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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Frankreich

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Frankreich (Lage und Grenzen).

tischen (mit dem Busen von Gascogne oder Viscaya). Den Meeresteil zwischen F. und England nennen die Franzosen La Manche (Ärmelkanal), die Engländer Kanal; die engste Stelle desselben (33 km breit) heißt Pas de Calais, bei den Engländern Straße von Dover. Die gegenüberliegenden Küsten beider Länder gleichen einander teilweise in ihrer geographischen wie geognostischen Formation, woraus auf einen frühern Zusammenhang geschlossen worden ist. Die Küstenausdehnung beträgt 3120 km, wovon 615 auf das Mittelländische Meer, 1385 auf den offenen Atlantischen Ozean (vom Viscayischen Busen bis zum Kap Corsen im Departement Finistère) und 1120 km auf den Kanal, Pas de Calais und die Nordsee entfallen. Abgesehen von den Meeren, grenzt F. im S. an Spanien, wovon es die Pyrenäen, im O. an Italien und die Schweiz, wovon es die Alpen mit dem Jura trennen, weiterhin im O. an Deutschland (Elsaß-Lothringen), im NO. und N. an das Großherzogtum Luxemburg und Belgien. Die Landgrenze hat eine Länge von 2170 km. Mit Ausnahme der im Mittelländischen Meer liegenden Insel Corsica bildet das Land eine ziemlich kompakte Masse von symmetrischer Gestalt. Eine Mittellinie, welche die nördlichste Spitze des Landes bei Dünkirchen mit dem südlichsten Punkt bei Prats de Mollo in den Ostpyrenäen verbindet, teilt das Land, nahe östlich an Paris vorbeigehend, in zwei fast gleich große und einander ähnliche Teile. Diese Linie hat eine Länge von 973 km. Die größte westöstliche Erstreckung, 888 km, erreicht das Land unter 48½° nördl. Br. auf einer Linie, welche, wiederum nahe an Paris vorbeigehend, den Vogesenkamm östlich von St.-Dié mit Kap Corsen verbindet. Ferner entspricht der Einbuchtung der atlantischen Küste gegen La Rochelle hin eine solche der Ostgrenze gegen Genf, so daß hier die Breite des Landes nur 550 km beträgt. Schließlich zerfällt auch die Südgrenze in zwei in einem stumpfen, dem bei Dünkirchen gebildeten ähnlichen Winkel am südlichsten Punkte des Landes zusammenstoßende Stücke von nahezu gleicher Länge, so daß das ganze Land einem unregelmäßigen Sechseck ähnlich wird. Die Wasser- wie die Landgrenze Frankreichs, erstere fast drei Fünftel, letztere mehr als zwei Fünftel, trägt einen wechselnden Charakter: gegen Italien und Spanien, d. h. gegen nahe verwandte Völker, ist sie durch hohe Gebirge (Alpen und Pyrenäen) gebildet und fest geschlossen; gegen die Schweiz, Deutschland und Belgien, d. h. gegen die Germanen, ist sie durch Jura und Vogesen, beide leicht zu übersteigen, ja gegen Belgien hin nur durch den flachen Rücken der Ardennen gebildet, so daß sie als eine völlig offene anzusehen ist. Gerade mit den verwandten lateinischen Völkern war daher der Verkehr erschwert und wesentlich auf das Meer hingewiesen, während gegen die germanischen Völker die Berührung, der Verkehr erleichtert war, die Gegensätze aber auch um so unvermittelter aufeinander stießen. Darum hier von jeher Kampf und Verrücken der Grenzen, darum hier nach O. auch erleichtertes Einströmen erst römischer, dann französischer Kultur.

