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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Endospor - Enfantin.

Endospor (Endosporium), die Innenhaut der Sporenzelle bei den Kryptogamen.

Endossieren (franz., spr. ang-), s. Indossieren.

Endossiermaschine, s. Buchbinden, S. 546.

Endothelium (griech.), das zarte Häutchen auf der Innenfläche der Lymph- und Blutgefäße sowie der Körperhöhlen.

Endreime, Reime am Schluß der Verse, besonders aber vorgeschriebene Reime (franz. Bouts-rimés), nach welchen jemand ein Gedicht machen soll, eine Spielerei der Improvisatoren.

Endrulat, Bernhard, Schriftsteller, geb. 24. Aug. 1828 zu Berlin, studierte daselbst Philologie, mußte wegen Beteiligung an der Studentenadresse an das Frankfurter Parlament die Universität verlassen, nahm 1849-51 an den schleswig-holsteinischen Feldzügen teil und wandte sich dann nach Hamburg, wo er als Lehrer und als Journalist thätig war und 1859 die "Blätter für deutsche Dichtung" herausgab. 1864 vom Herzog Friedrich von Schleswig-Holstein nach Kiel berufen, wirkte er in dessen Diensten in der Presse bis Juli 1866 und lebte dann wieder schriftstellerisch thätig in Hamburg, Itzehoe und in Straßburg. Seit 1876 wirkte er im preußischen Archivdienst, zuerst in Düsseldorf, seit 1882, zum Staatsarchivar ernannt, in Wetzlar und seit 1885 in Posen, wo er die "Zeitschrift der historischen Gesellschaft für die Provinz Posen" herausgab und 17. Febr. 1886 starb. Er veröffentlichte zuerst "Gedichte" (Hamb. 1857), bald darauf seine schleswig-holsteinischen Erinnerungen: "Von einem verlornen Posten" (das. 1857); "Das Schillerfest in Hamburg" (das. 1860); "Geschichten und Gestalten", erzählende Dichtungen (das. 1863); eine Übersetzung von G. Flauberts "Versuchung des heil. Antonius" (Straßb. 1874) u. a.

Endursache (Causa finalis), s. v. w. Zweck, weil sie bestimmenden Einfluß auf den Willen hat (s. Ursache).

Endurteil, s. Urteil.

Endymion, der schöne Schläfer der griech. Mythologie, Sohn des Zeus, nach andern des Aethlios und der Kalyke, ein Jüngling von ausgezeichneter Schönheit und Geliebter der Selene (Luna), die, so oft er, von der Jagd ermüdet, auf dem Berg Latmos in Karien entschlummerte, liebend zu ihm herabstieg, um ihn zu küssen und bei ihm zu ruhen. Sie gebar ihm 50 Töchter (nach Böckh die 50 Monde des olympischen Festcyklus bedeutend), und Zeus gewährte ihm auf seine Bitte ewigen Schlaf mit Unsterblichkeit und Jugend. Eine andre Sage läßt E. nach Elis einwandern und diese Landschaft von ihm beherrscht werden. So zeigte man auch sein Grab in Olympia. Der Mythus mag in dem Eindruck, den der Monduntergang an den weißlichgrauen Felswänden des Latmos machte, seinen Ursprung haben. Andre sehen in demselben das Bild des Mondes, welcher gleichsam ins Wasser taucht und dasselbe küßt; Max Müller endlich ("Essays", Bd. 2) faßt E. als die untergehende Sonne, Selene als den aufgehenden Mond.

Enelysia, s. Elysia.

