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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Flagge

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Flagge.

wegen niedergeholt, aber sofort geheißt, wenn andre Schiffe in Sicht kommen, denen dies Aufforderung zu gleichem Thun ist. Die Handelsschiffe sind den Kriegsschiffen gegenüber zum Heißen der F. verpflichtet; dieser Salut geschieht durch dreimaliges Auf- und Niederholen der F.; bei Versäumnissen kann es durch einen Kanonenschuß befohlen werden. In Sicht von Festungswerken, von denen die Nationalflagge weht, hat jedes Schiff seine F. zu zeigen und setzt sich bei Nichtbefolgung dieser Regel der Gefahr aus, scharf beschossen zu werden. Nur unter eigner Nationalflagge darf ein Schiff den Kampf aufnehmen, die Führung einer falschen F. beim Angriff ist als Piraterie und Verrat gebrandmarkt. Das Streichen der F., d. h. die gänzliche Beseitigung, ist das Merkmal der Ergebung, und gegen Kriegsbrauch verstößt es, dann nochmals den Kampf zu beginnen. In Friedenszeiten geschieht das Niederholen der F. täglich zur bestimmten Stunde unter Feierlichkeiten, z. B. 6 Uhr abends. Geheißt wird die F. an der Spitze der Gaffel des Hintermastes oder am Flaggstock auf dem Heck. Die halbstock geheißte, d. h. halb aufgezogene, F. zeigt einen Todesfall an Bord an; die verkehrt aufgezogene oder inmitten zusammengebundene F. in Schau (d. h. an irgend einer Stelle, also z. B. nicht an der üblichen, da Flaggmast oder Gaffel möglicherweise über Bord gegangen sind) bedeutet Hilfsbedürftigkeit. Außer der Nationalflagge wird im Hafen, an Bord von Kriegsschiffen, auch eine F. am Stak des Klüverbaums aufgezogen. Diese Gösch ist für einige Seemächte in Farbe und Zeichnung der Nationalflagge gleich (aber viel kleiner), in andern weicht sie von der Hauptflagge ab. Sie wird nur vor Anker geheißt, während alle zu Wasser liegenden Boote gleichfalls ihre F. zeigen.

Endlich führen alle Seeschiffe Signalflaggen (s. Tafel III) und zwar nach der Form: rechteckige Flaggen, Stander (Flaggen mit dreieckigem Ausschnitt, also mit zwei Spitzen) u. Wimpel in eine Spitze auslaufend. Man unterscheidet unter den Signalflaggen die Flaggen des internationalen Signalbuches, durch welche der Name jedes Schiffs zu erkennen ist; ferner die Signalflaggen der Kriegsmarinen, deren Signale Geheimnis bleiben sollen; dann die Lotsenflaggen, welche das Bedürfnis zur Aufnahme eines Lotsen melden. Hierher gehört ferner der Signalbuchwimpel, welcher den Wunsch einer Unterhaltung nach dem Signalbuch zu erkennen gibt, er wird unter der Nationalflagge geheißt; sein Erscheinen an irgend einer gut sichtbaren Stelle auf dem angeredeten Schiff dient als Zeichen des Einverständnisses. Besonders wichtig ist in völkerrechtlicher Beziehung zur Kriegszeit der Gebrauch der Parlamentärflagge (weißes Flaggtuch), indem die unter dieser F. segelnden Schiffe, ebenso wie die unter neutraler F. fahrenden, den Feindseligkeiten entzogen sind (s. Prise). Mißbrauch der Parlamentärflagge wird nicht geduldet und derjenige, welcher dieselbe mißbrauchte, um unter solcher F. feindliche Stellungen auszukundschaften, als Spion behandelt. Die verkehrt geheißte F. gilt als Beschimpfung. Die schwarze (oder rote) F. heißt jedes Schiff, welches Pulver ladet oder löscht. Die gelbe Quarantäneflagge (F. Q. des Signalbuches) verbietet dem Schiff, auf dem sie weht, den Verkehr mit dem Land oder andern Schiffen aus Gesundheitsrücksichten. Auch gewisse auf das Schiff bezügliche Ereignisse an Bord werden durch Flaggensignale gemeldet. So zeigt z. B. der Indienststellungswimpel am Großtopp an, daß das Schiff in Dienst gestellt worden, die Fahrtsflagge am Vortopp das zum Auslaufen sich rüstende Schiff; der Heimatswimpel gibt das Zeichen glücklicher Heimkehr, der Kirchenwimpel an der Gaffel über der Nationalflagge meldet die Feier des Gottesdienstes an Bord.