Auf die frühere Entwickelung höherer Kultur in F. hat aber, abgesehen von den zahlreichen hier noch vorhandenen Kulturkeimen aus römischer Zeit, abgesehen von der größern Gunst der Bodenbeschaffenheit und des Klimas, die Lage am Mittelmeer und die Beschaffenheit der Mittelmeerküste beigetragen. Dieselbe zerfällt in zwei morphologisch wesentlich verschiedene Stücke, eine östliche Steilküste, die Küste der Provence, und eine westliche Flachküste, die von Languedoc. Die Steilküste der Provence von Mentone bis zu den Rhônemündungen, zum Teil Granit, zum Teil Kreide und tertiärer Kalk, ist außerordentlich reich an Buchten, Häfen, Vorgebirgen und vorgelagerten Felseninseln, reich an Naturschönheiten jeder Art, mit herrlichem Klima und echt mediterraner Vegetation. Darum ließen sich hier früh Griechen nieder, an welche noch heute die Namen der blühenden Hafenstädte erinnern: Nizza (Nicäa), Antibes (Antipolis), Marseille u. a. Der Golf von Tropez und die Reede von Hyères mit den davorliegenden gleichnamigen Inseln bieten ganzen Flotten Schutz, und die fast ganz landumschlossene Bucht von Toulon ist Frankreichs großer Kriegshafen am Mittelmeer. Am günstigsten war die Lage von Marseille, und dies ist darum am glänzendsten emporgeblüht. Eine enge, geschützte Bucht zog sich hier ins Land hinein, ein trefflicher Hafen, nahe der Rhônemündung, aber vor den Anschwemmungen derselben geschützt, der natürliche Endpunkt der großen Handels-, Kultur- und Völkerstraße, welche im Thal des Rhône (s. d.) aufwärts nach Nordfrankreich, Mittel- und Nordeuropa führt. Westlich von Marseille ist die Küste durch die Deltabildungen des Rhône und der Cevennen- und Pyrenäenflüsse beträchtlich vorgerückt, ganz ähnlich wie die Küste der großen nordadriatischen Deltas. Inseln sind hier landfest geworden, Meeresbuchten verlandet, Teile des Meers selbst, durch Dünen abgeschnitten, zu Strandlagunen (étangs) geworden, welche längs dieser ganzen, sich in flachen Kurven von der Felsenküste der Provence bis zu der der Pyrenäen schwingenden Küste gelagert sind. Dieselbe ist ihrer Entstehung nach ausgezeichnete Flachküste und hafenlos, nur mit großer Mühe und Kosten sind Kunsthäfen, wie der von Cette, zu schaffen und zu erhalten.

Folgen wir der Grenze, die gegen Spanien fast überall von dem hohen Kamm der Pyrenäen gebildet wird, der nur an seinem Ost- und Westende oder nahe demselben Übergänge bietet, zum Atlantischen Ozean, so finden wir, sobald wir uns von den Pyrenäen entfernen, von dem Flußhafen von Bayonne an wiederum bis zur Mündung der Gironde eine buchten- und hafenlose, von Dünen besetzte Flachküste, derjenigen von Languedoc durchaus ähnlich. Wie das Rhônebecken seinen Verkehr nur durch Marseille vermittelt, so das Garonnebecken durch Bordeaux, am Flusse selbst, das unter dem Einfluß der mächtigen ozeanischen Flut, welche dem Mittelmeer fast völlig fehlt, noch weit oberhalb der Mündung sich zur großen Seehandelsstadt zu entwickeln vermocht hat. Von der Gironde an ändert sich aber die Küstenbeschaffenheit; die Küste, die bis zur Bucht von Aiguillon Nord-, von da an Nordwestrichtung einschlägt, ist zwar auch noch flach, aber reich ausgebuchtet dadurch, daß hier das Meer in das Land eingebrochen ist und den ursprünglichen Küstensaum, der noch durch die vorgelagerten Inseln Oléron, Ré, Yeu und Noirmoutier bezeichnet wird, zerstört hat. Hier fehlte es daher nicht an guten Häfen, wie La Rochelle, Rochefort u. a., die aber jetzt anscheinend durch Aufsteigen dieser Küste immer unbrauchbarer werden, so daß sich der Verkehr mehr und mehr wie südwärts auf die Gironde-, so nordwärts auf die Loiremündung konzentriert, wo Nantes, weniger begünstigt als Bordeaux, infolge der Versandung der Loiremündung den Großhandel immer mehr an St.-Nazaire abgibt. Mit der Mündung der Vilaine beginnt die Küste der Halbinsel Bretagne, welche ringsum bis zur Bucht von St.-Michel (s. d.) gleichen Charakter bewahrt. Es ist eine merkwürdig verwitterte und ausgebuchtete granitische Steilküste, die mit ihren zahlreichen vorgelagerten kleinen Gra-^[folgende Seite]