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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Exkremente

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Exkremente (chemische Zusammensetzung, Verwertung, Abfuhr).

gelegenen Schließmuskels (Sphincter ani) wird nämlich der Darmkanal geschlossen und sein Inhalt zurückgehalten, bis infolge häufigern Andrängens der E. gegen diesen Schließmuskel ein Reiz zur Defäkation erfolgt. Dieser Muskel erschlafft infolgedessen, der Mastdarm gerät in kräftige peristaltische Bewegung, und unter mehr oder weniger starker Mitwirkung der Bauchpresse erfolgt das Absetzen der E.

Zusammensetzung der Exkremente.

1000 Teile enthalten Mensch Pferd Rind Schaf Schwein

Wasser 753,0 772,5 824,5 564,7 771,3

Feste Stoffe 247,0 227,5 175,5 453,3 228,7

Salze 12,0 30,4 26,7 58,7 85,0

Aschenanalysen der E. lieferten folgende Werte:

100 Teile Asche enthalten Mensch Pferd Rind Schaf Schwein

Chlornatrium 0,58 0,03 0,23 0,14 0,89

Kali 18,49 11,30 2,91 8,23 3,60

Natron 0,75 1,98 0,98 3,28 3,44

Kalk 21,36 4,63 5,71 18,15 2,03

Magnesia 10,67 3,84 11,47 5,45 2,24

Eisenoxyd 2,09 1,44 5,22 2,10 5,57

Phosphorsäure 30,98 10,22 8,47 9,40 5,39

Schwefelsäure 1,13 1,83 1,77 2,69 0,40

Kohlensäure 1,05 - - - 0,60

Kieselerde 1,44 62,40 62,54 50,11 13,19

Sand 7,89 - - - 61,37

Die frischen E. unterliegen sehr schnell einer Zersetzung, indem Fäulnis- und Verwesungsprozesse je nach den obwaltenden Verhältnissen eintreten. Dabei findet besonders eine erhebliche Verminderung des Stickstoffgehalts statt, welche sich auch schon durch die starke Entwickelung von Ammoniak zu erkennen gibt. Außerdem entweichen Kohlensäure und Schwefelwasserstoff; die organische Substanz wird oxydiert, und es vermehrt sich also der relative Gehalt an mineralischen Bestandteilen. Diese Prozesse vermindern den Wert der E. als Dünger, und der Landwirt hat deshalb auf die Behandlung des Mistes (s. d.) besondere Sorgfalt zu verwenden. Bei den menschlichen Exkrementen kommt namentlich in den Städten in Betracht, daß die faulenden Massen durch die exhalierten Gase die Luft verderben, daß aus Gruben mit Fäulnisprodukten beladene Flüssigkeit in das umgebende Erdreich sickert und letzteres wie auch das Brunnenwasser verunreinigt, und daß endlich die sich zersetzenden E. den Boden für eine üppige Entwickelung von Ansteckungsstoffen abgeben können.

Die menschlichen E. betragen im Jahr etwa 0,513 cbm, wovon 0,43 cbm auf den Harn und 0,083 cbm auf den Kot kommen. Das Gewicht eines Kubikmeters gemischter E. beträgt 958,8 kg. Grubeninhalt von durchschnittlicher Beschaffenheit enthält etwa

^[Liste]

Wasser 95,99 96,19

Trockensubstanz 4,01 3,81

Organische Substanz 2,28 3,03

Unorgan. Substanz 1,73 0,78

Kali 0,14 0,19

Phosphorsäure 0,19 0,60

Stickstoff 0,41 0,35

Verwertung der Exkremente.

