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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gaunersprache; Gaupp; Gaur; Gaurisankar; Gaurus; Gauß

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Gaunersprache - Gauß.

judicii und nur auf einiges vorläufiges Examen zum Rad kondemniert, Weibern und Kindern aber der Strang anjudiziert werden". Bei der damaligen Zersplitterung des Reichs in eine Menge kleiner Territorien und bei dem Mangel durchgreifender polizeilicher Maßregeln, besonders auf dem flachen Land, wurde indessen damit wenig ausgerichtet, wie denn am Schluß des vorigen Jahrhunderts allein in Schwaben 2000 eigentliche G. ihr Wesen getrieben haben sollen. In dem ersten Jahrzehnt des 19. Jahrh. steigerte sich während der Kriegsnöte, namentlich in den Grenzländern an den Rheinufern, das Übel zu einer unerträglichen Höhe. Die G. bildeten nicht geschlossene Banden, sondern pflegten sich nur gelegentlich zu gemeinsam auszuführenden Streichen zu vereinigen und sich, mochte der Anschlag gelungen sein oder nicht, alsbald wieder nach allen Seiten zu zerstreuen. Eine neuere Bezeichnung für eine Art der G. ist Bauernfänger; man versteht darunter solche, welche unerfahrene Menschen zum Glücksspiel verleiten und dabei betrügen. Vgl. Avé-Lallemant, Das deutsche Gaunertum in seiner sozialpolitischen, litterarischen und linguistischen Ausbildung (Leipz. 1858-62, 4 Bde.).

Gaunersprache, s. Kochemer-Loschen ^[richtig: Kochemer Loschen].

Gaupp, 1) Ernst Theodor, ausgezeichneter deutscher Rechtsgelehrter, geb. 31. Mai 1796 zu Kleingaffron bei Raudten in Niederschlesien, besuchte das evangelische Gymnasium zu Großglogau und die Ritterakademie zu Liegnitz, nahm an den Feldzügen von 1813-15 erst als freiwilliger Jäger, dann als Offizier teil und studierte hierauf zu Breslau, Berlin und Göttingen. 1820 trat er in Breslau als Privatdozent auf und ward 1821 außerordentlicher Professor daselbst. Später sich vorzugsweise dem germanischen Recht zuwendend, wurde er 1826 ordentlicher Professor desselben, 1832 Mitglied des Oberlandesgerichts in Breslau. Er starb 10. Juni 1859. Von seinen Schriften sind hervorzuheben: "Über deutsche Städtegründung, Stadtverfassung und Weichbild im Mittelalter" (Jena 1824); "Das alte magdeburgische und hallische Recht" (Bresl. 1826); "Das schlesische Landrecht" (Leipz. 1828); "Miszellen des deutschen Rechts" (Bresl. 1830); "Lex Frisionum" (das. 1832); "Das alte Gesetz der Thüringer" (das. 1834); "Recht und Verfassung der alten Sachsen" (das. 1837); "Die germanischen Ansiedelungen und Landteilungen in den Provinzen des römischen Westreichs" (das. 1844); "Über die Zukunft des deutschen Rechts" (das. 1847); "Das deutsche Volkstum in den Stammländern der preußischen Monarchie" (das. 1849); "Deutsche Stadtrechte des Mittelalters" (das. 1851-52, 2 Bde.); "Über die Bildung der Ersten Kammer in Preußen etc." (das. 1852); "Germanistische Abhandlungen" (Mannh. 1853); "Lex Francorum Chamavorum" (Bresl. 1855); "Von Femgerichten" (das. 1857).

2) Gustav, Maler, geb. 19. Sept. 1844 zu Markgröningen (Württemberg), bildete sich anfangs in Stuttgart, Wien und London zum Lithographen aus, wandte sich aber seit 1870 auf der Münchener Akademie und seit 1873 im Atelier Pilotys der Malerei zu. Im J. 1876 debütierte er mit einem figurenreichen historischen Genrebild: Brandschatzung eines Klosters durch Landsknechte, auf welchem er alle Vorzüge der Piloty-Schule in Glanz des Kolorits und Mannigfaltigkeit der Charakteristik entfaltete. 1878 ging er zum Studium der alten Meister nach Italien und hat seitdem vorzugsweise Porträte gemalt.

