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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Flechten

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Flechte (Hautausschlag) - Flechten (Pflanzen).

Herpes ist nichts Genaueres bekannt, meistenteils wird derselbe einer Erkältung zugeschrieben. Nur eine Form der F. ist ansteckend, die Rasierflechte (der Herpes tonsurans oder Area Celsi), welche auf der Verbreitung eines mikroskopischen Pilzes (Trichophyton tonsurans) beruht, der an behaarten Körperstellen, z. B. auf der Kopfhaut, das Ausfallen der Haare bewirkt, woher der Name Rasierflechte oder Rasiergrind. Eine besondere Behandlung der F. gibt es nicht; man beschränkt sich darauf, die kranke Hautstelle mit einer fettigen Substanz zu bestreichen und sie dadurch vor äußern Einwirkungen zu schützen. Gegen die heftigen Hautschmerzen bei der Gürtelflechte sind Einspritzungen einer Morphiumlösung anzuwenden. Bei der Gürtelflechte ist es am besten, ein gelindes, nicht reizendes Pflaster aufzulegen und dieses mittels Kompressen fest aufzubinden. Dazu eignet sich Meliloten- oder das braune Bleipflaster, auf lange Streifen Leinwand aufgestrichen, dessen Oberfläche man noch mit Opiumpulver bestreuen kann. Man wechselt einen solchen Pflasterverband jede Woche einmal. Die Rasierflechte verschwindet bei energischem Waschen mit Seife und Wasser ohne Sublimat und andre arzneiliche Mittel.

[Flechten der Haustiere.] Flechtenausschläge kommen auch bei allen Haustieren vor. Die kahl machende F. (Herpes decalvans, H. tonsurans) wird am meisten beim Rind angetroffen und erweist sich in größern Beständen dadurch sehr lästig, daß innerhalb mehrerer Wochen oder Monate eine erhebliche Zahl der Tiere mit dem Ausschlag behaftet wird. Es entstehen auf der Haut am Kopf, am Widerrist, am Rippenkörper und am Bauch, zuweilen auch an andern Stellen Herde von der Größe eines Markstücks bis zu einem silbernen Fünfmarkstück. Die Herde haben eine runde Form. An denselben fallen die Haare ab, und es bildet sich eine dicke grauweiße Borke. Wegen des heftigen Juckreizes belecken und scheuern die Rinder die kranken Hautstellen. Bei größerer Ausbreitung des Exanthems leidet auch die Ernährung. Wenn der Ausschlag nicht behandelt und die Hautpflege vernachlässigt wird, so kann die wirtschaftliche Ertragsfähigkeit der Tiere monatelang beeinträchtigt sein. Für die Behandlung erweist sich das öftere Bestreichen der kranken Stellen mit Teer nützlich. Nach mehreren Tagen wäscht man die kranken Hautpartien sorgfältig mit lauwarmem Seifenwasser. Einzelne Stellen können zweckmäßig mit Quecksilbermitteln behandelt werden (1 Teil weißes Präzipitat auf 8-10 Teile Schweineschmalz oder 1 Teil rotes Präzipitat auf 10-15 Teile Schmalz). Wenn diese F. in größern Beständen ein oder mehrere Tiere befällt, so ist thunlichst die Isolierung derselben herbeizuführen, um der weitern Verbreitung durch Ansteckung zuvorzukommen. Von den Rindern kann diese F. auf Pferde und Menschen übertragen werden. Seltener werden die Schafe angesteckt. Bei dem Pferd äußert sich die F. unter ganz gleichen Erscheinungen wie beim Rind. Zu ihrer Behandlung sind auch dieselben Mittel angezeigt.

