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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Fernsprecher

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Fernsprecher (Stadt-Fernsprechanlagen).

gegen den Deckel D des Gehäuses festgeklemmt, während sie beim Schließen des Deckels in der Mitte durch eine mit Kautschuk überzogene Feder f gedämpft wird. Zur Erzielung einer sicher leitenden Verbindung zwischen dem Arm a und dem im Scharnier aufgehängten Kohlenkontakt ist an dem Arm einerseits und der Befestigungsschraube des Kohlenstückchens anderseits eine leichte Drahtspirale eingeklemmt. Die Wirkungsweise des Apparats ist dieselbe wie bei dem Mikrophon von Blake.

Durch seine Einfachheit und kräftige Wirkung zeichnet sich das Mikrophon von Ader in Paris vorteilhaft aus, welches nahezu identisch ist mit dem Hughesschen Mikrophon. Zwischen zwei querliegenden, mit entsprechenden Bohrungen versehenen Kohlenstücken sind 4-5 Kohlenstäbchen lose eingelagert; auch befinden sich in der Regel zwei derartige Systeme vereinigt an einer Resonanzplatte. Von großer Empfindlichkeit hat sich ferner das Mikrophon von de Locht-Labye in Lüttich, von dem Erfinder Pantelephon genannt, erwiesen. Dasselbe besteht der Hauptsache nach aus einer an einem Rahmen mit der obern Seite vertikal aufgehängten dünnen Platte aus Aluminium, dünnem Eisenblech, Stahlblech, Glimmer oder Korkholz etc. von etwa 15 cm Seitenlänge, an deren unterer, der Rahmenbefestigung gegenüber gelegener Seite eine kleine Kohlenplatte angenietet ist, welche mit einer Silber- oder Platinplatte in losem Kontakt steht. Durch Federbefestigungen und Stellschrauben kann die Einstellung des Kontakts leicht und sicher geschehen. Das Pantelephon spricht auf Schallwellen an, welche mehrere Hundert Meter von ihm entfernt entstehen, und vermag in einer Entfernung von 15 m von ihm gesprochene Worte nach mehreren Orten hin weiterzugeben.

Für den öffentlichen Verkehr wurde der F. zuerst durch Stephan nutzbar gemacht. Derselbe errichtete noch 1877 Fernsprechanstalten an solchen kleinern Orten, deren Hereinbeziehung in das Telegraphennetz bis dahin der Kosten wegen unterbleiben mußte. Diese Verwendung des Fernsprechers als Ersatz für die kostspieligen Telegraphenapparate hat sich außerordentlich bewährt. Gegenwärtig sind im Reichstelegraphengebiet gegen 3000 Postanstalten mit Fernsprechbetrieb ausgerüstet, zu denen sich noch seit 1883 einige Hundert Telegraphenhilfsstellen an solchen Orten gesellt haben, deren verhältnismäßig geringer Verkehr die Einrichtung von Postanstalten bisher nicht zuließ.

Während in Deutschland der F. in der erwähnten Weise zu einem wichtigen Verkehrsmittel sich herausbildete, begann man in Nordamerika 1878 denselben zur Vermittelung des Verkehrs zwischen den Bewohnern eines und desselben Ortes zu benutzen. Die Einrichtung dieser Fernsprech-Vermittelungsanstalten (telephone exchanges) besteht im wesentlichen darin, daß von einer Zentralstelle aus Leitungsdrähte nach den Wohnungen der Teilnehmer gezogen und hier mit Fernsprechapparaten in Verbindung gebracht werden, während auf der Zentralstelle, dem sogen. Vermittelungsamt, Vorrichtungen zur Aufstellung gelangen, welche die beliebige Verbindung der Leitungen untereinander gestatten. Auf diese Weise wird den Teilnehmern die Möglichkeit gewährt, sowohl mit jedem andern Teilnehmer sich unmittelbar mittels des Fernsprechers zu unterhalten, als auch dem Vermittelungsamt Nachrichten zur Weiterbeförderung zu übermitteln. Wie alle telegraphischen Einrichtungen in den Vereinigten Staaten, wurden auch diese Stadt-Fernsprechanlagen durch Privatgesellschaften hergestellt und betrieben.

