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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Fechtkunst

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Fechtkunst (Geschichtliches).

sondern nur schräge, sogen. Zwischenhiebe, steile und tiefe Terz, hohe und tiefe Quart. Der zu Pferd sitzende Kavallerist wendet gegen bajonettierende Infanteristen den Eskadronhieb an, der aus mehreren aufeinander folgenden Zirkelhieben besteht.

Das Fechten mit der Lanze ist ein Stoßfechten. Die gefällte Lanze liegt mit ihrem untern Ende in der Achselhöhle und wird mit der rechten Hand wagerecht gehalten. Dies ist die Auslage der Lanze, in welche dieselbe sowohl nach dem Stoß als nach der Parade zurückgeführt wird. Zum Stoß, der nach allen Seiten geschehen kann, wird sie erst etwas zurückgezogen und dann kräftig vorgeschnellt, während die Paraden nur in kurzen Schlägen mit der Lanze nach der Waffe des Angreifers bestehen.

[Geschichte.] Die F. ist uralt; schon bei den Griechen und Römern fand man Fechtmeister (armaturae doctores). Bekannt sind die Fechterschulen in den spätern Zeiten der römischen Republik und des Kaiserreichs, in welchen Sklaven in der F. unterrichtet und zu den öffentlichen Fechterspielen abgerichtet wurden. Wie gründlich die F. im römischen Heer betrieben wurde, berichtet Vegetius. Weitere Ausbildung erfuhr die F. durch das Ritter- und Turnierwesen des Mittelalters, welche mit dem Waffenrecht auch bei den Bürgern der größern Städte Eingang fanden. Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrh. vollzog sich unter dem Druck der großen Fortschritte im Feuerwaffenwesen ziemlich schnell der Übergang von der mittelalterlichen zur neuern Fechtweise. Wie sich aber seit Beginn des 12. Jahrh. alles in Zünfte, Gilden oder Innungen vereinigte, so finden sich schon frühzeitig dem Bürgerstand angehörige privilegierte Fechtergesellschaften. Die älteste derselben war in der Reichsstadt Frankfurt a. M. unter dem Namen der Brüderschaft von St. Markus vom Löwenberg unter einem Hauptmann und vier Meistern zusammengetreten. Sie erhielt vom Kaiser Friedrich III. am 10. Aug. 1487 zu Nürnberg den ersten Privilegiumsbrief für das Deutsche Reich, der zuletzt von Rudolf II. zu Prag 10. Juli 1579 erneuert wurde. Wenn ihnen gegenüber einer als Fechter auftreten wollte, so hieben diese "Marxbrüder" ihn alsbald so zusammen, daß er sich ihnen entweder in die Schule gab, oder ganz vom Fechten abstand. Dadurch kam die Frankfurter Fechtschule sehr in Ruf, so daß auch, wer der Waffen kundig war und in Deutschland eine Fechterschule halten wollte, in der Herbstmesse nach Frankfurt zu ziehen pflegte. Dort ward er von den Meistern des Schwertes probiert, d. h. der Hauptmann und die vier Meister fochten öffentlich vor den Augen der Bürger mit ihm. Bestand er bei der Probe, so ward er mit dem großen Prunkschwert kreuzweise über die Lenden geschlagen, wofür er 2 Goldgulden für die Brüderschaft aufs Schwert legte, und empfing dann die "Heimlichkeit", die in allerlei Kunstgriffen bei der Führung des Schwertes bestand. Nun durfte er das Wappen der Marxbrüder, einen Löwen, führen und in ganz Deutschland das Fechten lehren. Nach ihrem Muster bildeten sich auch andre Fechtervereine, so der der Veitsbrüder in Prag, denen Kaiser Rudolf II. 7. März 1607 den Privilegiumsbrief verlieh; sie führten in ihrem Wappen eine Schreibfeder und auf dem Helm darüber einen geflügelten Greif, daher ihre Obern "Meister des langen Schwertes über die Gesellschaft der Freifechter von der Feder" hießen, und hatten St. Veit zum Schutzpatron. Aus ihrem Wappen leitete sich ihr volkstümlicher Name der "Federfechter" ab. Ihr Hauptmann nebst Lade und Urkunden waren in Prag, der Oberhauptmann beider Gesellschaften als ihr Vertreter und Anwalt aber beständig im kaiserlichen Hoflager. Beide Gesellschaften hatten gleichen Fechtbrauch und gleiche Fecht- und Ringgesetze. Über eine dritte Partei, die sogen. Luxbrüder, mangeln bestimmte Nachrichten; doch sollen von ihnen die sogen. Klopffechter abstammen, die auf den Jahrmärkten umherzogen und sich mit ihren Fechterkünsten für Geld sehen ließen. Wie aus dem Fechtbuch des Straßburger Freifechters J. ^[Joachim] Meyer vom Jahr 1570 hervorgeht, war das "Rapierfechten" erst neuerlich in Aufnahme gekommen; Fechtwaffen waren noch das Schwert, der Dolch, Spieß, die Hellebarde und der Dusack, eine griff- und stichblattlose, schwertartige Waffe, die mit langem Eisenhandschuh gehandhabt wurde. Anfang des 16. Jahrh. verbreitete sich von Toledo aus der leichte "spanische Degen", zunächst nach Italien, wo er sich auf den Universitäten einbürgerte, von hier im Lauf eines Jahrhunderts durch die dort studierenden jungen Leute vom Adel überall in Deutschland und Frankreich bekannt und bald die bevorzugte Waffe der Fechter wurde. Mit der Verbreitung der Feuerwaffe kamen die Fechtergesellschaften der Bürger und Handwerker in Verfall, und an ihre Stelle traten die Schützenkompanien. Dagegen erhielt sich das Fechten als Bestandteil einer ritterlichen oder adligen Erziehung an den Kadetten- und Militärschulen und auf den deutschen Universitäten, wo man das Recht in Anspruch nahm, den Degen als Zeichen des Adels zu tragen. Der Degen, den man damals und später auf Universitäten trug, war der sogen. Renkontredegen, zum Hieb und Stoß gleich brauchbar, obgleich er vorzugsweise zum Stoßen gebraucht wurde. Privilegierte Fechtschulen für die deutschen Universitäten, auf denen die F. forthin am meisten blühte, entstanden erst im 17. Jahrh., als Wilhelm Kreußler aus Nassau, der 1618 in Frankfurt Marxbruder geworden war, in Jena privilegierter Fechtmeister ward. Er ist der eigentliche Gründer des deutschen Stoßfechtens, welche Kunst sich von Jena aus auf die andern deutschen Universitäten und bis ins Ausland verbreitete. Weiter ausgebildet wurde sie namentlich von dessen Schülern und den Gebrüdern Roux (s. unten). Dieser theoretischen Fortbildung des Stoßfechtens ungeachtet ist dasselbe doch in Rücksicht auf seine Gefährlichkeit praktisch auf den meisten deutschen Universitäten, seit 1843 auch in Jena und Erlangen, abgekommen und dafür das Hiebfechten ausschließlich eingeführt worden. Dagegen werden in Frankreich noch heute alle Duelle mit blanker Waffe (sogar bei Streitigkeiten unter den Unteroffizieren) mit dem Stoßdegen ausgefochten.