Die Bläschenflechte (Eczema simplex) tritt am meisten bei den Pferden auf und veranlaßt vorübergehend den Ausfall der Haare am Rumpf und Kopf. Auf der Haut entstehen kleine Bläschen mit wasserhellem Inhalt, welche nach 5-10 Tagen platzen oder zu klebrigen, weichen Schorfen eintrocknen. Das lebhafte Juckgefühl veranlaßt die Pferde, die Haut zu reiben und zu scheuern, wodurch entzündliche Schwellungen an der Körperoberfläche in großem Umfang entstehen können. Daher bedeckt sich die Haut mit Schrunden, zuweilen auch mit Borken. Am Kopf und Hals erfolgt gewöhnlich ein so starker Verlust der Haare, daß die Tiere förmlich kahl erscheinen. Zur Behandlung sind warme Bähungen der Haut neben der Applikation von adstringierenden Mitteln empfehlenswert. Am meisten hat sich die Waschung mit einer 1-2proz. Lösung von Zinkvitriol oder mit einer 5proz. Lösung von Alaun oder mit einer Abkochung der Eichenrinde bewährt. Wird die Haut spröde und rissig, so ist die Einreibung von Glycerin oder Vaselin nützlich. Die innere Behandlung der flechtenkranken Pferde kann vollständig entbehrt werden.

Schafe erkranken nur selten an einer ekzematösen F., welche sich durch kahle Hautstellen von Thalergröße charakterisiert und vorzugsweise am Kopf und am Rücken auftritt. Ohne Behandlung gelassen, führt dieselbe zum Verlust der Wolle und zur Abmagerung der Tiere. Die Heilung ist im ganzen nicht leicht und erfordert während einer längern Zeit die Applikation von Teer oder Waschungen mit Teerseife, resp. Karbolseife. Bei den Hunden finden sich Flechtenausschläge mit Verlust des Deckhaars und oberflächlicher Hautentzündung sehr häufig. Sie sind um so mehr von Bedeutung, als sie auf den Menschen sich übertragen können. Obwohl bis jetzt die pflanzlichen Parasiten, welche diese F. verursachen, nicht nachgewiesen worden sind, so kann doch über die mykotische Natur derselben ein Zweifel nicht obwalten. Zur Heilung haben sich Schwefelpräparate, namentlich Bäder von Schwefelleber und Waschungen mit einer Mischung von 20 Teilen Schwefelblumen, 10 Teilen Gummi arabikum und 500 Teilen Kalkwasser, vielfach bewährt. Für die lokale Behandlung finden auch Quecksilberpräparate, insbesondere das weiße Quecksilberpräzipitat in Salbenform (1:8-12), Anwendung.

Flechten (Lichenen, Lichenes), kryptogamische Gewächse, zu den Thallophyten gehörig, früher als selbständige Klasse betrachtet, neuerdings als eigentümliche Doppelorganismen erkannt, die aus chlorophyllhaltigen Algen und auf ihnen schmarotzenden Pilzen bestehen. Der Körper der F. (Lager, Thallus) besteht nämlich aus zwei Elementen durchaus verschiedenen Ursprungs: aus fadenförmigen, chlorophyllfreien Pilzhyphen, die zugleich Fruktifikationsorgane von der Art der Disko- und Pyrenomyceten (s. Pilze) erzeugen, und chlorophyllhaltigen, durchaus mit bestimmten Algengattungen identischen Zellen (Gonidien), die das nährende Substrat für die parasitisch sie umstrickenden Pilzfäden abgeben und mit diesen gemeinsam zu gesetzmäßigen, für die einzelne Spezies charakteristischen Formen auswachsen. Für diese Formen hat man folgende Typen aufgestellt:

1) Der strauchförmige Thallus ist nur an seiner Basis angewachsen und erhebt sich in stengel- oder blattähnlicher, meist strauchartig verästelter Gestalt (Fig. 1).

2) Der laub- oder lagerförmige Thallus ist blattartig flach und dünn, der Unterlage allenthalben anliegend, doch so, daß er nur an einzelnen Stellen lediglich durch Haftfasern mit ihr zusammenhängt und daher ohne Zerstörung sich ablösen läßt (Fig. 2 u. 3). Bei manchen Cladonia-Arten erheben sich von dem kleine Schüppchen bildenden laubförmigen Thallus aufrechte, nach Art des strauchförmigen Thallus wachsende, oben oft becherförmige Stiele (Gestelle, Podetien), auf welchen die Apothecien sich entwickeln (Fig. 4).

3) Der krustige Thallus bildet eine das Substrat überziehende oder auch in demselben sich ausbreitende und mit ihm überall fest zusammenhängende, daher nicht ohne Zerstörung abtrennbare Kruste (Fig. 5). Hinsichtlich der anatomischen Struktur kennt man zwei Arten des Flechten-^[folgende Seite]