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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Eisen

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Eisen (Flußschmiedeeisen; Stahl).

erhält. Der Einsatz kann 250-1500 kg und mehr betragen, man macht 12-13 Chargen in 12 Stunden und bringt in einer Hitze aus Luppeneisen 86-90 Proz. aus. Auf 100 kg E. braucht man bei direkter Feuerung 70-150 kg Steinkohlen, bei Regenerativgasfeuerung weit weniger. Man unterscheidet das ein- oder mehreremal im Schweißofen gewesene geschweißte E. von den Rohschienen, welche unmittelbar aus den gezängten Luppen als ein Zwischenprodukt hergestellt werden. Das E. wird schweißwarm Hämmern, Walzwerken, seltener Pressen zugeführt, um in Stabeisen, Blech oder Draht verwandelt zu werden. Als die wirksamste Maschine hierfür dient das Walzwerk. Man teilt das Schmiedeeisen je nach der Form und den Dimensionen, welche es bei der Bearbeitung erhalten hat, zunächst in Stabeisen, von kreis- oder ovalförmigem, quadratischem, oblongem oder polygonalem Querschnitt, und in Façoneisen, von unregelmäßigem, teils symmetrischem, teils unsymmetrischem Querschnitt (Winkeleisen, Fenstereisen, Eisenbahnschienen, Radreifen etc.), dann das Stabeisen nach seinen Querschnittsdimensionen wieder in Grob- und Feineisen (starkes und schwaches Flacheisen oder Bandeisen von oblongem Querschnitt, Quadrateisen etc.). Feineisen zu Nägeln (Nageleisen, Schneideisen) wird häufig durch Zerschneiden eines Flacheisenstabs mittels eines Schneidwerks erhalten, welch letzteres aus einer Anzahl ineinander greifender Ringe besteht, welche nach Art einer Kreisschere wirken. Endloses Stabeisen, z. B. zu Eisenbahnradreifen (Tyres, Bandagen), zu Verstärkungsringen für Dampfkessel etc. verwandt, erfolgt aus Ringen, welche teils durch spiralförmige Aufwickelung eines Eisenstabs um einen Dorn und nachherige Schweißung, teils durch Aufbiegen eines geschlitzten Eisenblocks oder durch Ausstanzen einer vollen Scheibe gebildet werden. Behufs des Ausstreckens durch Walzen in die erforderliche Größe und von dem verlangten Querschnitt muß der Ring über eine derselben geschoben werden.

2) Darstellung von Flußeisen.

Bezüglich der Darstellung von Flußschmiedeeisen kann auf die ganz analoge Darstellung von Flußstahl (s. S. 421 und 422: Bessemer- und Siemens-Martin-Prozeß) verwiesen werden. In beiden Fällen werden genau dieselben Apparate u. die nämlichen Methoden angewandt, und es hängt z. B. nur von der Menge des zum entkohlten, in der Bessemerbirne befindlichen E. gesetzten Spiegeleisens (resp. Ferromangans) ab, ob man Flußstahl oder Flußschmiedeeisen erhält.

B. Stahl.

(Hierzu Tafel "Eisen III".)

Stahl ist die hinsichtlich ihres Kohlenstoffgehalts zwischen Roheisen und Schmiedeeisen liegende Kohlungsstufe des Eisens, welche mit ersterm die Schmelzbarkeit bei nicht zu hoher Temperatur, mit letzterm die Schmiedbarkeit gemein hat, von beiden aber sich durch die charakteristische Eigenschaft unterscheidet, daß sie, glühend in einer Flüssigkeit abgekühlt, härter wird. Der Übergang vom Schmiedeeisen zum Stahl ist ein ganz allmählicher, so daß man bei Produkten mit 0,45-0,65 Proz. Kohlenstoff zweifelhaft sein kann, ob sie zum Schmiedeeisen oder zum Stahl zu zählen sind. Mit Unrecht werden häufig Produkte als Flußstahl bezeichnet, die hinsichtlich ihres Kohlenstoffgehalts in die Kategorie des Fluß- (Schmiede-) Eisens gehören.