Gaur, s. Rind.

Gaur (Gour), ehemals Hauptstadt von Hindukönigen über Bengalen in Vorderindien, lag links am Ganges, wurde 1204 von den Mohammedanern zur Hauptstadt ihres bengalischen Besitzes gemacht, 1639 verlassen und ist jetzt ein Trümmergebiet mit hochinteressanten Gebäuderuinen.

Gaurisankar (auch Mount Everest, nach dem engl. Obersten Everest), der höchste Berggipfel der Erde, liegt im Himalaja im Königreich Nepal unter 27° 59' nördl. Br. und 86° 54,7' östl. L. v. Gr. und erreicht eine Höhe von 8840 m. Er ist somit um 4030 m höher als der Montblanc. Der Name G. hat eine mystisch-mythologische Bedeutung. Vgl. "Proceedings" der Royal Geographical Society (1886).

Gaurus, antiker Name eines vulkanischen Gebirges in Kampanien, nördlich von Cumä, das durch seinen Weinreichtum berühmt war; jetzt Monte Gaudo. Am G. wurde der erste große Sieg der Römer über die Samniter erfochten (343 v. Chr.).

Gauß, Johann Karl Friedrich, Mathematiker, geb. 30. April 1777 zu Braunschweig, besuchte bis 1795 das Collegium Carolinum in seiner Vaterstadt, studierte bis 1798 in Göttingen und hielt sich dann in Helmstedt auf, um den Unterricht des durch seine Untersuchungen über die Differentialgleichungen bekannten Analytikers J. F. ^[Johann Friedrich] Pfaff zu benutzen. Schon 1801 erschienen seine "Disquisitiones arithmeticae", worin er die erste zusammenfassende und mit vielen neuen Entdeckungen bereicherte Darstellung der sogen. Zahlentheorie lieferte; besonders mag auf die darin vorkommende erste Formulierung des Begriffs kongruenter Zahlen und auf den vielfachen Gebrauch der Determinanten hingewiesen werden. Kurz vorher hatte er als Inauguraldissertation bereits eine kritische Übersicht über die vermeintlichen Beweise des Satzes gegeben, daß jede algebraische Gleichung eine Wurzel von der Form a + bi habe (s. Gleichung), und selbst einen wirklichen Beweis erbracht. Auf demselben Gebiet wie die "Disquisitiones" bewegen sich seine Untersuchungen über die biquadratischen Reste ("Göttinger Kommentarien", Bd. 6). 1807 wurde G. Professor der Mathematik und Direktor der Sternwarte zu Göttingen. Als zu Beginn dieses Jahrhunderts die Planetenentdeckungen neue Methoden zur Berechnung dieser Himmelskörper, die man nur kurze Zeit zu beobachten vermochte, nötig machten, unterzog sich G. der Erfindung solcher Verfahrungsweisen; als die Frucht dieser Bemühungen ist sein fundamentales Werk "Theoria motus corporum coelestium, in sectionibus conicis solem ambientium" (Hamb. 1809; deutsch v. Haase, Hannov. 1865) zu betrachten. Hierdurch auf die Astronomie hingewiesen, lieferte er in v. Zachs "Monatlicher Korrespondenz" und Bodes "Jahrbuch" eine große Anzahl von astronomischen Arbeiten. Diesem Zweck dienten auch die von ihm entworfenen Summen- und Differenzlogarithmen, von denen er 1812 Kunde gab. Ferner führte ihn die Sternkunde auch auf die Wahrscheinlichkeitsrechnung; in der Abhandlung "Theoria combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae" entwickelte er seine berühmte "Methode der kleinsten Quadrate". Seine chronologischen Forschungen fanden ihren Abschluß in seiner für den Praktiker höchst bequemen Formel zur Schnellberechnung des christlichen und jüdischen Osterfestes, für welche Professor L. Feldt in Braunsberg den Beweis nachgeliefert hat. G.' Teilnahme an der hannöverschen Landesvermessung veranlaßte ihn auch zu geodätischen Arbeiten. In den "Untersuchungen über Gegenstände der höhern Geodäsie" ("Göttinger Ab-^[folgende Seite]