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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Französische Litteratur

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Französische Litteratur (17. Jahrhundert).

spielbühne, auf welcher Aufführungen in der Art der mittelalterlichen Farcen stattfanden; diese aber stand gänzlich unter dem Einfluß der "Commedia dell' arte", die wiederholt von italienischen Gesellschaften über die Alpen gebracht worden war. Jean de la Taille (gest. 1608) und Larivey (gestorben um 1612), welche sich schon der Prosa bedienten, sind die originellsten und glücklichsten Dichter dieser Gattung. Einen eignen Platz unter Ronsards Schülern nimmt Du Bartas (gest. 1590) ein, ein strenger Calvinist und Gegner der heidnischen Weltanschauung seines Meisters; in seinem großartigen, in alle europäischen Sprachen übersetzten Werk "La semaine, ou création du monde en sept jours" (1584) häuft er das ganze Wissen seiner Zeit an, treibt aber die Fehler seiner Schule auf die Spitze. Ein leidenschaftlicher Gegner Ronsards war der Hugenotte Agrippa d'Aubigné (gest. 1630); seine Gedichte und satirischen Schriften sind von wildester Parteileidenschaft und tiefster Trauer über die Not des Vaterlandes erfüllt.

So schwer aber auch der unselige Krieg auf der Entwickelung der volkstümlichen Dichtung lastete, ganz war der sonst so frisch sprudelnde Quell echt gallischen Humors nicht versiegt; der trefflichste Beweis dafür ist die "Satire Ménippée" (1593), das Produkt eines Freundeskreises von Pariser Bürgern, unter denen Jean Passerat, N. Rapin und Pithou die begabtesten waren. Aus dem tiefen Bedürfnis des Volkes nach Frieden entstanden, geißelt sie mit derbem Spotte die Ehrgeizigen, die den allgemeinen Wirrwarr erhalten wollten, um im trüben zu fischen; keinen bessern Bundesgenossen konnte Heinrich IV. bei seinen Bemühungen, das Land zu beruhigen, sich wünschen. Der Roman konnte sich von den mittelalterlichen Traditionen noch nicht freimachen: galante, schlüpfrige Erzählungen in italienischem Geschmack, wie das "Heptameron", romantisch-abenteuerliche Romane, die (in den Amadisromanen) den spanischen Mantel und spanische Sitten annahmen, waren die beliebteste Lektüre. Um die Mitte des Jahrhunderts brach sich in Spanien und Italien eine veränderte Geschmacksrichtung Bahn: die "Diana" des Montemayor (1560) inaugurierte die Ära des Idylls und des Schäferromans. In Frankreich fand dieselbe erst im 17. Jahrh. mit der "Astraea" von Honoré d'Urfé Eingang und zwar erst, nachdem der "Don Quiijote" (1606) den Ritterromanen den Todesstoß versetzt hatte.

Das 17. Jahrhundert.