Enenkel, Johann (auch Jansen der E., Johannes Nepos), deutscher Dichter, lebte zu Wien, bürgerlicher oder nach andrer Auffassung adliger Abkunft, auch Domherr, verfaßte in den letzten Jahrzehnten des 13. Jahrh. eine "Weltchronik", für deren ersten Teil er die "Weltchronik" des Rudolf von Ems, für den zweiten die "Kaiserchronik" benutzte. Das Werk, in zahlreichen Handschriften vorhanden (von Maßmann in der Ausgabe der "Kaiserchronik", Bd. 3, verzeichnet), ist bis jetzt nur in Proben bekannt geworden, die sich unter anderm finden in Pez' "Scriptores rerum austriacarum" (Bd. 2), in Maßmanns "Eraclius" und "Kaiserchronik" (Bd. 3) und in der Schrift von K. Roth: "Bruchstücke aus Jansen des Enenkels gereimter Weltchronik" (Münch. 1854). Eine kritische Ausgabe für die "Monumenta Germaniae" ist in Vorbereitung. Der Fortsetzer der "Weltchronik" Rudolfs, Heinrich von München, schrieb Enenkels Werk aus, welches später auch in Prosa aufgelöst wurde. Ein zweites poetisches Werk Enenkels aus der Mitte des Jahrhunderts, welches er auch in seine Chronik einreihen wollte, ist sein "Fürstenbuch von Österreich", dessen Handschriften ebenfalls von Maßmann verzeichnet sind; herausgegeben von Megiser (Linz 1618; neuer Abdruck, das. 1740) und von Rauch ("Scriptores rerum austriacarum", Bd. 1).

Energie (griech.), Kraft, Thatkraft, Wirkungsvermögen.; auch Kraft des Charakters, Nachdruck; daher energisch, stark, kraftvoll, nachdrücklich. Über den Begriff E. in der Mechanik s. Kraft.

Energumen (griech.), ein von einem Dämon besessener rasender Schwärmer (s. Exorzismus).

Enervieren (lat.), entnerven, entkräften; Enervation, Entnervung, Entkräftung.

Eneter (Veneter), altes Volk in Paphlagonien, in der historischen Zeit schon aus seinen ursprünglichen Sitzen verschwunden, Bundesgenosse des Priamos von Troja, mit der Stadt Amisos, angebliches Stammvolk der Veneter (s. d.) in Italien.

En face (franz., spr. ang fahß), von vorn, s. Face.

En famille (franz., spr. ang famihj), im engern Familienkreis.

Enfantin (spr. angfangtang), Barthélemy Prosper (gewöhnlich Père E. genannt), der Lieblingsschüler des Sozialisten Saint-Simon und einer der Begründer des Saint-Simonismus (s. Sozialismus), geb. 8. Febr. 1796 zu Paris, wurde in einem Lyceum, später (1813) in der polytechnischen Schule gebildet und besuchte dann als Weinreisender Belgien, Deutschland und Rußland. 1821 trat er in ein Bankhaus zu Petersburg, kehrte jedoch schon 1823 nach Paris zurück, wo er Kassierer bei der Hypothekenbank wurde. Ein enges Freundschaftsbündnis mit Olinde Rodrigues führte ihn zum Studium der Schriften Saint-Simons, dessen eifrige Schüler beide wurden. Sie gründeten 1825 eine Kommanditgesellschaft zur Unterhaltung des Journals "Le Protecteur", indem E. Saint-Simons Ideen entwickelte. Nach und nach bildete sich um ihn und Bazard (s. d.), namentlich seit den öffentlichen Vorlesungen des letztern (1829), ein Kreis von Anhängern, die Schule der Saint-Simonisten wurde begründet, und in dem Collège, der Vereinigung der Eingeweihten, wurden E. und Bazard zu "hohen Vätern" (pères suprèmes) geweiht. Jeder von ihnen zog aber aus den Lehren ihres toten Meisters andre Folgerungen. Bazard hielt sich an die philosophisch-politische Seite derselben, während E. die philosophisch-soziale Richtung weiter verfolgte. Er verwandelte die Prinzipien in Dogmen, die Schule in eine Kirche und das Lehrerkorps in einen Priesterstand, eine Hierarchie. Die Menschheit teilte er in zwei Klassen, die philosophische oder die ruhige und die sensitive oder bewegliche; er erklärte die von der Gesellschaft aufgestellten Gesetze für ungerecht gegen die letztere, namentlich in Bezug auf die Ehe. Er forderte die Emanzipation der Frauen, die völlige Gleichheit des Weibes mit dem Mann und verteidigte auch in der Entwickelung der cynischen Theorie von einem Doppelpriester die Freiheit des geschlechtlichen Verkehrs. Über diesen Punkt brach 1831 Zwist unter den Häuptern der Schule aus, und der politische Teil