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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Eisen

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Eisen (chemische Vorgänge im Hochofen).

gebläse (s. Gebläse), Winderhitzungsapparate (s. Winderhitzung) und Gichtaufzüge (s. d.), letztere zum Emporschaffen der Schmelzmaterialien von der Hüttensohle bis zur Gicht bestimmt, wenn der Ofen nicht an einem Bergabhang liegt, von welchem aus er bedient werden kann. - Das Chargieren (Aufgeben) geschieht bei Holzkohlenöfen mit engerer Gicht aus Körben, Kasten, Schubkarren etc., bei Koksöfen in auf Schienen gehenden Gichtwagen, häufig mittels der Gichtaufzüge. Man sucht beim Aufgeben die Beschickung im allgemeinen so zu verteilen, daß die dickern Stücke mehr nach der Mitte, das Klein mehr an die Peripherie kommt und den aufsteigenden Gasen hier ein zu rapider Abzug verwehrt wird. Man erreicht dieses bei kleinern Öfen dadurch, daß man die Beschickung in mehreren Häufchen hart an die Peripherie stürzt, wo dann die dicken Stücke nach der Mitte rollen, das Klein aber an seiner Stelle liegen bleibt. Bei Öfen mit weiterer Gicht hat man besondere Verteilungsvorrichtungen, deren bekannteste und am häufigsten angewandte der Parrysche Trichter (Tafel I, Fig. 6) ist. B ist ein in die Gichtmündung eingehängter Trichter, in welchem ein Eisenkegel A an dem bei H durch die Scheibe F auf und nieder zu bewegenden Balancier G H gehoben und gesenkt werden kann. Wird bei der gewählten Kegelstellung der Trichter B mit Beschickung gefüllt, dann A gesenkt, so rutscht dieselbe durch die ringförmige Öffnung II nach der Peripherie D hin; hier bleibt das Klein liegen, während die größern Stücke nach der Mitte E hinrollen. Die Gichtgase ziehen durch seitliche Kanäle unter dem Trichter ab.

Was die Ofendimensionen betrifft, so richtet sich die Höhe hauptsächlich nach der Festigkeit des Brennmaterials und der im Gestell entwickelten Hitze. Die Höhe der Koksöfen beträgt meist 15-20 m und nur selten über 20 m (z. B. 30 m bei Öfen im Clevelanddistrikt); Holzkohlenöfen nimmt man meist niedriger, 7,85-9,98 m; jedoch kommen bei sehr festen Kohlen auch Höhen bis zu 16 m vor (Rußland). Die Weite der Öfen ist neuerdings sehr gestiegen, und man hat dadurch große Produktionen erreicht. Besonders maßgebend für letztere ist die Weite in der Formgegend. Mit zunehmender Weite ist die Windmenge, Anzahl der Formen, Stärke des Gebläses etc. gewachsen. Die größten Dimensionen dürften 3,14 m im Gestell, 9,41 m im Kohlensack und 6,28 m an der Gicht sein. Durch Herstellung tonnenförmiger und cylindrischer Schachtformen ist die Ofenkapazität ebenfalls erhöht worden. Die tägliche Produktion eines Hochofens variiert beträchtlich, je nach der Beschaffenheit der Erze und je nach der Größe der Hochöfen; die Menge des erzeugten Roheisens beträgt bei Anwendung von Koks 15-100,000 kg und zwar bei den neuern Hochofenanlagen meist 50-70,000 kg, auch wohl bis 90,000 kg. Beim Holzkohlenofenbetrieb ist die tägliche Produktion geringer und beträgt 10-40,000 kg. Beim Bau der Eisenhochöfen verfährt man im allgemeinen in der Art, daß auf dem Fundament zuerst das Rauhgemäuer oder der Mantel errichtet und dann erst der Kernschacht eingebaut wird. Das Schließen der Arbeitsseite des Herdes durch den Tümpel erfolgt zuletzt. Bevor der Ofen in Betrieb gesetzt wird, bedarf es eines sorgfältigen Anwärmens desselben, gewöhnlich in der Weise ausgeführt, daß unter dem Arbeitsgewölbe ein Flammofen erbaut wird und die Feuergase aus demselben so lange durch die offene Brust in den lose bedeckten Hochofen eingeleitet werden, bis etwa nach 2-3 Wochen keine Wasserdämpfe oben mehr ausziehen.