Guter Stahl zeigt bei leicht grauweißer Farbe keinen starken Glanz (nur Schimmer) und ein feines, gleichartiges Korn, bei mehrfachem Ausrecken oder bei einem Wolframgehalt selbst muscheligen Bruch. Die Festigkeit von Stahl ist größer als diejenige von Schmiedeeisen; das spezifische Gewicht ist für Flußstahl 7,400-7,825, für Schweißstahl 7,826-8,100 und beträgt durchschnittlich 7,7; das spezifische Gewicht vermindert sich mit zunehmendem Kohlenstoffgehalt und beim Härten. Beim Erhitzen wird der Stahl weicher, schweißt früher, aber schwieriger als Schmiedeeisen (was beim Verstählen des Eisens zu berücksichtigen ist), schmilzt bei 1300-1800° und absorbiert im Fluß Gase, hauptsächlich Stickstoff, Wasserstoff und Kohlenoxydgas, welche bei zu heißem Guß die Gußstücke blasig machen. Läßt man den flüssigen Stahl vor dem Gießen sich etwas abkühlen, so entweichen die Gase, bevor derselbe in die Formen gelangt, und die Güsse werden dichter. Bessemerstahl hält mehr Gase zurück als Martin- und Tiegelstahl, und letztere eignen sich deshalb besser zur Façongießerei. Wird der Stahl in glühendem Zustand in einer Flüssigkeit abgekühlt (abgelöscht), so wird er um so härter, je höher die Erhitzungstemperatur und je kälter und wärmeleitender die Härteflüssigkeit ist. Quecksilber, Salze und Säuren enthaltendes Wasser härten deshalb stärker als Wasser für sich, als Öl, Seife u. dgl. Da man nicht im stande ist, die Glühtemperatur und die Härtefähigkeit der Flüssigkeit hinreichend genau zu taxieren, um ein Produkt von bestimmtem Härtegrad zu erhalten, so macht man den Stahl durch Ablöschen anfangs härter, als er eigentlich sein soll, und führt ihn dann durch Ausglühen (Anlassen) auf den richtigen Härtegrad zurück. Der Stahl zeigt bei verschiedenen Temperaturen bestimmte Farben (Anlauffarben) infolge der Bildung einer ganz dünnen Schicht von Oxyd. Die Farben sind von einem geübten Auge leicht zu erkennen und damit also auch die anzuwendenden Temperaturen gegeben, welche auf die Härte verschieden influieren. Je stärker man einen Stahl nach dem Härten anläßt, um so weicher wird er. Die Anlauffarben treten in nachstehender Reihenfolge auf: bei 220° blaßgelb, zur Härtung chirurgischer Instrumente geeignet; 230° strohgelb, für Rasier- und Federmesser, Grabstichel, Drahtzieheisen; 255° braun, für Scheren und härtere Meißel; 265° braun mit Purpurflecken, für Äxte, Hobeleisen, Brot- und Taschenmesser; 277° purpurfarbig, für Tischmesser; 288° hellblau, für Säbelklingen und Uhrfedern; 293° dunkel- oder kornblumenblau, für feine Sägen, Rapiere, Bohrer, Dolche; 316° schwarzblau, für Hand- und Stichsägen. Die Gegenstände bleiben demnach viel härter, wenn man nur bis blaßgelb, als wenn man bis schwarzblau anlaufen läßt. Das Erhitzen des Stahls vor dem Ablöschen geschieht in einem offenen oder bedeckten Holzkohlenfeuer mit oder ohne Gebläse oder in einem Ofen mit durchbrochener Sohle und mit darunter befindlicher Feuerung, bei kleinern Gegenständen auch wohl vor dem Lötrohr oder in einem Metallbad. Behufs des Härtens läßt man die Härteflüssigkeit entweder auf den Gegenstand fließen (Strahlhärtung), oder man taucht ihn bei kreisender Bewegung ganz oder teilweise in die Flüssigkeit ein. Das Erhitzen zum Zweck des Anlassens geschieht auf einem von unten erhitzten Eisenblech, auf einem Sandbad, über Kohlenfeuer, in Substanzen mit bestimmten Schmelzpunkten (Blei, Zinn, Legierungen daraus) oder in Flüssigkeiten, deren Temperaturen mittels des Thermometers leicht zu messen sind (Öl, Talg etc.). Zuweilen härtet man eiserne Gegenstände oberflächlich dadurch, daß man sie mit Kohlenstoff abgebenden Substanzen (tierischen Stoffen, wie Haare, Horn, Leder etc., Cyanverbindungen) umhüllt und