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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Erdöl

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Erdöl (Destillationsprodukte, Prüfungsapparate).

6-8 Stunden absetzen, trennt das Öl von der mit den Unreinigkeiten ausgeschiedenen Schwefelsäure, wäscht es dann durch lebhaftes Zusammenrühren mit Wasser, läßt wieder absetzen, zieht das Wasser ab und behandelt nun das Öl auf gleiche Weise mit 5-10 Proz. Ätznatronlauge von 1,4 spez. Gew. Ist das Öl endlich auch von der Natronlauge getrennt und mit Wasser ausgewaschen, so wird es vorsichtig rektifiziert, wobei man zunächst ein Öl gesondert auffängt, bis das spezifische Gewicht auf 0,702-0,735 gestiegen ist, und dann weiter destilliert bis zum spez. Gew. 0,82. Der dann noch bleibende Rückstand wird zu den schweren Ölen gegossen. Diese behandelt man wie die leichten mit Säure und Lauge, wendet die Chemikalien aber konzentrierter und in größerer Menge an und rektifiziert dann das Öl wie angegeben. Dabei gewinnt man zuerst ein Produkt, welches mit dem letzten Destillat der leichten Öle vereinigt werden kann, und dann dickflüssiges Öl, welches entweder als Schmiermaterial benutzt, oder auf Paraffin und Solaröl verarbeitet wird.

Die verschiedenen Destillationsprodukte sind, wie angedeutet, sehr ungleich, indem man willkürlich die Grenzen der spezifischen Gewichte und Siedepunkte verlegt. Im allgemeinen kann man sie einteilen in Essenzen, Brennöle, Schmieröle und Rückstände. Zu den erstern gehört als flüchtigstes Produkt das Rhigolen, welches schon bei 30° siedet und als anästhetisches Mittel benutzt wird; ferner Petroleumäther (Erdöläther, Keroselen [Rhigolen], Sherwoodoil), der als Aether Petrolei offizinell war und nach der "Pharmac. germ. Ed. I" bei einem spezifischen Gewicht von 0,67-0,675 bei 50-60° sieden sollte, absorbiert an der Luft Sauerstoff, wird dadurch spezifisch schwerer, ist äußerst leicht entzündlich und dient als lokales Anästhetikum und gegen rheumatische Leiden; Petroleumäther II (Gasoline, Canadol), etwas schwerer und schwerer flüchtig; Petroleumbenzin, als Benzinum Petrolei offizinell, soll nach der "Pharm. germ." bei einem spezifischen Gewicht von 0,64-0,67 bei 55-75° sieden, absorbiert gleichfalls Sauerstoff und wird dadurch spezifisch schwerer, ist leicht löslich in Alkohol und Äther, löst sehr leicht Fette und Paraffin, langsamer Kautschuk, Asphalt und Terpentin in der Wärme, schwieriger Kolophonium, Bernstein, Kopal, Mastix, Dammar, wirkt gärungswidrig, tötet alle niedern Tiere und dient zur Beschleunigung des Blutumlaufs, zur Anregung der Thätigkeit der Haut und der Schleimhäute, zur Vermehrung der Harnabsonderung, gegen gastrische Leiden, Eingeweidewürmer, Krätzmilben und Ungeziefer. Da es eine ganz andre Zusammensetzung besitzt als das Benzin (Benzol) aus Teerölen, so kann es nicht zur Anilinfabrikation benutzt werden, wohl aber ersetzt es das Benzol bei der Benutzung als Fleckwasser; es dient zum Extrahieren von Öl aus Samen, zum Entfetten von Wolle, zum Konservieren anatomischer Präparate, zum Karburieren von Leuchtgas, zu Lacken und Firnissen, zum Betrieb von Luftgasmaschinen. Ein ähnliches Destillat ist das Ligroin, welches als Leuchtmaterial und zur Bereitung von Leuchtgas dient. Das künstliche Terpentinöl (Petroleumsprit, Putzöl), vom spez. Gew. 0,73-0,75, löst nicht Harze, dient zum Verdünnen von Leinölfirnis, zum Reinigen von Buchdruckerlettern und zum Putzen von Maschinenteilen. Alle diese Essenzen, von denen die schwereren als Naphtha im Handel sind, riechen mehr oder weniger ätherisch, nicht eigentlich unangenehm und sind sehr leicht entzündlich. - Nachdem die Essenzen übergegangen sind, destilliert das Leuchtöl, welches im Handel auch als gereinigtes oder raffiniertes Petroleum, Paraffinöl, Kerosen, Photonaphthil vorkommt. Es ist wasserhell oder schwach gelblich, fluoresziert schön blau, vom spez. Gew. 0,78-0,82, siedet bei etwa 150° und brennt nur mit Hilfe eines Dochtes unter Entwickelung von intensivem Licht und viel Wärme. 1 kg E. verdampft 18 Lit. Wasser. Es mischt sich mit Schwefelkohlenstoff, Äther, Terpentinöl, nicht mit Alkohol, löst Fette und Harze etc. viel schwerer als die Essenzen, bringt Kautschuk zum Quellen und löst es beim Erwärmen. Brennöle von dem angegebenen spezifischen Gewicht (am besten 0,815 bei Zimmertemperatur), wenn sie durch eine sorgfältig geleitete fraktionierte Destillation erhalten wurden, sind durchaus ungefährlich; besonders gilt dies von den durch weitere Reinigung erhaltenen farblosen und schwach riechenden Produkten, die als Kaiseröl, Paraffinöl, Kerosen, Pittöl in den Handel kommen. Es sind indes auch Mischungen von schweren mit leichten Ölen in den Handel gekommen, welche zwar dasselbe spezifische Gewicht wie die guten Brennöle zeigen, beim Erwärmen dagegen sehr viel schneller als diese brennbare Gase entwickeln.

