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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Florenz

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Florenz (Geschichte).

von Frankreich, der eben für das folgende Jahr mit Karl II. von Neapel eine gemeinsame Unternehmung gegen Sizilien plante, von Anagni aus zu Hilfe und kehrten mit ihm in die Stadt zurück (4. Nov. 1301). Treulos seinem beim Einzug geleisteten Eid, sich jedes Eingriffs in die Verfassung zu enthalten, gab Valois den Neri das Heft wieder in die Hände. Der nach seinem Abzug eintretenden Reaktion, die mit einer Verbannung aller hervorragenden Weißen begann, erlag auch 1302 Dante, der, den Bianchi zugethan, gleich seinen Parteigenossen fortan "darbend die Welt durchwandern" mußte. Die hierauf von den Schwarzen vorgenommene Verfassungsrevision führte zur Einrichtung einer neuen obersten Exekutivbehörde mit guelfischer Färbung. An die Spitze der Signori (der Prioren) trat neben dem Podesta und dem Gonfaloniere della Giustizia, der sich aus einem Führer des Volkes gegen den Adel ganz in einen Vorsitzenden der Prioren, d. h. in den Leiter der Politik, Gesetzgebung und Verwaltung der Stadt, verwandelt hatte, ein neuer Beamter, der, meist aus den Reihen der Schwarzen hervorgehend, so in parteiisch modifizierter Weise den ursprünglichen Beruf des Bannerherrn der Justiz unter dem Namen eines Executore degli Ordini della giustizia wahrnehmen sollte (1307). Die Hoffnung der Ghibellinen (Weißen) wuchs wieder mit dem Erscheinen des Kaisers Heinrich VII. in Italien. Diesem verweigerte F., das inzwischen das Haupt der guelfischen Partei Mittelitaliens geworden war, natürlich den Gehorsam, wofür es zwar vom Kaiser mit den schärfsten Ausdrücken in Bann und Acht des Reichs gethan wurde (1312); doch starb Heinrich im folgenden Jahr, als er sich eben zur Bezwingung des Hauptes der Rebellen anschickte.

Mittlerweile hatte sich die Stadt, durch die drohende Gefahr geschreckt, in den Schutz König Roberts von Neapel begeben (1313), der sie zunächst als "Rektor, Befehlshaber und Herr von F." durch einen Vikar bis 1321 verwalten ließ. Durch den Ghibellinen Castruccio Castracani hart bedrängt, übertrugen sodann die Florentiner die Signorie ihrer Stadt dem Herzog Karl von Kalabrien, König Roberts Sohn, auf zehn Jahre. Derselbe nahm sie 13. Jan. 1326 an, starb aber schon 9. Nov. 1328, worauf ihm sein bisheriger Stellvertreter, Walther von Brienne, Herzog von Athen, folgte, welcher seinen ständigen Sitz nach F. verlegte und deutlich seine dynastischen Absichten kundgab. Die großen Vorteile, welche die Familien des Popolo grasso aus dem Bund mit Neapel zogen, entschädigten für den Verlust der Freiheit. Walther benutzte aber geschickt den Haß der niedern Zünfte und die Eifersucht des Adels gegen den Popolo grasso, um seine Popularität zu vermehren. Wirklich wurde er 1342 auf Lebenszeit zum Oberherrn gewählt. Doch rief sein tyrannisches Regiment bald einen Aufstand hervor, der ihn zur Flucht nötigte (Juli 1343). Durch diese innern Unruhen ermutigt, erhoben sich die F. unterworfenen Städte Toscanas: Arezzo, Castiglione, Pistoja, Volterra, Colle, San Gimignano etc., und F., machtlos, sie mit bewaffneter Hand wieder zu unterwerfen, sah sich genötigt, ihre Selbständigkeit anzuerkennen. Doch kehrten sie alle bald darauf freiwillig in das vorige wenig drückende Abhängigkeitsverhältnis zu F. zurück. Auch den deutschen Kaisern gegenüber behauptete die Stadt fortan so gut wie völlige Unabhängigkeit; dieselben mußten sich mit der Leistung des Lehnseides und der Zahlung einer Jahresquote in barem Geld begnügen und erkannten im übrigen die Autonomie der Kommune bereitwillig an.

