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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gartenbau

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Gartenbau (holländischer, englischer Gartenstil).

und fein fühlender deutscher Fürst, der König Ferdinand (von Koburg), dort Gärten hervorgezaubert, mit denen kaum ein andrer Garten Europas sich messen darf. - Die holländischen Gärten glichen einem Schachbrett in der Einteilung; das Grottenwerk u. a. der italienischen und französischen Gärten ward hier zur kindischen Spielerei, alles ward kleinlich oder großartig langweilig. Die geschweifte, geschnörkelte Linie der Hausornamente, selbst der Giebel, kehrte in den Gärten an den Hecken wieder, und die Figuren des Schmuckstücks (Parterre) wiederholten dieselben Formen. Diese eigentümliche Mode der holländischen Gärten verbreitete sich um so schneller in Europa, je geschmackloser sie war, und je mehr Willkür dabei waltete. Die lebhafte Verbindung Hollands mit England war Ursache, daß auch hier der landschaftliche Gartenstil Eingang fand; Anlagen von größerer Bedeutung wurden aber nicht geschaffen, und der alte holländische Stil ist noch nicht erloschen, das beweisen die Gärten des Villendorfs Broek, wo man alle Spielereien, namentlich in den Baumfiguren, wiederfindet. Dagegen ist Holland groß in der Blumenzucht (Blumenzwiebeln), Baumschule, Obst- und Samenzucht für den Handel.

In England wurden bis Ende des 17. Jahrh. die Gärten regelmäßig angelegt, und Gabriel Thouin spricht den Engländern das Verdienst ab, den natürlichen Stil eingeführt zu haben; er behauptet, daß Dufresnoy zu Anfang des 18. Jahrh. auf einem Grundstück in der Vorstadt St.-Antoine bei Paris den ersten Mustergarten im natürlichen Stil angelegt und somit die Grundzüge des später "englischer Stil" genannten Geschmacks vorgezeichnet habe. Andre dagegen meinen, daß dieser Stil als ein notwendiges Ergebnis des Fortschritts im Geschmack und der Verfeinerung anzusehen sei, welcher wohl noch durch die Nachrichten von den chinesischen Gärten zu Ende des 17. Jahrh. beschleunigt wurde, aber kaum mehr als durch vorhandene Beschreibungen der römischen Schriftsteller und moderner Dichter von Naturschönheiten. Mason, der Dichter, behauptet in einer Note im "English garden", daß Bacon der Prophet, Milton der Herold des neuen Stils, Addison, Pope und Kent die Ritter des wahren guten Geschmacks gewesen seien. Größere Bedeutung erlangte Brown, Obergärtner in Stowe (bis 1750), dann bei dem Herzog von Grafton, dem er einen großen See anlegte, der ihm hohen Ruf verschaffte: er wurde königlicher Gärtner in Hamptoncourt und Windsor. Gärtner von Bedeutung waren außerdem: Hamilton, Shenstone (1764), Mason (1768), Whately (1770), Repton (1752-1817), Price, Night und in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts der Architekt Chambers. Er war mehrere Jahre in China gewesen und hatte die dortigen Anlagen studiert. Dennoch gewinnt in England der neuere französische Stil mehr und mehr Raum.

