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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Erbprinz; Erbrechen

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Erbprinz - Erbrechen.

ten ein Einspruchsrecht gegen jede Parzellierung zusteht und der Verkäufer vertragsmäßig sich auch ein Vorkaufsrecht vorbehalten kann (die modifizierte Erbzinsleihe); die Verleihung zu emphytheutischem Recht auf Zeit (wie in Frankreich, Belgien, Holland), etwa auf 100 oder 99 oder auch nur 50 Jahre, aber mit der Bestimmung, daß auch hier der Emphyteuta für alle Kapitalverwendungen, die er auf das Gut macht, wenn nach Ablauf der Zeit der Vertrag der Emphyteusis nicht erneuert wird, zu entschädigen ist; dann die Erbpacht. Letztere müßte freilich in solcher Gestalt auftreten, welche die Vorteile der alten Erbpacht gestattet, aber ihre Übelstände vermeidet. Insbesondere dürften Laudemien und Besitzveränderungsabgaben sowie ein Zustimmungsrecht des Erbverpachters zu Veräußerungen (mit Ausnahme etwa bei kleinen Erbpachtungen an landwirtschaftliche Arbeiter) und Verpfändungen nicht zugelassen, ein Recht zur Entziehung des Grundstücks dürfte allenfalls nur durch Verschlechterung desselben begründet werden, und jedenfalls müßte gesetzlich bei einem etwanigen Heimfall für alle vom Erbpachter auf das Gut gemachten Kapitalverwendungen volle Vergütung gewährt werden.

Vgl. Ruprecht, Die Erbpacht (Götting. 1882, dort auch weitere Litteratur); "Verhandlungen des preußischen Landesökonomiekollegiums" 1879 (in Thiels "Landwirtschaftlichen Jahrbüchern", Bd. 8, Suppl. 2); Nasse, Die wirtschaftliche Bedeutung von Erbzins- und Erbpachtverhältnissen (ebenda, Bd. 7); Bening, Über die Verleihung von Grundeigentum etc. (im "Archiv für politische Ökonomie", neue Folge, Bd. 10, 1852); Judeich, Die Grundentlastung in Deutschland (Leipz. 1863); Laveleye, De la propriété et de ses formes primitives, Kap. 17 (Par. 1874; deutsch von Bücher, Leipz. 1879); Wagner-Nasse, Finanzwissenschaft, 1. Teil (3. Ausg., das. 1883); Rodbertus, Zur Erklärung und Abhilfe der heutigen Kreditnot des Grundbesitzes (Jena 1876).

Erbprinz, Titel des künftigen Nachfolgers des regierenden Fürsten oder Herzogs. Gewöhnlich kommt dieser Titel, mit welchem ein dem Rang des regierenden Hauses entsprechendes Prädikat (Hoheit, Durchlaucht) verknüpft ist, nur dem ältesten Sohn des Regenten zu, während präsumtive Nachfolger denselben zu führen nicht berechtigt sind, wenn er ihnen nicht ausdrücklich verliehen ist. Übrigens führt auch der älteste erbberechtigte Sohn in den vormals reichsunmittelbaren mediatisierten und depossedierten Fürstenhäusern den Titel E. In denjenigen Staaten, deren Oberhaupt ein Kaiser oder König ist, führt der Thronfolger den Titel Kronprinz (Kaiserliche, resp. Königliche Hoheit); der präsumtive Nachfolger des Großherzogs heißt Erbgroßherzog (Königliche Hoheit). In den vormaligen Kurfürstentümern führte der E. den Titel Kurprinz. Die Gemahlin des Erbprinzen heißt Erbprinzessin.

