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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Friedrich

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Friedrich (Preußen: F. der Große).

verschaffte ihm einige Erleichterungen seiner Haft; er war schließlich bloß in Küstrin konsigniert, wo er an der dortigen Domänenkammer die preußische Staatsverwaltung kennen lernte und auch praktisch übte. Seine Unterwerfung unter den Willen des Vaters betreffs seiner Heirat mit der Prinzessin Elisabeth von Braunschweig führte 1732 die völlige Versöhnung mit demselben herbei. F. erhielt ein Regiment in Neu-Ruppin und später die Herrschaft Rheinsberg. Hier verlebte der Kronprinz glückliche Jahre im Verkehr mit geistreichen Freunden, mit dem Studium der Philosophie und Litteratur beschäftigt und bereits selbst schriftstellerisch thätig, mit Voltaire Briefe wechselnd, während er zugleich seinen Dienst als Regimentskommandeur vortrefflich versah und für alle Verwaltungsangelegenheiten ein lebhaftes Interesse und Verständnis bewies, so daß sein Vater ihn als einen durchaus würdigen Nachfolger anerkannte und sein Werk vertrauensvoll in seine Hände legte.

Als F. 31. Mai 1740 den Thron bestieg, stand er in der Blüte seiner Jahre, körperlich und geistig in der Fülle seiner Kraft. Im vollen Bewußtsein seiner königlichen Macht ergriff er die Zügel der Regierung, und wenn auch manche Maßregeln, wie die Abschaffung der Tortur, der Jagdplage, die Auflösung der Potsdamer Riesengarde, die Zurückberufung des Philosophen Wolf nach Halle u. a., bewiesen, daß er manche Härten und Fehler seines Vorgängers vermeiden, vor allem die geistigen Interessen nicht vernachlässigen wolle, so befolgte er doch im großen und ganzen bei der Verwaltung seines Staats die Grundsätze seines Vaters. Er betrachtete sich als den für alles verantwortlichen ersten Diener des Staats; deshalb regierte er vor allem selbst, bekümmerte sich um das Geringste, nahm alle Bitten und Beschwerden an und verlangte für seine Anordnungen und Befehle unbedingten Gehorsam. Seine ungeheure Arbeitskraft machte ihm die Durchführung dieser Aufgabe möglich. In der Verwaltung sah er auf Sparsamkeit und Pünktlichkeit, in der Rechtspflege auf Schnelligkeit und Unparteilichkeit; die Beamten mußten arbeitsam und uneigennützig sein. Die stärkste Säule des Staats, das Heer, verstärkte er sofort um 16,000 Mann. Nach außen hin wollte er Preußen in stand setzen, als selbständige, unabhängige Macht aufzutreten. Neben einer starken Armee und guten Finanzen war eine Vergrößerung des Staatsgebiets hierzu notwendig, und F. beschäftigte sich zuerst mit der jülichschen Erbfolgefrage, als der Tod Karls VI. 20. Okt. 1740 seinen Ideen eine andre Richtung gab. Da Österreich selbst den Vertrag von Berlin gebrochen, war F. zur Garantie der Pragmatischen Sanktion nicht verpflichtet, wollte aber der jungen Königin Maria Theresia gegen alle Mächte, welche ihr die Erbschaft streitig machen würden, mit seiner kriegsbereiten Armee zu Hilfe kommen, wenn diese ihm einen Teil Schlesiens, auf das Preußen überdies noch nicht erloschene Erbansprüche habe, abtreten werde. Als der Wiener Hof aber dies Verlangen mit Entrüstung zurückwies und von F. die Garantie der Pragmatischen Sanktion ohne jede Gegenleistung forderte, rückte F. Mitte Dezember 1740 in Schlesien ein (erster Schlesischer Krieg), eroberte es in wenigen Wochen und behauptete es durch die Siege bei Mollwitz (10. April 1741) und Chotusitz (17. Mai 1742). Um den unbequemsten Feind los zu werden, gab Maria Theresia ihre Zustimmung zur Abtretung Schlesiens, welche im Frieden zu Berlin (28. Juni 1742) förmlich