Die zweckmäßige Verwertung der menschlichen E. ist von höchster Wichtigkeit, da die E. Pflanzennahrungsstoffe enthalten, welche dem Boden entzogen werden und durch teure Dungstoffe zu ersetzen sind, von denen Deutschland allein jährlich für viele Millionen Mark einführt, während die E., deren Wert auf mehr als 400 Mill. Mk. veranschlagt werden muß, zum großen Teil unbenutzt bleiben. Die Schwierigkeiten, welche hier zu überwinden sind, beruhen auf der Verschiedenheit der Interessen der Land- und Stadtwirtschaft. Die Städte streben in erster Linie danach, die E. möglichst schnell und billig los zu werden, um allen Nachteilen für die öffentliche Gesundheit, welche aus der Vernachlässigung der E. entstehen, zu entgehen. Die Landwirtschaft dagegen ist wenig geneigt, die städtischen Abfallstoffe ohne jegliche Garantie für den Gehalt derselben und in ungeeigneter Form zu kaufen und zu verwenden. In kleinen Städten lassen sich nun recht wohl Einrichtungen treffen, durch welche der Landwirtschaft die E. mit Vorteil zugänglich gemacht werden können; in großen Städten aber erwachsen ganz erhebliche Schwierigkeiten aus der Mannhaftigkeit der zu bewältigenden Stoffe, und bis jetzt fehlt noch viel an einer Verständigung über das zweckmäßigste System.

Die älteste Art der Ansammlung der E. in den Städten ist die der Versitzgruben (Schling- oder Schwindgruben) ohne Mauerwerk, in welchen die E. monate-, selbst jahrelang lagern, sich zersetzen und stinkende Gase entwickeln, die oft in die Wohnungen gelangen. Aus den Gruben dringen lösliche oder durch die Fäulnis löslich gewordene Bestandteile der E. in das benachbarte Erdreich, verunreinigen die Brunnen und entwickeln bei weiterer Zersetzung im Boden Gase, welche an die Oberfläche entweichen und zum Teil ebenfalls in die Häuser dringen. Die ausgemauerten Gruben sind nur wenig besser, da sie auch bei sorgfältigster Herstellung mit Zement oder Asphalt bald undicht werden und dann ebenfalls eine Verunreinigung des Untergrundes herbeiführen, im übrigen aber alle Mängel der Versitzgruben teilen. Eine Auskleidung der Gruben mit Eisenblech wird bald durch Rost zerstört. In Antwerpen isoliert man die gemauerte Grube durch eine Luftschicht von dem umgebenden Erdreich. Bei den Versitzgruben rechnete man auf die allmähliche Absorption der E. durch den Boden, und wenn derselbe endlich durch die Infiltrationen undurchlässig geworden war, verschloß man die alte Grube und legte neben derselben eine neue an. Die gemauerten Gruben werden dagegen regelmäßig entleert (Abfuhrsystem). Dies geschah ursprünglich durch Ausschöpfen, viel zweckmäßiger sind aber Pumpen, welche den breiigen Inhalt durch Gummischläuche aufsaugen und in Fässer drücken. Die aus letztern entweichende, mit übelriechenden Gasen beladene Luft läßt man durch ein Becken mit glühenden Kohlen strömen, welche alle riechenden Stoffe verbrennen. Man benutzt auch nach Le Sage eiserne Kessel, welche durch Einleiten von Wasserdampf aus einem Dampfkessel luftleer gemacht, dann vor das Haus gefahren und durch einen Schlauch mit dem Grubeninhalt in Verbindung gebracht werden. Sobald man nun einen Hahn an dem Kessel öffnet, treibt der Luftdruck den Grubeninhalt ohne jegliche Belästigung der Bewohner in den Kessel (pneumatische Grubenentleerung).

Einen Fortschritt gegen das Grubensystem bezeichnet das Tonnensystem. Die offenen Tonnen, Kisten oder Kübel, welche ohne jede andre Vorkehrung zur Aufnahme der E. in den Aborten aufgestellt und nach der Füllung entleert werden, sind freilich verwerflich; dagegen hat das Tonnensystem durch Mittermaier in Heidelberg eine Gestalt erhalten, in der es ganz vortreffliche Dienste leistet. Der unter dem Sitz befindliche Trichter geht in einen Siphon (schwanenhalsartig gebogenes Rohr) über, welcher sich stets mit Exkrementen oder Wasser gefüllt erhält und dadurch das Aufsteigen von Gasen aus der Tonne verhindert. Das Abfallrohr (aus Holz, Eisen oder Schamotte) mündet frei in die Tonne oder ist mehr oder minder