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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Europa; Europäische Sprachen

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Europa (Mythologie) - Europäische Sprachen.

Reich den Anfang einer Kolonialpolitik gemacht, indem es Küstengebiete in Afrika und der Südsee (Neuguinea und Bismarck-Archipel) unter seinen Schutz gestellt hat. Die Kolonisationsgebiete der lateinischen Völker betragen gegenwärtig an Ausdehnung nur etwa den 6., an Bevölkerung kaum den 12. Teil der germanischen. Die slawischen Kolonisationen stehen an Ausdehnung den germanischen nahe, in Hinsicht der Bevölkerung machen sie aber kaum den 16. Teil derselben aus; dabei sind sie mit dem Mutterland in so unmittelbarer räumlicher Verbindung, daß sie nur zum geringern Teil den Charakter des Kolonisationsbesitzes an sich tragen und weniger durch die organische Kraft des Volkslebens von innen heraus als vielmehr durch mechanischen Ansatz von außen dem Staatskörper nach O. hin angewachsen sind. Mit Einschluß der Türkei, deren Kern allerdings eher in Asien zu suchen ist, gehorchen außerhalb Europas 314 Mill. Menschen auf 47,700,000 qkm (866,400 QM.) in bald größerer, bald geringerer Abhängigkeit europäischen Gesetzen, so daß das europäische Staatensystem ca. 57,6 Mill. qkm (1,046,600 QM.) mit 645 Mill. Menschen, also über zwei Fünftel alles Landes der Erde und über drei Siebentel aller Erdbewohner, umfaßt.

Litteratur.

Vgl. außer den betreffenden Teilen in den geographischen Handbüchern von Stein-Hörschelmann, Klöden, Daniel, Roon etc.: Hoffmann, E. und seine Bewohner (Stuttg. 1835-40, 8 Bde.); K. Ritter, E., Vorlesungen (hrsg. von Daniel, Berl. 1863); Rudler und Ramsay, Europe (Lond. 1885); "Länderkunde von E." (hrsg. von Kirchhoff, Prag u. Leipz. 1885 ff.); Schubert, Handbuch der allgemeinen Staatskunde von E., Bd. 1-4 (Königsb. 1835-48); v. Reden, Vergleichende Kulturstatistik der Gebiets- und Bevölkerungsverhältnisse der Großstaaten Europas (Berl. 1848); Brachelli, Die Staaten Europas (4. Aufl., Brünn 1883; statistisch); Block, Die Machtverhältnisse der europäischen Staaten (Gotha 1862); Strelbitsky, Superficie de l'Europe (Petersb. 1882); Behm und Wagner, Die Bevölkerung der Erde (Gotha 1873-1882); Mendelssohn, Das germanische E.; zur geschichtlichen Erdkunde (Berl. 1836); Virchow, Die Urbevölkerung Europas (das. 1874); Kohl, Die Völker Europas (2. Aufl., Hamb. 1872); Derselbe, Die geographische Lage der Hauptstädte Europas (Leipz. 1874); Freeman, Historical geography of Europe (Lond. 1881); Geikie, Prehistoric Europe, a geological sketch (das. 1880).

Die wertvollsten Karten von E., teils einzeln, teils in Atlanten, sind von Berghaus, Kiepert, Reymann und Ösfeld (Mitteleuropa, in 331 Blättern, Glogau 1838-69), Liebenow (Mitteleuropa, in 164 Blättern, Hannov. 1869-71), Stieler, Ravenstein, Stülpnagel, Petermann (in 4 Blättern, Gotha 1867), Jiljin (Karte von Westeuropa, 1:1,500,000), die Generalkarte von Zentraleuropa (1:300,000, 207 Blätter, 1870-81, aus dem militärgeographischen Institut in Wien), Papen ("Höhenschichtenkarte von Zentraleuropa", 7 Blätter, Frankf. 1857-59), Steinhauser ("Hypsometrische Karte von Mittel- und Südeuropa", Wien 1857), Dumont ("Carte géologique de l'Europe", 1:4,000,000, Paris u. Lüttich 1875). Von historischen Kartenwerken sind hervorzuheben: Spruners "Historischer Handatlas für die Geschichte des Mittelalters und der neuern Zeit", neue Bearbeitung von Menke, 90 Blätter (Gotha 1870 ff.), Wolfs "Historischer Atlas" (Berl. 1877), G. Druysens "Historischer Handatlas" (Leipz. 1885). Vgl. v. Sydow, Übersicht der wichtigsten Karten Europas (Berl. 1864).

