Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Galvanoplastik

882

Galvanoplastik.

motorischen Kräften (Spannungsunterschieden) verwendet werden und zugleich als Sinusbussole dienen kann. Sinusbussole und Tangentenbussole, s. d. Vgl. Wilke, Die elektrischen Meß- und Präzisionsinstrumente (Wien 1883); Kempe, Handbuch der Elektrizitätsmessungen (deutsch, Braunschw. 1883).

Galvanoplastik, die Kunst, Metalle aus den wässerigen Lösungen ihrer Salze durch den galvanischen Strom in gleichförmigem, dichtem, zähem und gutgefärbtem Zustand auszuscheiden, und zwar in der besondern Absicht, entweder um Gegenstände der Ornamentik, Plastik etc. zu vervielfältigen, oder um fertig ausgearbeitete Metallwaren mit einem dünnen Überzug eines andern Metalls zu versehen (Vergolden, Versilbern). Danach unterscheidet man G. im engern Sinn und Galvanostegie. Die G. ist eine praktische Anwendung der elektrochemischen Zersetzung (Elektrolyse); man bewirkt eine Ausscheidung des regulinischen Metalls am elektronegativen Pol und verwertet in zweckentsprechender Weise die Eigentümlichkeit des sich ausscheidenden Metalls, die Oberfläche des Pols oder eines mit demselben leitend verbundenen Körpers, wie dieselbe auch gestaltet sein mag, ganz gleichmäßig zu bedecken. Man erhält zuerst einen sehr zarten Überzug, welcher bei zweckmäßiger Einrichtung des Apparats während der ganzen Dauer des Stroms gleichmäßig und bis zu jeder gewünschten Stärke anwächst. Besitzt der negative Pol eine ganz reine Metalloberfläche, so vereinigt sich das galvanisch ausgeschiedene Metall mit derselben vollkommen fest. Ist dagegen der negative Pol mit einer sehr zarten Fett- oder Oxydschicht überzogen, oder besteht er aus einer plastischen Masse, wie sie zur Darstellung von Formen gewöhnlich verwendet wird, also etwa aus Guttapercha, Wachs, Stearin, Paraffin, welche man durch Überpinseln mit Graphitstaub leitend gemacht hat, so löst sich der galvanisch erzeugte Metallüberzug, nachdem er einige Dicke erlangt, mit Leichtigkeit von dem Pol ab und stellt nun einen vollkommen getreuen Abdruck desselben dar. Die Beschaffenheit des ausgeschiedenen Metalls oder des galvanischen Niederschlags hängt wesentlich von der Stromstärke in ihrer Beziehung zur Größe der Poloberfläche und der Konzentration der Lösung ab. Seiner eigentlichen Natur nach ist der Niederschlag immer kristallinisch, d. h. es scheiden sich unausgesetzt äußerst kleine Metallteilchen von kristallinischer Struktur aus; dieselben legen sich aber dicht aneinander und bilden eine zusammenhängende Masse von großer Festigkeit und Widerstandsfähigkeit. Der galvanische Niederschlag stellt also eigentlich nicht eine ganz homogene, dichte Masse dar, wie das geschmolzene Metall; kann man ihn aber ausglühen und hämmern oder pressen und polieren, so erlangt er vollständig die Dichte und Festigkeit des geschmolzenen (und gewalzten) Metalls und steht demselben überhaupt in allen Beziehungen gleich. Für die Herstellung selbständiger, von der Form abgelöster Gegenstände ist die G. überall von hohem Wert, wo jene Gegenstände nicht durch Prägen, Stanzen etc. hergestellt werden können. Mit jenen mechanischen Operationen vermag die G. zwar nicht zu konkurrieren, sie gewährt aber vor andern Metallarbeiten wesentliche Vorteile. Sie gestattet, in der Kälte und in Flüssigkeiten zu arbeiten; die galvanischen Niederschläge geben die denkbar vollkommensten Abdrücke der Formen; sie können in jeder beliebigen Dicke erzeugt werden; man kann den Prozeß jeden Augenblick unterbrechen und wieder fortführen und vermag endlich verschiedenartige Metalle gut miteinander zu verbinden. Die G. hat daher eine Reihe früherer Methoden vereinfacht oder verdrängt, es sind aber auch mehrere neue technische Operationen durch dieselbe erst ermöglicht worden. Folgende Übersicht gewährt eine Vorstellung von der Mannigfaltigkeit der galvanoplastischen Arbeiten.

