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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Florenz

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Florenz (Geschichte).

Geschichte.

F., das alte Florentia, wurde als römische Militärkolonie von Sulla angelegt und blühte so rasch auf, daß es schon im 4. Jahrh. n. Chr. Hauptstadt der Provinz Tuscia und Sitz eines Bischofs war. Von dem Ostgotenkönig Totilas zerstört, erhob es sich allmählich wieder aus seinen Trümmern und hatte unter der Herrschaft der Langobarden und Franken eigne Grafen. In den Kämpfen zwischen Guelfen und Ghibellinen stand F. gewöhnlich auf seiten der erstern. Daher erklärte Kaiser Friedrich I. alle Edelleute, deren Herrschaften dem florentinischen Gebiet einverleibt worden waren, wieder für reichsfrei und entzog auch der Stadt manches andre usurpierte Recht. In dem Bund, welchen die toscanischen Städte 1198 gegen Philipp von Schwaben schlossen, stand F. schon als Republik an der Spitze. Die von diesem Bund 1199 beschlossene Podestatenregierung scheint in F. erst 1207 bleibend eingeführt worden zu sein, auch übertrug man hier dem Podesta bloß die Rechtspflege; die Administration der Stadt nebst der politischen Gewalt behielten die sechs Konsuln und ein städtischer Rat von 100 angesehenen Bürgern. Nun erhob sich F. trotz des Zwiespalts unter den Adelsfaktionen ^[richtig: Adelsfraktionen] immer mächtiger und unterwarf sich während der Abwesenheit der deutschen Könige wieder einen Teil des benachbarten Landadels. Auch ging es aus wiederholten Fehden mit Pisa, Siena, Pistoja u. a. siegreich hervor. Als Kaiser Friedrich II. die Ghibellinen, besonders die Uberti, in F. gegen die Guelfen unterstützte, beteiligte sich zum erstenmal auch das niedere Volk an den Fehden des Adels. Im Oktober 1250 erhoben sich die Einwohner von F., erklärten die Gewalt des Podesta und der andern Behörden für erloschen und konstituierten sich als eine militärisch eingerichtete Eidgenossenschaft des Volkes (popolo). An der Spitze stand ein Hauptmann des Volkes (capitano del popolo), ihm zur Seite als beratendes Kollegium 12 Volksälteste (anziani del popolo), je 2 aus jedem der 6 Quartiere (sestieri), in welche die Stadt geteilt wurde. Die ganze Eidgenossenschaft ward in 20 Kriegshaufen oder Fahnen (gonfaloni), mit je einem Bannerherrn (gonfaloniere) an der Spitze, und die Einwohner des Gebiets in 96 Kirchspiele (pivieri) geteilt, die ebenfalls bewaffnete Haufen zu stellen hatten. Den Adel nannte man nun im Gegensatz zur Eidgenossenschaft des Volkes "die Großen" (i grandi). Wiewohl man dieselben im übrigen unangefochten ließ, meinten sie sich doch durch Zusammenwohnen in förmlich befestigten Quartieren sichern zu müssen. Nach Friedrichs II. Tode (Dezember 1250) gestand der Popolo den Guelfen die Rückkehr zu, die im Januar 1251 erfolgte, und Volksregiment und Adel erkannten nun wieder einen Podesta als gemeinschaftliche höhere Behörde an. Die Guelfen gewannen jetzt das Übergewicht, so daß die vertriebenen Ghibellinen 1260 von Siena aus sich an Manfred, Friedrichs II. Sohn, um Hilfe wandten. Mit Hilfe einer von demselben gesandten deutschen Söldnerschar wurden die Guelfen 4. Sept. 1260 bei Montaperto geschlagen, worauf die Ghibellinen wieder das Regiment in F. erhielten. Sie erkannten Manfred als König an und nahmen den Grafen von San Severino als seinen Statthalter auf; zugleich schloß F. mit Pisa und Siena einen Bund gegen die Guelfen. Aber 1266 errangen letztere durch Karl von Anjous Sieg über Manfred wieder die Oberhand, und die Ghibellinen wurden abermals vertrieben (1267), erhielten indes 1278 die Erlaubnis zur Rückkehr. Statt der 12 Männer, welche während der zehn Jahre von König Karls von Anjou Signorie dem Vikar desselben als nächste Räte beigeordnet waren, wurden nun deren 14, nämlich 8 Guelfen und 6 Ghibellinen, erwählt, deren Regiment je zwei Monate dauerte; doch wurde dies Regiment vom Volk schon 1282 wieder beseitigt, indem die innern Angelegenheiten so geordnet wurden, daß alle Gewalt den 7 höhern Zünften (dem sogen. popolo grasso gegenüber dem popolo minuto, den 5 niedern Zünften) zufiel, die nun 3 Prioren der 3 vornehmsten Zünfte an die Spitze des Staats stellten; der Adel behielt aber seine Macht, indem er sich in die obern Zünfte aufnehmen ließ.