Europa, in der griech. Mythologie Tochter des Phönix und der Perimede, nach späterer Sage des phönikischen Königs Agenor und der Telephassa, die Geliebte des Zeus. Derselbe hatte die Jungfrau mit ihren Gespielinnen am Meeresstrand erblickt und sich in Gestalt eines schönen Stiers genaht, der sie auf seinem Rücken übers Meer nach Kreta entführte. Dort angelangt, stand der Gott plötzlich als schöner Jüngling vor ihr und führte die Jungfrau zur diktäischen Höhle, wo er einst selbst aus Rheas Schoß hervorgegangen war. Nach einer andern Sage geschah die Landung bei der Mündung des Flusses Lethäos, wo die Eingebornen noch lange die Platane, unter deren Schatten der Gott die Jungfrau umarmte, zeigten. E. gebar darauf die Heroen Minos, Rhadamanthys und Sarpedon. Sie vermählte sich in Kreta später mit dem König Asterion oder Asterios, der die Söhne der E. erzog und ihnen die Herrschaft über die Insel hinterließ. E. genoß auf Kreta unter dem Namen Hellotis göttliche Ehre und hatte daselbst das Fest der Hellotia, wobei ihre Gebeine, mit Myrten bekränzt, umhergetragen wurden. Die einen haben den Mythus auf die vom Himmelskönig Zeus in Gestalt des Sonnenstiers vom Aufgang nach dem Untergang getragene Mondgöttin gedeutet; andre sehen in E. eine Sondergestalt der Erdgöttin. Die Entführung der E. wurde von der antiken Kunst vielfach dargestellt; ein berühmtes Gemälde von Antiphilos befand sich später in Rom. Vgl. Höck, Kreta, Bd. 1, S. 83 ff. (Götting. 1823); Jahn, Die Entführung der E. auf antiken Kunstwerken (Wien 1870).

Europäische Sprachen. Die lebenden Sprachen Europas gehören meistenteils dem indogermanischen oder indo-europäischen Sprachstamm an, der überhaupt vermöge der überlegenen Zivilisation der indogermanischen Völker gegenwärtig weitaus der verbreitetste Sprachstamm der Erde ist. Ursprünglich wohl in Hochasien heimisch, haben die Indogermanen schon in früher vorgeschichtlicher Zeit ihre thatkräftigsten Stämme nach Europa entsendet und die einheimischen Völker und Sprachen Europas bis auf wenige Reste, wie sie in den Sprachen der Basken und Finnen und der ausgestorbenen Etrusker vorliegen, absorbiert. Die indogermanischen Sprachen Europas zerfallen, von dem nur vereinzelt auftretenden Zigeunerisch und Armenisch abgesehen, in fünf oder sechs Familien. Im Südosten beginnend, finden wir zuerst die außer im Königreich Griechenland auch in der Türkei stark verbreitete griechische Familie, d. h. die neugriechische Schriftsprache (Romaisch), die dem Altgriechischen sehr ähnlich geblieben ist, nebst zahlreichen sehr selbständig entwickelten Mundarten; einige jetzt freilich dem Aussterben nahe griechische Dialekte haben sich auch in Unteritalien behauptet. Die wahrscheinlich von dem alten Illyrisch abstammende Sprache der kriegerischen Albanesen ist nach einigen ein selbständiger Sprachzweig, nach andern eine alte Abzweigung der griechischen Familie. Aus dem Latein, in der ältesten historischen Epoche nur einer der drei Hauptsprachen Mittel- und Unteritaliens (Umbrisch, Oskisch und Lateinisch), entstanden nach dem Verfall des römischen Reichs die sechs romanischen Sprachen: Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Französisch, Walachisch (Rumänisch) und Rätoromanisch oder Churwelsch (Rumonsch, Ladin), der romanische Dialekt Graubündens, dessen Verzweigungen sich nach den neuesten Forschungen auch über Tirol hin bis nach Istrien und Görz ausdehnen. Als eine siebente romanische Sprache kann man das Provençalische in Südfrankreich an-^[folgende Seite]