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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Flachs

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Flachs (Bearbeitung).

Brand, Firing oder Feuer verursacht. Sobald das untere Dritteil der Stengel gelblich geworden und die Blätter abgefallen sind, wird der F. gerauft; nur bei Samengewinnung wartet man die Hartreife ab. Beim Raufen des Flachses beginnt schon das Sortieren nach Länge, Stärke und Reife der Stengel, die dann entweder gleich auf dem Feld ausgebreitet, oder vorher abgeriffelt werden. Dazu dient am besten die transportable Riffelbank, eine Bank, auf deren Mitte querüber der Riffelkamm angebracht ist. Letzterer besteht aus 24 geschmiedeten, 45 cm langen, 1,25 cm dicken, mit ihren scharfen Kanten nach den Rifflern stehenden Zähnen, die auf dem Boden 0,5 cm und an der Spitze 1,25 cm voneinander abstehen. Die ausgebreiteten Stengel bleiben meist so lange liegen, bis sie lufttrocken sind; besser stellt man sie nach dem Ziehen in Hocken oder kleinen Kapellen auf. Lufttrocken geworden, werden die Samenkapseln abgedroschen, besser abgeriffelt oder abgebottet, oder es dient hierzu eine Riffelmaschine. Den vom lufttrocknen F. abgelösten Samen läßt man bis zum Verbrauch in den Samenkapseln liegen; die grün abgeriffelten Bollen werden auf einem Tuch ausgebreitet und der Sonne ausgesetzt, getrocknet, gereinigt und der Same in Fässern gut verpackt. Als Mittelerträge rechnet man in Belgien 5000 kg Grünflachs und 10 hl Samen pro Hektar; in Schlesien 18 Ztr. Rohstengel und 3 Scheffel Samen pro preuß. Morgen; in Rheinpreußen 20 Ztr. Stengel und 4 Scheffel Samen pro Morgen; in Böhmen 36 Ztr. Stengel und 9 Metzen Samen pro Joch; in Österreich 30 Ztr. Stengel und 8 Metzen Samen pro Joch.

Bearbeitung des Flachses.