Ähnliche Einrichtungen entstanden bald darauf auch in London und Paris; 1880 folgte die deutsche Reichs-Telegraphenverwaltung, welche 1881 in Berlin und bald darauf in Mülhausen (Elsaß), Frankfurt a. M. und Hamburg den Betrieb von Fernsprechanlagen eröffnete; im Januar 1885 waren bereits in 58 Städten des Reichspostgebiets allgemeine Fernsprechanlagen im Betrieb oder in der Ausführung begriffen. 7311 Personen nahmen an den Einrichtungen teil; die Gesamtlänge der Stadt-Fernsprechleitungen betrug 16,291 km. In Oberschlesien wurde 1883 ein Unternehmen vollendet, das sich für weite Kreise der dortigen Bevölkerung in hohem Grad nutzbringend erweist: die allgemeine Fernsprechanlage im oberschlesischen Hütten- und Industriebezirk, welche die Kreise Beuthen, Gleiwitz, Kattowitz, Tarnowitz und Zabrze mit einem Flächenraum von 1660 qkm umfaßt. In ähnlicher Weise sind im elsässischen Spinnereibezirk die Städte Mülhausen, Gebweiler und Thann zu einem Fernsprechnetz verbunden; ein neues Netz im rheinischen Samt-Industriebezirk ist zwischen den Städten Krefeld, Ürdingen, München-Gladbach, Viersen, Rheydt und Ödt eröffnet.

Zum Vergleich mögen einige neuere Angaben über die Ausdehnung der Stadt-Fernsprecheinrichtungen in europäischen Ländern hier ihren Platz finden. Im November 1885 besaßen:

Länder Zahl der Städte Zahl der Sprechstellen Jährl. Abonnementsbetrag Mark

Deutschland 81 13000 150

England 180 12000 100-400

Frankreich 20 10000 480

Italien 18 7000 92-140

Schweden 51 10000 128-216

Schweiz 30 5000 120-200

Spanien unbekannt 1000 80-200

Niederlande 11 4000 136-204

Belgien 12 5000 160-200

Rußland 7 3000 560

Österreich-Ungarn 10 4500 180-300

In Deutschland, der Schweiz und Spanien ist der Fernsprechbetrieb vollständig in den Händen des Staats, in den andern Staaten herrscht teilweise gemischter Betrieb, teilweise reiner Privatbetrieb; alle diese Staaten beabsichtigen aber, den Fernsprechbetrieb gänzlich zu verstaatlichen.

Zur Ausrüstung der Sprechstellen in den Stadt-Fernsprecheinrichtungen der Reichs-Telegraphenverwaltung werden die bewährten Siemensschen F. benutzt. Jeder bei den Teilnehmern zur Aufstellung kommende Apparatsatz (Fig. 8) enthält in einem Holzgehäuse vereinigt zwei dieser F. FF, einen Wecker W, eine Vorrichtung zum Ein- und Ausschalten desselben A und einen Blitzableiter S. Von den beiden Fernsprechern ist der eine horizontal mit dem Mundstück nach außen in dem Gehäuse befestigt, während der andre im Zustand der Ruhe an dem Haken h der Schaltvorichtung ^[richtig: Schaltvorrichtung] hängt und durch sein Gewicht den vordern Hebelarm derselben herunterzieht. In dieser Stellung sind die durch eine Leitungsschnur untereinander verbundenen F. aus dem Leitungskreis ausgeschaltet, dagegen steht der Wecker mit der Leitung in Verbindung, so daß ein ankommender Strom die Glocke zum Ertönen bringt. Wird nun der lose F. abgehängt, so geht der Hebel der Schaltvorrichtung in seine Ruhelage und schaltet dadurch den Wecker aus, die F. dagegen ein, die nun zur Aufnahme des Gesprächs mit dem rufenden Teilnehmer Verwendung finden können. Das Entsenden des Batterie-^[folgende Seite]