Eine weitere Verfassungsreform in demokratischem Sinn versuchte Giano della Bella, der, obwohl Sprößling eines altadligen Geschlechts, doch den frevelhaften Egoismus verabscheute, mit welchem die großen Adelsfraktionen in gegenseitigen wütenden Kämpfen ohne Rücksicht auf das Wohl des Gemeinwesens nach der Herrschaft über die Stadt, dem Besitz der höchsten Ämter und der Exemtion von allen bürgerlichen Lasten strebten. Seine Bestrebungen gingen auf eine gleichmäßige Verteilung der Rechte und Pflichten nach dem Muster antiker Timokratien hinaus. Zu diesem Zweck erließ er 1292 die Ordonnanzen der Gerechtigkeit, deren Ausführung ein Gonfaloniere della Giustizia mit außerordentlichen Vollmachten zu überwachen hatte. Unter seiner Leitung blühte F. auf, dehnte seine Herrschaft über ein weites Gebiet aus und wurde um so mächtiger, je mehr die adligen Territorien und kleinen Munizipien ihre Hoheitsrechte und Regalien dem Vorort abtreten mußten. Dies bildete zugleich eine zweite reiche Einkommensauelle für das Gemeinwesen, die von einem aus der Mitte der Popolanen (Patrizier und Zünfte) erwählten besondern Capitano trefflich ausgenutzt wurde. Der Einfluß des dem Adel tödlich verhaßten Giano begann indes zu wanken, als die reichen Popolanen, neidisch auf des Mannes Macht und Ansehen, sich mit den ihre Fehden vertagenden Adelsfraktionen zu seinem Sturz verbanden. Vermittelst falscher Anklagen wußten sie seine Verbannung zu erwirken, und Giano verließ 1294 heimlich und gegen den Willen des ihm mit Leib und Seele ergebenen niedern Volkes, um neuen Unruhen vorzubeugen, die Stadt. Hierdurch kühner gemacht, erschienen plötzlich die Edelleute mit den bewaffneten Scharen ihrer Hintersassen vom Land und ihrer Hausgenossen aus der Stadt und forderten die Aufhebung der gegen den Adel gerichteten Gesetze. Da aber sofort alles Volk unter die Waffen trat, stand der Adel von seinen Forderungen ab. Die meisten ärmern adligen Geschlechter und Linien trieben seitdem bürgerliche Gewerbe und traten in die Zünfte des Popolo grasso, dessen einflußreichste Familien, wie die Mancini, Magalotti, Altoviti, Peruzzi, Acciajuoli, Cerretani etc., von nun an eine faktische Nobilität in der Stadt erlangten, während die Granden ohne Einfluß blieben.

Nun erhoben sich wieder zwei mächtige Parteien gegeneinander, die der Neri (Schwarzen) und Bianchi (Weißen); an der Spitze jener, die guelfisch gesinnt waren, standen die Donati und an der der letztern die Cerchi, welche die ghibellinische Sache vertraten. Beide Parteien bekämpften sich bis aufs Blut. Um dem Zwist eine Ende zu machen, verbannten die Prioren einige hervorragende Parteihäupter aus der Stadt. Bald aber riefen die Neri unter dem Vorwand, daß einem Haupte der Bianchi die Rückkehr verstattet worden sei, den Grafen Karl von Valois, den Bruder des Königs Philipp IV.