stipuliert wurde. Da indes Österreich jetzt über seine übrigen Feinde entscheidende Siege erfocht, fürchtete F., daß Maria Theresia, die auf Schlesien noch nicht für immer verzichtet hatte, mit Übermacht ihn angreifen werde, und beschloß, dem zuvorzukommen. Er schloß 1744 ein neues Bündnis mit Frankreich und fiel als "Beschützer des Kaisers und der deutschen Freiheit" Ende August in Böhmen ein (zweiter Schlesischer Krieg). Er eroberte Prag, wurde aber durch eine überlegene österreichische Armee und durch das Bündnis Sachsens mit Maria Theresia im Winter gezwungen, Böhmen wieder zu räumen. Die Unthätigkeit der Franzosen und der Tod Karls VII., nach welchem Bayern und die übrigen deutschen Fürsten mit Österreich Frieden machten, brachten F. 1745 in große Gefahr, aus der er sich jedoch durch die Siege bei Hohenfriedberg (4. Juni) und bei Soor (30. Sept.), welche F., und den bei Kesselsdorf (15. Dez.), welchen Leopold von Dessau erfocht, rettete, und Österreich mußte im Frieden zu Dresden (25. Dez. 1745) zum zweitenmal auf Schlesien und Glatz verzichten. Nachdem indes der österreichische Erbfolgekrieg 1748 durch den Aachener Frieden beendet und die Pragmatische Sanktion von allen Mächten anerkannt worden, faßten Maria Theresia und ihr Minister Kaunitz sofort den Plan, durch eine neue Koalition Schlesien dem König von Preußen wieder zu entreißen und ihn durch Beschränkung seiner Macht auf die Marken und Hinterpommern für immer unschädlich zu machen. Zu diesem Zweck wurde nach 200jähriger Feindschaft 1756 mit Frankreich ein Bündnis geschlossen und mit Rußland über einen gemeinsamen Angriff auf Preußen verhandelt. F. erhielt indes von Rußland aus davon Kunde und beschloß, dem zuvorzukommen, Österreich, bevor es völlig gerüstet war, niederzuschmettern und so die Koalition im Keim zu ersticken. Er fiel also Ende August 1756 in Sachsen ein (dritter Schlesischer oder Siebenjähriger Krieg), um durch dasselbe in Böhmen einzudringen und womöglich vor oder in Wien den Frieden zu diktieren. Jedoch die Konzentration der sächsischen Armee im Lager bei Pirna hielt ihn auf. Er schlug zwar ein österreichisches Heer unter Browne, das den Sachsen zu Hilfe kommen wollte, 1. Okt. d. J. bei Lobositz und zwang diese 16. Okt. zur Kapitulation von Pirna. Indessen der böhmische Feldzug mußte aufs nächste Frühjahr verschoben werden. Nun aber bildete sich die gefürchtete Koalition zwischen Österreich, Rußland, Schweden, Frankreich und den bedeutendsten Reichsfürsten zur Vernichtung Preußens, und als der Einfall in Böhmen nach dem Sieg bei Prag (6. Mai 1757) mit der Niederlage von Kolin (18. Juni) und einem verlustreichen Rückzug endete, fielen nun alle Feinde mit Übermacht über F. her. Diesen hatte er nur die Kräfte seines Staats und die Hilfstruppen entgegenzustellen, welche seine wenigen Verbündeten, England-Hannover, Hessen-Kassel und Braunschweig, stellten. Zwar schlug er in den beiden ruhmvollen Schlachten bei Roßbach (5. Nov.) und bei Leuthen (5. Dez.) die gefährlichsten Feinde zurück und versuchte 1758 noch einmal die Offensive. Als diese indes vor Olmütz wiederum scheiterte, mußte er sich ganz auf die Verteidigung beschränken, und mehrere empfindliche Niederlagen, wie die bei Hochkirch (14. Okt. 1758), bei Kay und Kunersdorf (12. Aug. 1759) u. a., schienen seinen Untergang herbeiführen zu sollen. Wenn er sich trotzdem durch geschickte Operationen und glückliche Schlachten, wie bei Liegnitz (15. Aug.) und bei Torgau (3. Nov. 1760), zu behaupten wußte, so waren doch Ende 1761 seine Kräfte an Geld und Menschen erschöpft und die Mehrzahl seiner Staaten in Feindeshand; auch England hatte sich nach Georgs II. Tod