Behufs Inbetriebsetzens eines Koksofens (Anblasens) füllt man den Herd bis zur Rasthöhe mit Holz, verteilt darauf Koks und etwas Kalkstein zur Bindung der Koksasche, dann wieder Koks, gare Eisenhochofenschlacke und etwas leichtflüssige Beschickung. Nachdem der übrige Schachtraum noch mit abwechselnden Schichten von Koks und Beschickung, der man immer mehr und mehr an Schlackenzusatz abbricht, bis etwas unter die Gicht gefüllt worden, zündet man das Holz bei offener Gicht und geschlossenen Formen am Eisenabstich an, läßt den Wind schwach an, wenn das Feuer die Formen erreicht, und steigert allmählich die Windpressung, bis sich Schlacke am Eisenabstich zeigt, worauf man letztern mit Sand schließt und bei verstärktem Wind und vermehrter Beschickungsmenge zu einem normalen Satz, d. h. zu einem Verhältnis zwischen Brennmaterial und Beschickung, zu gelangen sucht, bei welchem ohne Eisenverschlackung dasjenige Roheisen erfolgt, welches man andauernd zu erhalten wünscht (Gargang, normaler Gang). Setzt man auf dieselbe gleichbleibende Menge Brennmaterial (Brennmaterialgicht) zu viel Beschickung (Satz), so tritt Abkühlung vor den Formen ein, und das unvollständig reduzierte E. geht in die Schlacke (Rohgang). Bei zu wenig Erz auf dieselbe Brennmaterialmenge steigt die Temperatur zu hoch, und es bilden sich graphitreiche schwarzgraue Roheisensorten (übergarer Gang). Sobald der Ofen in normalen Gang gekommen, das Anblasen beendigt ist, setzt man das regelmäßige Chargieren von vorher abgewogenen Beschickungs- und Brennmaterialmengen fort. Gewöhnlich nimmt man die Brennstoffquantität (Brennmaterialgicht) konstant an und ändert das Gewicht des jedesmaligen Beschickungssatzes nach dem dermaligen Ofengang.

Die chemischen Vorgänge, welche die Massen beim allmählichen Niedergehen im Ofen in verschiedenen Teilen erleiden, sind im wesentlichen die folgenden. Kommt das Brennmaterial mit einem Überschuß von Luft vor den Formen zusammen, so verbrennt dasselbe zu Kohlensäure, welche beim Aufsteigen in Berührung mit glühenden Kohlen Sauerstoff an dieselben abgibt und in Kohlenoxyd übergeht. Das in den Ofen gestürzte Erz verliert im obern Ofenteil (Vorbereitungszone) flüchtige Bestandteile, lockert sich auf und gestattet beim weitern Niedergang dem aufsteigenden Kohlenoxydgas Eintritt in seine Poren; das Eisenoxyd wird dadurch allmählich in der Reduktionszone bei 600-900° zu metallischem schwammförmigen E. reduziert, welches in den noch nicht geschmolzenen erdigen Bestandteilen verteilt bleibt. Gelangt das Erz in die Nähe des Kohlensackes, so nimmt das fein zerteilte E. bei 1000° Kohlenstoff auf und sättigt sich damit bei ca. 1400° in einem etwas tiefer gelegenen Teil des Ofens (Kohlungszone). Dadurch wird das E. schmelzbar und geht in dem heißesten Teil des Gestells, wo der erhitzte Wind eintritt, samt den beigemengten schlackebildenden Substanzen in den flüssigen Zustand über (Schmelzungszone). Im Herd schwimmt die spezifisch leichtere Schlacke auf dem Roheisen und schützt dasselbe vor der Oxydation durch den Gebläsewind. Je nach der Temperatur und der Schmelzbarkeit der Beschickung entstehen graue, halbierte oder weiße Roheisensorten (s. oben). Bei der hohen Temperatur im untern Ofenraum reduziert sich auch Silicium, namentlich aus der Kieselsäure der Asche durch Kohle und E., und geht in das Roheisen. Durch größere Kalkzuschläge bindet man die Kieselsäure schon, bevor sie in den Schmelzraum kommt, großenteils an Kalk,