F. hätte sich seitdem völlig ungestört und frei entwickeln können, wenn diese Entwickelung nicht noch einigermaßen durch die überschüssige Kraft einzelner Adelsfraktionen einer, das Streben des niedern Volkes nach größerer Teilnahme am Regiment anderseits beeinträchtigt worden wäre. Zunächst errang der Popolo minuto durch einen Volksaufstand im September 1343 einen Anteil an der Regierung, während die mächtigsten Geschlechter verbannt und der Adel ganz aus dem Regiment verdrängt wurde; doch allmählich bekamen die reichen guelfischen Familien wieder die Oberhand und bildeten eine Oligarchie, die sich durch die Vertreibung der ghibellinisch Gesinnten und ein durchgebildetes Denunziationssystem, das sogen. "Ammonieren" oder Verwarnen mißliebiger Bürger, in ihrer Stellung behauptete. Eine von Bartolommeo de' Medici 1360 angestiftete Verschwörung wurde unterdrückt, andern Bewegungen durch Ammonieren vorgebeugt. Erst 1378 brach trotz der Ammonitionen oder vielmehr wegen des damit getriebenen Mißbrauchs, der vom Volk durchschaut wurde, eine Revolution der Ciompi (des Popolo minuto) aus, welche, geführt von einem der Ihrigen, Michele Lando, eine demokratische Verfassungsreform erzwangen. Doch bald ward das Volk des tyrannisch-eifersüchtigen Regiments seines frühern Leiters überdrüssig, der durch sein unkluges Verhalten der guelfischen Oligarchenpartei die Restauration der alten Verfassung selbst erleichterte und 1382 seinen Übermut mit der Verbannung büßte. Nach außen hatte F. um diese Zeit mehrfache Gefahren zu bestehen. Ein gefährlicher Feind war der Herzog Galeazzo Visconti von Mailand, von welchem es zum Glück 1402 durch dessen Tod befreit wurde. Galeazzos Nachfolger Gabriele Visconti verkaufte 1405 die unter seiner Herrschaft stehende Stadt Pisa an die Florentiner um 200,000 Goldgulden, doch mußte die Stadt 1406 erst mit Gewalt unterworfen werden. Gegen den König Wladislaw von Ungarn und Neapel war F. ebenfalls glücklich, und einige Verluste im Kampf mit Mailand und Genua waren nicht erheblich.

Unter den Adelsfamilien, welche durch Popularität und Einfluß beim niedern Volk mächtig waren, trat mehr und mehr die der Medici hervor. Zwar wurde diese durch die Oligarchie wiederholt verdrängt; allein Giovanni de' Medici, welcher als glücklicher Bankier zur Zeit des Konstanzer Konzils sich großen Reichtum erwarb und in den innern Angelegenheiten, besonders bei der gerechtern Ordnung der Besteuerung, großen Einfluß ausübte, erhob sein Geschlecht zum unbestrittenen Prinzipat. Damit beginnt für F. das sogen. Mediceische Zeitalter, eine Zeit hoher Blüte und großen Glanze. Im Gegensatz zu der bisher oft erobernden Politik des Freistaats verfolgten die Medici eine friedliche Politik; sie waren zwar auf Erhaltung der Hegemonie über die toscanischen Städte bedacht, vor allem aber pflegten sie Handel und Industrie, Kunst und Wissenschaft, um F. zum Mittelpunkt der italienischen Kultur zu erheben. Nach dem Tod Giovannis de' Medici 1429 vollendete sein Sohn Cosimo dessen Werk; er sprengte die bestehende Oligarchie, erweiterte den Kreis der regierenden Familien und schuf so eine breitere demokratische Basis. Er veränderte zu diesem Zweck die Wahlart der Beamten und führte statt des bisherigen Loses eine Wahl-Balie ein, d. h. einen zur Vornahme der Wahlen mit diktatorischer Gewalt bekleideten Ausschuß. Eine Verschwörung gegen Cosimos Sohn Pietro de' Medici (1464-69) unter Luca Pitti wurde entdeckt und unterdrückt.