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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Evangelium, ewiges; Evans

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Evangelium, ewiges - Evans.

Matthäus-Evangelium schon war, während umgekehrt das letztere, anerkanntermaßen judenchristlichen Geist atmende Werk von seiten der Ebioniten (s. Nazarener) eine Umarbeitung erfahren hat, in welcher sein ursprünglicher Charakter gleichfalls potenziert erschien. Dies das sogen. Hebräer-Evangelium. Ähnlich verhält es sich mit den meisten derjenigen alten Werke, welche seit 170 von unserm neutestamentlichen Kanon ausgeschlossen wurden, und von denen uns auch heute nur noch Bruchstücke zu Gebote stehen. Aber auch in unsern sogen. kanonischen Evangelien waltet das religiöse Interesse vor und werden die gewichtigsten geschichtlichen Fragen oft nur gelegentlich und obenhin berührt, während ein dogmatischer Zweck in mehr oder weniger erkennbarer Weise alle diese Darstellungen beeinflußt. Nur darum konnten mithin die apokryphischen Evangelien mit der Zeit ausgeschlossen werden, weil ihr Parteizweck über den Spielraum, welchen der christliche Gedanke in der werdenden Kirche offen zu lassen schien, hinausging.

Doch besteht auch in dieser Beziehung wieder ein sehr erkennbarer Unterschied zwischen dem vierten E., welches seinen Weg für sich geht und ein ganz eigenartiges Gepräge aufweist, und den drei ersten, welche eine gemeinsame Betrachtungsweise verlangen und schon schriftstellerisch die Voraussetzung für jenes bilden. Man nennt diese drei um der Möglichkeit einer Zusammenschau ihrer einzelnen Abschnitte willen Synoptiker. Unter ihnen ist Lukas (s. d.) ohne Frage der jüngste, wie er auch selbst "viele" Vorgänger kennt (1, 1), während die Kritiker sich über den geschichtlichen Vorgang des Matthäus (s. d.) vor Markus oder des Markus (s. d.) vor Matthäus heute noch streiten. Fest steht immerhin, daß bei ihnen das geschichtliche Bild des Menschen Jesus noch den Grund bildet, worauf das eigentümliche Kolorit der Darstellung aufgetragen ist, während das sogen. E. des Johannes (s. d.) seine ideale Konstruktion vielmehr auf der alexandrinischen Lehre vom Logos auferbaut, die es auf den geschichtlichen Christus anwendet. Es gehört wahrscheinlich dem 2. Jahrh. an, während die Synoptiker nach der Zerstörung Jerusalems geschrieben und Quellen benutzt haben, die zum Teil noch älter sind als diese Katastrophe. Den auf den Überschriften genannten Verfassern hat übrigens die alte Kirche, von der jene Titel herrühren, selbst kaum direkt die betreffenden Werke beilegen wollen, da die griechische Formel nicht, wie die deutsche z. B., "E. des Matthäus" lautet, sondern "E. nach Matthäus", wie z. B. auch jenes im Sinn und Geist der Judenchristen gearbeitete E. den Titel führte: "E. nach den Hebräern", auch wohl, weil es im Gegensatz zu Paulus stand, "E. nach den zwölf Aposteln". S. Evangelist und Jesus Christus.

Evangelium, ewiges (lat. Evangelium aeternum) nannte man nach Offenb. 14, 6 die Schriften des Abtes Joachim von Floris (Fiore) in Kalabrien (gestorben um 1201), welcher nicht selbst Prophet sein, wohl aber die Gabe besitzen wollte, die biblischen Weissagungen zu deuten, und später als nationaler Prophet Italiens galt. Seiner drei Schriften ("Concordantia Veteris et Novi Testamenti", "Psalterium decem chordarum", "Expositio in Apocalypsin") bemächtigte sich der apokalyptische Fanatismus der gegen Rom immer feindlicher auftretenden spiritualistischen Franziskaner, und um 1254 schrieb der Minorit Gherardino von Borgo San Donnino eine Einleitung ("Liber introductorius") zu den unter dem Namen "e. E." zusammengestellten Büchern des Joachim, worin das Papsttum geradezu als ungeistliche Macht, ja sogar das apostolische Christentum selbst als eine unvollkommene Stufe der Entwickelung erscheint. Die Schrift wurde auf päpstlichen Befehl konfisziert, der Verfasser büßte mit 18jähriger Kerkerhaft. Vgl. Döllinger im "Historischen Taschenbuch" 1871; Renan in der "Revue des Deux Mondes" 1866; Schneider, Joachim von Floris und die Apokalyptiker des Mittelalters (Dillingen 1873). Neuerdings hat Preger ("Das Evangelium aeternum und Joachim von Floris", Münch. 1874) Zweifel gegen die Echtheit selbst jener drei Grundschriften des sogen. Joachimismus erhoben, wogegen Reuter ("Geschichte der Aufklärung im Mittelalter", Bd. 2, Berl. 1877) die Echtheit der drei Grundschriften verteidigt.

