des Mannes brachte oder nicht. Sie war nur bei römischen Bürgern möglich und unterschied sich dadurch von dem Matrimonium juris gentium, der E. zwischen Peregrinen oder zwischen römischen Bürgern und Peregrinen. Außerdem bestand noch ein gesetzlich zulässiges außereheliches Verhältnis, das Konkubinat, welches nur darin von der E. verschieden war, daß die Konkubine nicht Genossin des Ranges und Standes ihres Mannes ward. Die eheliche Verbindung der Sklaven hieß Kontubernium. Bei den altgermanischen Völkern finden wir Polygamie erlaubt, aber nur sehr selten ("Standes halber", wie Tacitus sagt) vorkommend. Der Mann gab eine Brautgabe an die Frau, meist in Rindern, gezäumten Pferden, Waffen etc. bestehend. Besonders ausgezeichnet sind die Germanen durch ihre strenge Bewahrung der ehelichen Treue und durch die schweren Strafen, welche auf deren Verletzung gesetzt waren. Bei einzelnen Völkerschaften bestand die Sitte, daß nur Jungfrauen heiraten durften, wodurch den Witwen die Möglichkeit einer zweiten Verehelichung abgeschnitten war.

Auf mehrere Aussprüche der Apostel gestützt, erkannte die christliche Kirche von Anfang an nur die Monogamie an, die sie übrigens überall schon verbreitet fand, indem die Römer in allen Ländern, wohin sie ihre Gesetzgebung getragen hatten, gerade auf die E. einen entschiedenen Einfluß geübt hatten. Anfangs blieben die Bestimmungen des römischen Rechts in Gültigkeit; allein als die Kirche nach und nach anfing, ihre Macht auszubreiten, kam es bald dahin, daß sie sich vermöge des in der E. liegenden religiösen Elements ganz und gar derselben bemächtigte. So erhielten im Orient seit dem 7. Jahrh. (und seit der Christianisierung der Germanen auch im Occident) die kirchlichen Sanktionen das Übergewicht. Gestützt auf Eph. 5, 32, wo die E. ein Mysterium genannt wird, was die Vulgata mit Sacramentum übersetzt, legte man der E. selbst das Prädikat Sacramentum bei, und noch heutzutage erkennt die katholische Kirche die E. als eins der sieben Sakramente an. Von nur vorübergehendem Einfluß war in der ersten Zeit des Christentums der übergroße Purismus, durch welchen sich die Anhänger jener Religion auszeichneten. Wie alle Sinnenlust, so betrachtete man auch den Umgang der beiden Geschlechter als etwas Sündliches, und die E. wurde fast nur als ein notwendiges Übel geduldet. Wie sich zur Zeit der Entwickelungsperiode der germanischen Welt, im Mittelalter, in allen Verhältnissen die schreiendsten Gegensätze ausbildeten, so geschah dies auch hinsichtlich der E. Während wir auf der einen Seite die allerreinste, das weibliche Geschlecht fast als göttliches verehrende Liebe erblicken, wie bei den Troubadouren und Minnesängern, sehen wir auf der andern Seite Einrichtungen sich entwickeln, die der rohesten Barbaren würdig gewesen wären, wie das Jus primae noctis mancher Gutsherren. Doch bleibt dem Mittelalter immer das Verdienst, daß sich in ihm ein eigentliches Familienleben herausbildete. Das Konkubinat ward durch die Reichspolizeiordnung von 1577 als etwas Unsittliches und Gemeingefährliches verboten. Neben der vollwirksamen E. kommen bei germanischen Völkern noch vor die Ehen zur linken Hand (morganatische Ehen, matrimonium ad morganaticam, matrimonium ad legem salicam), welche sich darin von der eigentlichen E. unterscheiden, daß die Frau nicht den Rang und Stand des Mannes teilt und die Kinder bezüglich der Succession in Lehen und Fideikommisse nicht die vollen Rechte haben. Ursprünglich auf die E. zwischen einer freien und einer unfreien Person beschränkt, steht dies Institut noch jetzt mit den Verhältnissen des hohen Adels im Zusammenhang, bei welchem allein es heutzutage noch vorkommen kann (s. Ebenbürtigkeit). Was die nichtchristlichen Völker der Neuzeit anlangt, so modifizieren die Juden ihre Eheverhältnisse mehr oder minder nach den in den Ländern, wo sie sich aufhalten, herrschenden gesetzlichen Grundbestimmungen. Bei den Mohammedanern herrscht Polygamie, doch auch nur unter der reichern Klasse. Der vornehme Türke hat gewöhnlich gemäß den Bestimmungen der vierten Sure des Korans vier Weiber und außerdem noch eine beliebige Anzahl von Sklavinnen, welche ihm als Konkubinen dienen. Verboten ist die E. mit den Weibern des Vaters, mit den Müttern, Schwestern, Töchtern, Muhmen, mit den Töchtern der Brüder und Schwestern, mit den Säugammen und Milchschwestern, den Müttern der Weiber, den Stieftöchtern sowie mit schon verehelichten Weibern, mit Ausnahme der Sklavinnen. Als Kuriosität ist zu bemerken, daß auf der malabarischen Küste Polyandrie (Mehrheit von Männern) besteht. Dieselbe kommt auch in Vorderindien, in Tibet und im Himalaja vor. Endlich ist auch noch der Sekte der Mormonen (s. d.) zu gedenken, bei welcher die Polygamie üblich ist.

Voraussetzungen der Eheschließung.

Insofern die E. als ein Rechtsverhältnis zu betrachten, erscheint dieselbe als ein Vertrag, welchem nach deutschem Eherecht meist noch ein präparatorischer Vertrag vorhergeht: das Sponsalium, Verlöbnis, Eheversprechen, das aber nicht geradezu als notwendig erfordert wird (s. Verlöbnis). Der Abschluß der E. selbst kann, wie der jedes rechtlichen Geschäfts, nur unter gewissen Voraussetzungen erfolgen. Ein Ehehindernis (impedimentum matrimonii) ist jeder Grund, welcher dem Zustandekommen einer E. entgegensteht, sei es, daß die natürliche Fähigkeit zur E. fehlt, oder daß dieser besondere gesetzliche Verbote entgegenstehen. Die Ehehindernisse sind entweder trennende (impedimenta dirimentia) oder aufschiebende (impedimenta impedientia), je nachdem die trotz derselben abgeschlossene E. nichtig ist, oder je nachdem sie gültig bleibt, wofern nur das Ehehindernis beseitigt wird. Ferner unterscheidet man Impedimenta publica und I. privata (öffentliche und private Ehehindernisse). Die Berücksichtigung der Impedimenta publica wird von Amts wegen überwacht, wie z. B. das Ehehindernis wegen Verwandtschaft. Die Impedimenta privata dagegen werden nur insofern berücksichtigt, als der andre Ehegatte oder ein dritter Berechtigter dieselben geltend macht, wie z. B. Zwang zur Eingehung der E. Absolute Hindernisse sind solche, welche jemand die E. überhaupt unmöglich machen, relative solche, welche die