Die Flaggen des internationalen Signalbuches (Tafel III) gewinnen nur durch Zusammenstellung von 2, 3 oder 4 Flaggen ihre Bedeutung, mit zwei Ausnahmen. Der Wimpel C bedeutet Ja, der Wimpel D Nein. Auf Entfernungen, welche die Farben nicht mehr erkennen lassen, treten an Stelle der Buntflaggen die Flaggen der Fernsignale; vgl. weiteres auf dem Textblatt zu Tafel III.

Außer den Flaggen, deren unrichtige Handhabung unter Umständen schwere Nachteile herbeiführen kann, weshalb sie nur von geübten Flaggenposten geheißt werden sollen, führen die Kriegsschiffe der meisten Seemächte, welche weder die Admiralsflagge noch den Kommodorestander geheißt haben, einen Wimpel am Topp des Großmastes, das Kommandozeichen des befehlenden Offiziers und zugleich das Unterscheidungsmerkmal zwischen Kriegs- und Handelsschiffen. Auch im Boot wird die Anwesenheit des Kommandanten durch den vorn geheißten Wimpel ausgezeichnet. Der Wimpel hat die doppelte Länge vom Hauptdeckbalken des Schiffs, läuft in eine oder zwei Spitzen aus und beginnt etwa mit 23 cm Breite.

Die Handelsschiffe führen außer der Nationalflagge, welche im Hafen und auf ausgehendem oder einkommendem Schiff, in See jedoch in der Regel nur ausnahmsweise zur Begrüßung geheißt wird, und außer den Flaggen des internationalen Signalbuches auch die Kontorflagge, d. h. die des Reeders oder der Reedereigesellschaft, am Großtopp. Die Kontorflagge des Norddeutschen Lloyd z. B. zeigt einen Schlüssel (das Bremer Wappen), der sich mit einem Anker kreuzt, auf weißem Tuch und die Buchstaben N. D. L. Das Emblem ist von blauer Farbe. Die Handelsschiffe flaggen bei festlichen Anlässen, d. h. sie schmücken sich mit ihrem Gesamtvorrat von Flaggen an zu diesem Zweck "geschornen" Leinen. Längsschiffs flaggen die Schiffe germanischer Nationalität, d. h. die Flaggleine ist vom Heck über die Topps der Masten bis zum Klüverbaum gespannt. Die Lateiner und Slawen flaggen querschiffs, d. h. jeder Mast hat seine Flaggleine von Bord zu Bord über die Nocken, Raaen und Masttopps hinweggespannt.

Die F. des Deutschen Reichs (Reichsverfassung, Art. 55) ist für die Kriegs- und Handelsmarine schwarz-weiß-rot; vgl. die nähere Beschreibung auf dem Textblatt zu beifolgenden Tafeln. Nach dem Bundes- (Reichs-) Gesetz vom 25. Okt. 1867 tritt diese F. bei den zum Erwerb durch die Seefahrt bestimmten Schiffen an die Stelle der Landesflagge. Berechtigt zur Führung der deutschen F., welche durch die Kriegsmarine des Reichs geschützt wird, sind diejenigen Kauffahrteischiffe, welche in dem ausschließlichen Eigentum solcher Personen sich befinden, denen das Bundesindigenat zusteht; sie sind dies jedoch nur dann, wenn die betreffenden Schiffe zuvor in das Schiffsregister eingetragen worden sind und hierüber eine mit dem Inhalt der Eintragung übereinstimmende Urkunde (Certifikat) von der Registerbehörde ausgefertigt worden ist. Schiffe von nicht mehr als 50 cbm Brutto-Raumgehalt sind zur Ausübung des Rechts, die Reichsflagge zu führen, nach dem Reichsgesetz vom 28. Juni 1873, betreffend die Registrierung und Bezeichnung der Kauffahrteischiffe, auch ohne Eintragung in das Schiffsregister und Erteilung des Certifikats befugt. Ein Schiff