Evans (spr. éwens), 1) Oliver, Mechaniker, geb. 1755 zu Newport in Delaware, kam bei einem Wagner in die Lehre und konstruierte nach kaum überstandener Lehrzeit eine Spinnmaschine und eine Mühleneinrichtung. Auch entwarf er eine Hochdruckmaschine ohne Kondensation, die er zur Fortbewegung von Wagen empfahl, und von der er 1787 und 1794 Zeichnungen nach England sandte. Mit seinen Brüdern verbunden, verbesserte er die Details der Mahlmühlen, und 1786 suchte er die Patentierung einer Dampfmühle und eines Dampfwagens nach, die mit hohem Dampfdruck betrieben werden sollten. 1800 begann er den Bau derartiger Einrichtungen, und 1804 baute er einen Dampfbagger, der durch ein von der Dampfmaschine bewegtes Schaufelrad getrieben wurde. Dieselbe Dampfmaschine hatte vorher als Lokomotive den Bagger von der Fabrik ans Wasser befördert. E. nimmt neben Watt eine sehr hervorragende Stellung in der Geschichte der Dampfmaschine ein, aber er wurde nicht in gleichem Maß durch die Verhältnisse gefördert, und epochemachende Ideen, wie die Benutzung der Dampfmaschine zum Fortbewegen von Schiffen und Lastwagen, konnte er nicht zur Ausführung bringen, weil kein Kapitalist ihn unterstützte. Für die Müllerei konstruierte er den Elevator, den Conveyer, den Mehlkühler, den Aufschütter etc. Er starb 19. April 1819 in Pittsburg. E. schrieb: "The young millwright's and miller's guide" (New York 1795, 4. Aufl. 1821; nach der 5. Aufl. franz. von Bénoit, Par. 1830); "Guide for the mechanical engineers etc." (1805; franz. von Doolittle, das. 1822).

2) Sir de Lacy, brit. General, geb. 1787 zu Moira in Irland, auf der Kriegsschule zu High-Wycombe gebildet, begann seine militärische Laufbahn 1807 in Indien, nahm seit 1810 an den Feldzügen Wellingtons in Spanien teil, machte 1814 den nordamerikanischen Feldzug mit und zeichnete sich 1815, zum Oberstleutnant befördert, in den Schlachten von Quatrebras und Waterloo aus. In der nachfolgenden Friedenszeit betrat er auf seiten der radikalen Partei die politische Laufbahn und wurde 1831 für Rye, 1833 für Westminster ins Parlament gewählt. Im J. 1835 zum Kommandanten der von England der Königin Christine von Spanien zu Hilfe gesandten Legion ernannt, stieg er bald zum spanischen Generalleutnant, kämpfte mit wechselnden Glück in zahlreichen Gefechten und schloß im Juni 1837 den Feldzug mit Erstürmung der wacker verteidigten Stadt Irun. Hierauf nach England zurückgekehrt, ward er zum Obersten ernannt und von Westminster aufs neue ins Unterhaus gewählt, wo er sich mehr auf die Seite des Whigministeriums neigte. Dem Ministerium Derby trat er mit großer Energie entgegen, die von ihm 23. April 1852 als Mißtrauensvotum gegen die Regierung beantragte Verwerfung der Milizbill ward jedoch abgelehnt. 1846 zum Generalmajor und 1854 zum Generalleutnant