Erbrechen (Vomitus), die Entleerung des Magens von seinem Inhalt durch einen kräftigen Ausstoßungsakt, bei welchem vorzugsweise die krampfartige Zusammenziehung des Magens selbst, aber daneben auch die Schlingmuskeln und die Bauchpresse beteiligt sind. Dem E. geht ein Gefühl von Ekel oder Übelkeit voran, es folgen dann schwächere wurmförmige Bewegungen des Magens, bei denen Gase durch sogen. Aufstoßen entleert werden, bis kräftigere ruckweise Zusammenziehungen den Schließmuskel am Mageneingang überwinden und den Mageninhalt aufwärts in den Mund treiben. Während dieser konvulsivischen Bewegung steigern sich die Absonderungen des Schleims, des Speichels, auch der Thränen und der gesamten Hauttranspiration. Sekundäre oder sympathische Erscheinungen beim E. werden durch die heftige Muskelthätigkeit, die Nervenerschütterung und Sekretionsveränderung bedingt. Namentlich wird der ganze Körper so heftig erschüttert, daß selbst Brüche, Vorfälle, Fehlgeburten, Zerreißungen, Blutungen entstehen können; die Nervenerschütterung insbesondere ruft eine allgemeine Umstimmung und das Bedürfnis des Schlafes, zuweilen aber auch Ohnmachten, Zuckungen, Krämpfe und große Erschöpfung hervor. Nach der Verschiedenheit der ausgebrochenen Stoffe unterscheidet man Blut-, Schleim-, Gallen-, Kotbrechen (Miserere, Darmgicht); nach der Dauer desselben akutes und chronisches E. Die Ursachen, welche den Brechreiz auslösen, liegen entweder 1) in dem Reiz des Mageninhalts, oder sie sind 2) nervöser Natur, oder sie beruhen 3) auf Erkrankungen der Magenwand. Im erstern Fall können E. veranlassen: Überfüllung des Magens durch verschluckte Luft; lauwarme, fette, schleimige Getränke; verschluckter Bronchialschleim; quantitativ oder qualitativ unverdauliche, rohe, holzige, sehnige Speisen; Aufnahme reizender, entzündend wirkender, giftiger Stoffe (Galle, Magensäure, ranzige und faulige Stoffe, manche Arzneimittel und die meisten Gifte). Zweitens nervöser, reflektorischer Einfluß auf die Magenmuskulatur wird bewirkt durch hastiges Bücken, Kitzeln im Rachen oder Schlund, Schleim, verlängertes Zäpfchen, Schlundpolypen, Kehlkopfreizung und mitgeteilten Hustenreiz, Erschütterung des Magens, wie beim Keuchhusten, Schaukeln, Herumdrehen im Kreis, ungewohntes Fahren im Wagen oder Schiff; endlich noch reflektierte Nerveneindrücke, infolge deren namentlich bei Hirnkrankheiten, Kopfverletzungen und Kopferschütterungen, heftigen Kopfschmerzen, Schwindel, ekelhaften Gesichts-, Geruchs-, Geschmackseindrücken, subjektiver Antipathie, Idiosynkrasien, Gemütsbewegungen, Uterinaffektion und Schwangerschaft, Nierenkrankheiten, Aufnahme von Kontagien und Miasmen etc. E. entsteht. Am häufigsten ist endlich das E. ein Sympton zahlreicher Krankheiten des Magens, des Darmkanals und des Bauchfells und kommt besonders häufig im Beginn schwerer fieberhafter Erkrankungen, zumal bei Kindern und Frauen, vor. Eine Behandlung des Erbrechens muß nach dem Gesagten nur unter der Voraussetzung eintreten, daß das E. nicht als wohlthätiger Entleerungsakt, sondern als Krankheitserscheinung auftritt. Im letztern Fall wird sich die Wahl der Mittel je nach dem Hauptübel sehr verschieden gestalten, und nur der Arzt darf entscheiden, ob Salzsäure, ob kohlensaure Alkalien, ob Opium, Belladonna, schwarzer Kaffee oder Eispillen am Platz sind. Manche Tiere erbrechen sich nur sehr schwer, so z. B. Pferde wegen der spiralförmigen Klappe und der Lagenverhältnisse des Magens, und Wiederkäuer, wogegen andre, z. B. Hunde, Katzen etc., sich sehr leicht erbrechen. Bei den Raubvögeln ist das Ausbrechen des sogen. Gewölles ein normaler Akt, so auch bei den Fröschen das freiwillige Um- und Hinausstülpen des Magens. Beim Menschen erfolgt das E. am leichtesten im frühsten Kindesalter, schwerer im Knabenalter, am schwersten bei Erwachsenen, namentlich bei Männern, leichter bei Frauen, namentlich während der Schwangerschaft. Das habituelle E. der Schwangern soll durch den regelmäßigen Genuß eines guten Branntweins manchmal gründlich beseitigt werden, unter den Heilmitteln hat sich in neuester Zeit das Cerium oxalicum wohl bewährt. Vgl. Brechmittel.