A. Massive Niederschläge, ganz ausschließlich in Kupfer.

1) Herstellung monumentaler Figuren (das bis jetzt größte derartige Werk: die drei großen Figuren des Gutenberg-Monuments in Frankfurt a. M.). 2) Kopieren von Münzen u. dgl. 3) Anfertigung von kleinen Figuren, Lampenträgern und andern Gegenständen der Kunstindustrie, die sonst in Bronze gegossen werden. 4) Massenfabrikation von Uhrenschildern, Knöpfen, Decken für Portefeuillewaren und Kästchen in getriebener Arbeit, Ornamenten für Möbel etc. Dieselben sind in der Regel ganz dünn in Kupfer und zur Verstärkung mit Zinn ausgegossen. 5) Erzeugung von Relieflandschaften. 6) Herstellung von Kupferplatten für den Kupferstecher. Dieselben zeichnen sich durch große Gleichartigkeit in der Masse aus, und der Grabstichel erfährt bei der Arbeit nach allen Richtungen denselben Widerstand. Es gelingt kaum, die Kupferplatten in ähnlicher Güte durch Gießen und Hämmern herzustellen. 7) Kopieren gestochener Kupferplatten und Holzschnitte, um die Originale schonen zu können. Die Titelvignetten illustrierter Zeitungen und von Journalen, auch die Abbildungen in Büchern, die in großen Auflagen erscheinen, werden meist von galvanischen Kupferklischees gedruckt. Hierher gehört auch die Herstellung von Stereotypplatten für den Druck. 8) Anfertigung von Druckplatten in neuer Manier, welche als Galvanographie (s. d.) und Glyphographie (s. d.) bezeichnet wird. Die galvanographisch hergestellte Platte liefert Abdrücke in Tuschmanier auf der Kupferdruckpresse; die glyphographisch verfertigte Platte gibt dem Holzschnitt ähnliche Abdrücke und wird auf der Buchdruckpresse verwendet. Hierher kann man auch die Herstellung von Platten für den Naturselbstdruck rechnen, von Platten, um die Oberfläche des Leders etc. auf Papier zu imitieren, etc. 9) Überziehen von kleinen Tieren und Pflanzen, um dieselben in ihren Formen zu erhalten, wie auch von Gefäßen, um dieselben im Gebrauch dauerhafter zu machen.

B. Dünne Niederschläge als Überzüge auf andern Metallen (Galvanostegie).

1) Versilberung und Vergoldung von Tafelgerätschaften, Schmucksachen und Kunstindustriegegenständen überhaupt (auf Kupfer, Tombak, Messing, Neusilber, Britanniametall). 2) Verstählen von Stereotypschriftplatten und gravierten Kupferplatten, um dieselben gegen das Abnutzen beim Drucken zu schützen, wodurch die Zahl gleich guter Abdrücke fast ins Unbegrenzte vermehrt werden kann. 3) Verkupfern und Vermessingen von Eisen und Zink behufs Herstellung einer künstlichen Bronze und zum Schutz gegen atmosphärische Einflüsse; desgleichen Versilbern und Vergolden dieser Metalle nach vorausgegangenem Verkupfern. 4) Vernickeln von Werkzeugen und Gerätschaften aus Schmiede- und Gußeisen zum Schutz gegen Rosten.

Als niederschlagendes Metall wählt man fast ausschließlich Kupfer, teils weil es sich am leichtesten und schönsten ausscheidet, teils wegen seiner physikalischen und chemischen Eigenschaften, die es zu den oben genannten Verwendungen allein geeignet machen, teils wegen seines mittelhohen Preises, welcher den Aufschlag der galvanoplastischen Manipulation noch verträgt, ohne darin ein Hindernis für seine mannigfachste industrielle Anwendung zu finden. Als Bad benutzt man eine gesättigte Lösung von Kupfervitriol (15-20° B.), welche mit so viel Schwefelsäure versetzt wurde, daß sie 1-2° mehr am Aräometer zeigt. Zu galvanoplastischen Arbeiten im kleinen Maßstab eignet sich ein Apparat wie der in Fig. 1 dargestellte. Er besteht aus einem cylindrischen Glas-^[folgende Seite]

^[Abb.: Fig. 1. Galvanoplastischer Apparat.]