So verschiedenartig die Bestrebungen des 16. Jahrh. auch gewesen waren, ein Ziel hatten alle gemeinsam: die Ausbildung der Sprache, und bewußt oder unbewußt haben die Schriftsteller dieser Zeit auf dieses Ziel hingearbeitet. Ein besonderes Verdienst erwarben sich hierbei die Prosaiker; ja, Calvin wird der Schöpfer der französischen Prosa genannt. Ihren Abschluß erreichten diese Bestrebungen aber erst mit Malherbe (gest. 1628); er hat erst der Sprache die Vollkommenheit gegeben, der die Meisterwerke der folgenden Epoche ihre Bedeutung nicht zum wenigsten verdanken. Als Dichter ohne poetisches Gefühl, als Mensch ohne Charakter, besaß Malherbe dagegen einen außerordentlich feinen Sinn für Klarheit und Symmetrie der Sprache, für Regelmäßigkeit des Rhythmus; doch hat er bei seinem unablässigen Streben nach geschmackvollem Ausdruck viel zur Verarmung der Sprache beigetragen. Mit großer Strenge ging er gegen die Übertreibungen der Plejade vor; Ronsards Ruhm hat er vollständig zerpflückt. Er hatte auch viele Gegner: Desportes, Bertaut, besonders den Satiriker Mathurin Regnier (gest. 1613), der ihn an warmer Begeisterung und echt poetischem Gefühl weit überragt; aber seine Hauptstärke lag darin, daß seine Bestrebungen zusammentrafen mit der Geschmacksrichtung seiner Zeit. In der Politik fand dieses Streben nach Ordnung und Regelmäßigkeit seine festeste Stütze in dem straffen Regiment Richelieus, der ebenfalls nur dem Instinkt der Zeit folgte, als er 1635 die französische Akademie eröffnete. Doch hat diese keinen oder nur geringen Einfluß auf das geistige Leben Frankreichs ausgeübt; die Neubildung der Gesellschaft vollzog sich anderswo, im Hotel Rambouillet. Hier hatte man zuerst den Einfluß zu schätzen gewußt, den die in Italien und Spanien in Blüte stehende Idyllen- und Schäferpoesie auf Sitten und Geselligkeit ausübte; der Schäferroman "Astraea" von Honoré d'Urfé (gest. 1625), welcher diesen Geschmack vollends in Mode brachte, wurde der Sittenspiegel für die feine Gesellschaft. Spanische Sitte und Sprache waren bald keinem Gebildeten mehr fremd, und überall galten die Damen als Königinnen der Gesellschaft. So sammelten sich um die Herrin des Hotel Rambouillet, die geistreiche Catherine de Vivonne, und ihre schöne Tochter Julie d'Angennes bis in die Mitte des Jahrhunderts die bedeutendsten Männer Frankreichs, Staatsmänner und Gelehrte, Künstler und Dichter; heitere Geselligkeit wechselte ab mit geistreicher Konversation und poetischen Vorträgen. Die gefeierten Helden dieser Zirkel waren außer Malherbe: Balzac (gest. 1654) und V. Voiture (gest. 1648), der vollendete Stilist und der elegante Gelegenheitsdichter, beide die Orakel in litterarischen Streitfragen. Diese erhoben sich immer zahlreicher, je größer der Nachdruck war, den man auf die Form legte, je mehr bei dem Mangel an wahrem und ernstlichem Gefühl die Poesie ein leeres Spiel mit Worten, ein fades, süßliches Reimgeklingel wurde. So sind der Marquis de Racan (gest. 1670), A. Godeau (gest. 1672), die drei berühmten Sonettendichter Maynard (gest. 1646), Gombauld (gest. 1666) und Maleville (gest. 1647) u. a. zwar vortreffliche Reimschmiede, verfallen aber mit ihrem falschen Pathos, ihren Plattheiten und frostigen Witzen in Geschmacklosigkeit und Unnatur. Auch die Poesien des Tischlermeisters Adam Billaut (gest. 1662) aus Nevers, bei dem man eine frischere und volkstümlichere Ader vermuten möchte, huldigen der herrschenden Mode. Dagegen ist in Epigrammen (Gombauld) und in einzelnen Idyllen (Racan) Beachtenswertes geleistet worden.

Noch nachhaltiger war die Wirkung der blühenden spanischen Dramatik auf das französische Theater. Seitdem nämlich die Truppe des Hôtel de Bourgogne in Alex. Hardy (gest. 1632) einen geschickten und fruchtbaren Dichter gewonnen hatte, der vorzügliche Nachbildungen spanischer Stücke zur Aufführung brachte, ergriff die Teilnahme für die Bühne immer weitere Kreise, und Jean Rotrou (gest. 1650), der in Hardys Fußstapfen trat, fesselte sein Publikum noch zu Corneilles Zeit. Nun wurde auch die Sprache reiner, die Darstellung geschmackvoller, Handlung und Charaktere fügten sich den Geboten des guten Tons, und die vornehme Gesellschaft, die bis jetzt nur an den Übersetzungen klassischer Stücke Gefallen gefunden, konnte bald bei ihren Festen solcher dramatischer Aufführungen nicht mehr entbehren. Die berühmtesten Stücke dieser Art waren: "Pyrame et Thisbe" von Théophile de Viau (1617), die "Bergeries" von Racan (1618), die "Sylvie" von Mairet (1621) und die "Amaranthe" von Gombauld (1625); auch hier führte die Affektation und übertriebene Sentimenta-^[folgende Seite]