In Deutschland wurde der erste Englische Park vom Baron Otto von Münchhausen in Schnöbber bei Hameln a. d. Weser 1750 angelegt; dann folgte Hinübers Englischer Garten in Marienwerder bei Hannover, 1765 der beide übertreffende Park zu Harbke bei Helmstedt, Besitzung des Grafen von Veltheim. Letzterer besteht noch und enthält die ältesten nordamerikanischen Bäume in Deutschland, besonders Eichen. 1768 wurde der berühmt gewordene, noch vielbesuchte Park von Wörlitz von Schoch und Neumann, vermutlich nach einem englischen Plan, in der phantastischen chinesisch-englischen Manier angelegt. Die mythische Unterwelt der Griechen, der Vulkan, Grotten etc. entzücken noch das große Publikum, aber auch der Naturfreund findet hohen Genuß an großen, gut bepflanzten Wasserstücken und herrlichen fremden Bäumen. - Für die Entwickelung des natürlichen Gartenstils in Deutschland hat in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts Weimar einen großen Einfluß ausgeübt. Goethe, der Begründer einer neuen Richtung in der botanischen Wissenschaft, der Morphologie der Pflanzen, gab hier den Impuls; mit seinem fürstlichen Freunde, dem nachmaligen Großherzog Karl August, wandelte er die reizende Gegend an der Ilm im Süden der Stadt in einen Park um, wie er noch heute, durch Fürst Pückler-Muskau verbessert, als lehrreiches Beispiel vor unserm Auge steht. - Ein Vorkämpfer für den natürlichen Gartenstil war Hirschfeld, Professor in Kiel, ein Bahnbrecher in Deutschland v. Sckell in München, der im dortigen Englischen Garten und in Nymphenburg Musteranlagen geschaffen, ein Meister erster Ordnung Lenné, der mit seinem Schüler und Gehilfen G. Meyer Charlottenhof und die verschiedenen neuen Anlagen bei Sanssouci, letzterer allein die städtischen Anlagen von Berlin geschaffen. Ein Gartenkünstler von außergewöhnlicher Bedeutung aber war Hermann Fürst Pückler-Muskau, der bei seinem Muskau, später bei Branitz noch unübertroffene Muster moderner Gärten hinterlassen hat. Herrliche Gärten sind auch Glienicke, vom Prinzen Karl von Preußen (gest. 1883) angelegt und in stets gleichem Glanz erhalten, die Rheinanlagen der Kaiserin Augusta bei Koblenz, die Insel Mainau im Bodensee, der Park von Babelsberg bei Potsdam u. a. - Zum Schluß verdient noch eine Einrichtung der neuern Zeit Erwähnung: die sogen. Floragärten. Es sind großartige Einrichtungen mit Wintergärten und kunstvoll ausgeschmückt, parkartige Anlagen, in denen den Blumen eine ungewöhnliche Bevorzugung eingeräumt ist, mit einem prachtvollen Blumenparterre, worin Teppichbeete vorherrschen, und zu welchem die schattigen Alleen und Parkteile nur den Rahmen bilden. Wasserkünste, welche hier besonders gut angewendet wären, findet man in diesen Gärten nicht so häufig, wie man wünschen möchte. Als Muster dieser Art Gärten können gelten der Palmengarten in Frankfurt a. M., die Flora in Köln und die Flora in Charlottenburg, letztere mit einem sehr geschmackvoll bepflanzten Palmenhaus, ersterer mit unübertrefflichen Blumenparterres, die Flora von Köln mit einer Gärtnerlehranstalt verbunden.

Litteratur: Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst, (Leipz. 1775; das größere Werk in 5 Bdn., 1779-85); v. Sckell, Beiträge zur bildenden Gartenkunst (Münch. 1818, 2. Aufl. 1825); Fürst Pückler-Muskau, Andeutungen über Landschaftsgärtnerei (Stuttg. 1834); R. Siebeck: Dekameron, 10 Gartenpläne mit Beschreibung (Leipz. 1856), "Ideen zu kleinen Gartenanlagen", 24 Pläne (das. 1860), "Die bildende Gartenkunst in ihren modernen Formen", 20 Pläne (das. 1860), "Elemente der Landschaftsgartenkunst" (das. 1860), "Acht Gartenpläne" (Berl. 1874); Petzold, Die Landschaftsgärtnerei mit Bildern nach Fr. Preller und K. Hummel (Leipz. 1862); G. Meyer, Lehrbuch der schönen Gartenkunst, mit Plänen (2. Aufl., Berl. 1873); Nietner, Gärtnerisches Skizzenbuch (das. 1878); Abel, Die Gartenkunst in ihren Formen planimetrisch entwickelt (Wien 1878); Neide, Ausgeführte Gartenanlagen (Berl. 1884); Kolb, Theorie des Gartenbaues (Stuttg. 1877); Metzger, Gartenbuch (5. Aufl., Frankf. 1874);