Die Flachsstengel bestehen aus dem harten, holzigen Kern und dem mit der Epidermis bekleideten Bast, welch letzterer im Durchschnitt zusammengesetzt ist aus 58 Proz. reiner Pflanzenfaser, 25 Proz. in Wasser löslichen Teilen (Extraktivstoffe, Gummi) und 17 Proz. nur in Kalilauge oder, wenn auch langsamer, in Seifenwasser löslicher, größtenteils kleberartiger Substanz. Da die Trennung der Bastfaser von den andern Teilen des Flachsstengels nicht auf rein mechanischem Weg erfolgen kann, so muß ein chemischer Prozeß hierzu eingeleitet werden, welcher die kleberartige Substanz zersetzt, ohne die Gefäße des Bastes selbst anzugreifen. Die älteste Methode ist die Tau-, Rasen- oder Luftröste, auch heute noch viel üblich in Deutschland, Österreich, Rußland und Holland. Der geriffelte F. liegt auf einer Wiese ausgebreitet, der Einwirkung der Luft, Wärme und Feuchtigkeit ausgesetzt und wird zeitweise gewendet, bis sich nach acht oder mehr Wochen der Bast von Holz und Rinde leicht löst. Dies Verfahren liefert den schlechtesten F. und die geringste Ausbeute an spinnbarer Faser. Noch schlechter ist die Schneeröste, bei welcher der F. über Winter auf der Wiese ausgebreitet und mit Schnee bedeckt liegt. Die Wasserröste im stehenden Wasser oder im Schlamm (Schlamm-, Blau- oder Lockerenröste) ist abhängig von der Beschaffenheit des Wassers, des Bodens der Röstgruben und der Witterung. Stark eisenhaltiges, kalkreiches sowie humussaures Wasser ist nicht geeignet; am besten reines, weiches und temperiertes Wasser, in welchem die Röste in 4 Tagen bis 3 Wochen beendet ist. Die Röstgruben sind 0,5-1,5 m tief und von verschiedener Breite und Länge. In diesen liegt schräg oder steht der F. in Gebunde lose eingebunden, mit dem sich schwerer röstenden Spitzenende nach oben gerichtet und mit Rasenstücken oder Brettern und Steinen beschwert. Das Wasser muß 8-10 cm über dem F. in den Gruben stehen. Bei der Schlammröste werden zwischen den einzelnen Flachsbunden Erlen- und Feldmohnblätter eingelegt und mit Schlammerde gedeckt, infolgedessen der F. eine stahlgraue Farbe annimmt. Läßt sich der Bast leicht aus dem Stengel herausziehen, ohne zu zerreißen, so ist der Prozeß beendet, der F. kommt heraus, wird auf einer Wiese behufs Nachröste und Bleiche ausgebreitet oder gleich kapellt, um später noch gebleicht zu werden. Die Wasserröste im fließenden Wasser, durch das Fischereigesetz vielfach verhindert, wird im Flußbett selbst oder in Röstgruben, die mit demselben in Verbindung stehen, vorgenommen. Sie ist nur bei sehr langsam fließendem Wasser möglich, welches die beim Rösten sich bildenden scharfen Stoffe von dem F. fortführt, ohne ihn zu sehr auszulaugen, wodurch er spröde und trocken werden würde. Die Flachsbunde kommen hierbei in sogen. Schwimmern oder Lattenkasten mit ihrem Wurzelende nach unten zu stehen; die gefüllten Schwimmer werden in den Fluß oder die Grube gelassen und mit Steinen so beschwert, daß das langsam fließende Wasser 8-10 cm über sie hinweggeht. Der Röstprozeß dauert 3-20 Tage. Um die Gefahr des Überröstens zu verhüten und dem F. eine schönere lichtere Färbung zu geben, verbindet man nicht selten die Wasser- mit der Tauröste (gemischte Röste). Bei der Schwitz- oder Schnellröste wird der Flachsstengel erst mit gewöhnlichem Wasser gesättigt, darauf das überflüssige Wasser abgelassen. Der feuchte F., in der Grube festgepackt, erhitzt sich nun allmählich bis auf 38° C., und man erhält durch Zuguß von kaltem Wasser die Temperatur einige Zeit auf dieser Höhe und röstet dann unter Wasser fertig. Das Resultat ist ähnlich dem der Warmwasser-, amerikanischen oder Schenkschen Röste, bei welcher der eingebundene F. in Behältnisse mit Doppelböden gestellt wird, die dann mit kaltem Wasser gefüllt werden, so daß der F. ganz unter Wasser steht. Durch die Dampfrohrleitung unter dem Doppelboden erhöht man die Temperatur des Röstwassers allmählich auf 32-38° C. Nach 3 Tagen ist der Prozeß beendet und wird der F. aus den Bottichen herausgenommen, im frischen Wasser abgespült, auf einem Lattengestell ausgebreitet und in einer Trockenstube getrocknet. Beim neuern Schenkschen Verfahren wird die Röste im fließenden, 27-29° warmen Wasser vollzogen. Der Röstprozeß dauert ungefähr 5 Tage. Nach Vollendung der Röste läßt man den F. durch eine Naßpreßmaschine gehen, um das Wasser und alle Gummiteilchen zu entfernen, worauf er bei günstigem Wetter im Freien kapellt oder im Winter in Trockenstuben getrocknet wird. Die Wattsche Röste setzt den in eisernen Behältnissen liegenden F. der direkten Einwirkung des Dampfes aus, wodurch sie in 8-10 Stunden schon vollendet ist. Danach wird der F. unter Walzen ausgepreßt und schließlich in einem abgesperrten Raum bei 78-82° C. getrocknet. Die Faser soll bei dieser Röste an ihrer Stärke verlieren und für das nachherige Spinnen und Bleichen leiden. Bei den andern Röstmethoden läßt man in der Regel verschiedenartige chemische Stoffe (gefaulten Harn, Soda, Seife) auf den F. einwirken, wodurch zwar der Prozeß mitunter sehr beschleunigt und vervollkommt wird, aber die Ausbeute quantitativ und qualitativ leidet, auch die Kosten sich ungemein hoch stellen. Leoni und Coblenz vermeiden die Röste ganz, bringen vielmehr den F., nachdem die Wurzelenden abgeschnitten sind, 4 Stunden in eine Trockenkammer, worauf er dreimal gebrecht und geschwungen wird. Alle diese künstlichen Röstmetho-^[folgende Seite]