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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Fernrohr

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Fernrohr (Prüfung der Vergrößerung etc.; Geschichtliches).

keit und Lichtstärke die gewöhnlichen Achromate bedeutend.

Auch das Okular des astronomischen Fernrohrs ist in Wirklichkeit nicht so einfach, wie oben angenommen wurde, sondern besteht aus zwei in gewissem Abstand hintereinander in eine Röhre gefaßten Linsen. Beim Campanischen Okular (s. Mikroskop) sind dieselben so disponiert, daß das reelle Bild zwischen ihnen entsteht; das Ramsdensche Okular dagegen ist im wesentlichen eine aus zwei Linsen zusammengesetzte Lupe, mit welcher das vom Objektiv entworfene reelle Bild betrachtet wird; während bei jenem das Fadenkreuz zwischen die beiden Okularlinsen zu stehen kommt, muß es bei diesem außerhalb gegen das Objektiv hin angebracht werden.

Unter Vergrößerung eines Fernrohrs versteht man die Zahl, welche angibt, unter wievielmal größerm Sehwinkel ein Gegenstand durch das F. als mit bloßem Auge gesehen wird. Der Sehwinkel beim Sehen mit bloßem Auge aber ist gleich dem Winkel AcB (Fig. 1), unter welchem der Gegenstand AB vom Mittelpunkt c des Objektivs aus gesehen würde, oder gleich dem Winkel acb, unter welchem sein reelles Bild von demselben Punkt aus erscheint; der Sehwinkel dagegen, unter welchem man den Gegenstand durch das F. erblickt, ist amb; dieser aber ist sovielmal größer als jener, als die Entfernung des Punktes c vom Bild ab diejenige des Punktes m von demselben übertrifft. Da aber jene Entfernung der Brennweite des Objektivs, diese ungefähr der Brennweite des Okulars gleichkommt, so findet man die Vergrößerung, wenn man die Brennweite des Objektivs durch die Brennweite des Okulars dividiert. Experimentell findet man die Vergrößerung eines Fernrohrs, indem man einen in einiger Entfernung aufgestellten Maßstab mit dem einen Auge direkt, mit dem andern Auge durch das F. betrachtet; man sieht alsdann unmittelbar, wieviel Abteilungen des mit bloßem Auge gesehenen Maßstabes auf eine durch das F. vergrößert gesehene Abteilung gehen. Zur genauern Messung der Vergrößerung dienen das Auxometer, Ramsdens optisches Dynamometer und Rochons Mikrometer.

Das Gesichtsfeld eines astronomischen Fernrohrs ist begrenzt durch den Mantel des Kegels, dessen Spitze die Mitte des Objektivs und dessen Basis das Okular ist. Das Gesichtsfeld des Galileischen Fernrohrs wird durch die Mantelfläche des Kegels begrenzt, dessen Basis die Pupille des Auges und dessen Spitze die Mitte des Objektivs ist; es ist daher sehr klein. Großes Gesichtsfeld und bedeutende Lichtstärke lassen sich beim F. nur auf Kosten der Vergrößerung erzielen. Man beurteilt die Größe des Gesichtsfeldes nach der Zeit, welche ein bestimmter Stern braucht, um den Durchmesser desselben zu durchlaufen, oder man vergleicht das Feld mit dem scheinbaren Durchmesser der Sonne oder des Mondes. Die Deutlichkeit des Fernrohrs prüft man durch Beobachtung der Planetenränder, der Streifen des Saturn und des Jupiter, der Doppelsterne, entfernter Druckschriften etc. Die Bilder müssen scharf begrenzt und farblos hervortreten. Zur Prüfung der Lichtstärke sucht man im Dunkeln nach entfernten Gegenständen, welche mit bloßem Auge nicht mehr wahrgenommen werden. Bei mächtiger Lichtstärke des Fernrohrs erblickt man mit demselben Fixsterne, die dem bloßen Auge unsichtbar bleiben. Raumdurchdringende Kraft ist das Vermögen eines Teleskops, Himmelskörper aus Tiefen des Raums sichtbar zu machen, bis wohin der gewöhnliche Blick nicht dringt. Die raumdurchdringenden Kräfte zweier Fernrohre verhalten sich wie die Quadratwurzeln aus ihren Lichtstärken. Die Vergrößerung hat keinen Einfluß auf die raumdurchdringende Kraft, doch äußert ein Teleskop diese nur dann vollständig, wenn die Vergrößerung mindestens gleich dem Quotienten aus dem Durchmesser der freien Öffnung des Spiegels oder Objektivs und dem Durchmesser der Pupille ist. Setzt man die raumdurchdringende Kraft des Auges = 1, so betrug dieselbe bei Herschels 40füßigem Teleskop 191,69. Über die astronomischen Fernrohre vgl. auch Astronomische Instrumente.