Vgl. J. A. K. Roux: Anweisung in der deutschen F. auf Stoß und Hieb (Jena 1798), Anweisung zum Hiebfechten (Fürth 1803), Die deutsche F. (Stoßfechten; 2. Aufl., Leipz. 1817); Joh. Wilh. Roux, Anleitung zur F. nach mathematisch-physikalischen Grundsätzen (Jena 1808); F. A. W. L. Roux (Sohn des vorigen): Anweisung zum Hiebfechten (2. Aufl., das. 1849), Die Kreußlersche Stoßfechtschule (das. 1849), Deutsches Paukbuch (2. Aufl., das. 1867); Ludw. Cäsar Roux (Sohn des vorigen), Die Hiebfechtkunst (das. 1885); Riemann, Anweisung zum Stoßfechten (Leipz. 1834); Segers, Das Hiebfechten (2. Aufl., Bonn 1837); Rothstein, Das Stoß- und Hiebfechten (Berl. 1863); Lübeck, Lehr- und Handbuch der deutschen F. (das. 1869); Hergsell, Die F. (Wien 1881); Lion, Das Stoßfechten (Hof 1882); Montag, Neue praktische Fechtschule (2. Aufl., Berl. 1884); Weiland, Handbuch der F. (Wiesb. 1885); F. Schultze, Die F. mit dem Haurapier (Heidelb. 1885).