Prüfungsapparate.

Solche Mischungen entwickeln bei wenig erhöhter Temperatur brennbare Dämpfe, die, mit Luft gemischt, durch eine Flamme zur Explosion gebracht werden und daher höchst gefährlich sind. Sie werden von gewissenlosen Fabrikanten hergestellt, wenn die Marktverhältnisse für die schweren und leichten Öle ungünstig sind. Zur Prüfung der Brennöle genügt daher nicht die Ermittelung des spezifischen Gewichts, es ist vielmehr noch die Bestimmung der Entzündungstemperatur (fire-test) erforderlich. Zur Ermittelung derselben dienen Apparate von verschiedener Konstruktion.

Nach einer kaiserlichen Verordnung vom 24. Febr. 1882 ist in Deutschland das gewerbsmäßige Verkaufen und Feilhalten von Petroleum, welches unter einem Barometerstand von 760 mm schon bei einer Erwärmung auf weniger als 21° C. entflammbare Dämpfe entweichen läßt, nur in solchen Gefäßen gestattet, welche an in die Augen fallender Stelle auf rotem Grund in deutlichen Buchstaben die nicht verwischbare Inschrift "Feuergefährlich" tragen. Wird derartiges Petroleum gewerbsmäßig zur Abgabe in Mengen von weniger als 50 kg feilgehalten oder in solchen geringern Mengen verkauft, so muß die Inschrift in gleicher Weise noch die Worte: "Nur mit besondern Vorsichtsmaßregeln zu Brennzwecken verwendbar" enthalten. Die Untersuchung des Petroleums auf seine Entflammbarkeit hat mittels des Abelschen Petroleumprobers unter Beachtung der von dem Reichskanzler durch Bekanntmachung vom 20. April 1882 wegen Handhabung des Probens erlassenen nähern Vorschriften zu erfolgen. Wird die Untersuchung unter einem andern Barometerstand als 760 mm vorgenommen, so ist derjenige Wärmegrad maßgebend, welcher nach einer ebenfalls in der genannten Bekanntmachung des Reichskanzlers neben der eingehenden Beschreibung (auch Zeichnung) veröffentlichten Umrechnungstabelle unter dem jeweiligen Barometerstand dem in Frage kommenden Wärmegrad entspricht. Als Petroleum im Sinn der Verordnung gelten das Rohpetroleum und dessen Destillationsprodukte. Vgl. "Vorschriften, betreffend den Abelschen Petroleumprober", zusammengestellt von der kaiserlichen Normaleichungskommission (Berl. 1883).

Der schon seit 1880 auch in England gebräuchliche