[Geschichtliches.] Über die Erfindung des Fernrohrs herrscht noch einige Unsicherheit. Zwei Optiker, Zacharias Jansen und Hans Lippersheim, welche zu Anfang des 17. Jahrh. in Middelburg in Holland lebten, haben, wie ihre Nachkommen, lange um die Priorität gestritten, und erst neuere Forschungen haben für Lippersheim entschieden, der aber vielleicht nur den Anregungen des Mathematikers Adrian Metius gefolgt war. Jedenfalls legte Lippersheim 2. Okt. 1608 den Generalstaaten ein F. vor und lieferte bald darauf auch ein für die Benutzung beider Augen geeignetes Binokularfernrohr. Die Erfindung wurde sehr schnell in weitern Kreisen bekannt. Schon im April 1609 verkaufte man Fernrohre in Paris, und als im Mai Galilei in Padua von der Erfindung hörte, gelang es ihm alsbald, ein Instrument zu konstruieren, welches dasselbe leistete wie das holländische, und mit welchem er gleich in der ersten Nacht (7. Jan. 1610) drei Jupitermonde entdeckte. Der Erfinder des astronomischen Fernrohrs ist Kepler (1611), welcher zwar ein derartiges Instrument nicht selbst ausführte, aber die Konstruktion desselben in seiner "Dioptrik" veröffentlichte. Das erste derartige Instrument lieferte wahrscheinlich Scheiner um 1613, und 1645 erfand der Kapuziner de Rheita das terrestrische oder Erdfernrohr, welches statt eines einzigen Okularglases gewöhnlich deren vier enthält und die Gegenstände aufrecht zeigt. Die ersten größern Fernrohre konstruierte Huygens. Die Brennweiten seiner Objektive betrugen 12-34 Fuß, und die angewandten Vergrößerungen gingen bis etwa 100mal. Campani lieferte etwas später Fernrohre von 17 Fuß Länge mit 150maliger Vergrößerung, und Auzouts Objektiv mit einer Brennweite von 300 Fuß vergrößerte 600mal. Diese kolossalen Brennweiten bereiteten sehr große Schwierigkeiten, da es unmöglich war, so lange Rohre zu konstruieren und zu benutzen; überdies hinderte die Farbenzerstreuung die deutliche Beobachtung. Zucchius empfahl deshalb 1616 die Anwendung von Hohlspiegeln, und Newton konstruierte 1671 das erste Spiegelteleskop. Diese Instrumente wurden namentlich von Engländern (Gregory, Short, Ramage) zu großer Vollkommenheit gebracht, und Herschel, Rosse und Lassel konstruierten Teleskope von riesiger Größe. Rosses Instrument ist 16,61 m lang, hat 1,8 m Durchmesser, der Spiegel wiegt 3809, das Rohr 6604 kg, und die lineare Vergrößerung kann bis auf 6000 gesteigert werden, so daß der Mond in eine Distanz von 15 Meilen gebracht wird. Die Teleskope liefern sehr reine und scharfe Bilder, besitzen große Lichtstärke und zeigen keine Farbenzerstreuung. Dagegen sind sie unbehilflicher als Fernrohre, das Arbeiten geht beträchtlich langsamer von statten, sie erlauben keine Beobachtungen weit außerhalb des Meridians, sie sind zu den Fundamentalbestimmungen der Astronomie ganz unbrauchbar und haben wegen der Empfindlichkeit des Spiegels, der nur sehr schwer oder gar nicht ersetzt werden kann, nur geringe Dauer. Gegen die Mitte des 18. Jahrh. gab Euler die Mittel