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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Geburt; Geburtsfest; Geburtshelferkröte; Geburtshilfe

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Geburt (bei Tieren) - Geburtshilfe.

und anhaltend drängende Wehen treiben endlich den Kopf so hervor, daß, indem der Hinterkopf sich am Schoßbogen anstemmt, das Gesicht über das Mittelfleisch hervorgleitet; man sagt: "der Kopf ist im Durchschneiden". Jetzt sind die Wehen am schmerzhaftesten und die Gebärenden in größter Aufregung, bisweilen werden sie auch besinnungslos. Endlich drängt die Wehe den Kopf gänzlich durch die Schamspalte hervor. Nun lassen die Schmerzen etwas nach, und es tritt eine Pause ein. Bald aber folgen neue, minder schmerzhafte Wehen, welche den übrigen Körper meist schnell und leicht austreiben, wobei auch das übrige Fruchtwasser austritt. - Nach einer kurzen Ruhezeit tritt jetzt die Nachgeburtsperiode auf. Die Gebärmutter zieht sich zusammen, es zeigt eine mehr oder weniger starke Blutung aus den Geschlechtsteilen die Lösung der Nachgeburt an, und es stellen sich wieder Wehen ein, die Nachgeburtswehen, welche zum Ausstoßen der Nachgeburt führen. Hiermit ist die ganze G. vollendet, und es beginnt das Wochenbett (s. d.). Die Dauer der G. wie ihrer einzelnen Perioden ist höchst verschieden. Die mittlere Dauer einer normalen G. dürfte auf etwa 6 Stunden zu veranschlagen sein. Oft dauert die G. aber viel länger, 12-24 Stunden, namentlich bei Erstgebärenden. S. Geburtshilfe.

[Geburt bei Tieren.] Bei Tieren gehen der G. verschiedene Anzeigen vorher: Anschwellen der Scham mit Erweiterung der Schamspalte, Ausfluß einer schleimigen Flüssigkeit, Erschlaffung der Kreuzsitzbeinbänder, Einfallen der Kruppe neben der Schwanzwurzel, Anschwellung der Milchdrüsen und Austritt einer zähen gelben Flüssigkeit aus den Zitzenöffnungen. Stuten legen sich gewöhnlich einige Tage vor dem Gebären nicht mehr. Der Eintritt der G. gibt sich durch Unruhe des Tiers, öfteres Hin- und Hertreten, öfteres Niederlegen, Wedeln mit dem Schweif etc. kund, welche Erscheinungen, durch schmerzhafte Zusammenziehungen der Gebärmutter (Vorwehen) hervorgerufen, in kürzern oder längern Zwischenräumen wiederkehren. Beim Beginn der G. legen sich Stuten meistens auf die rechte Seite, Schafe entfernt von andern mit dem Rücken gegen die Wand; Sauen pflegen sich ein Lager zu bereiten. Dann folgen die vorbereitenden Wehen, wobei der Muttermund geöffnet wird und ein Teil der Eihäute in die Scheide eintritt und in dieser wie eine Blase erscheint. Beim weitern Vordrängen der Jungen platzt die Blase, und das Fruchtwasser fließt ab (Wassersprung). Darauf werden die Zusammenziehungen der Gebärmutter stärker, auch das Zwerchfell und die Bauchmuskeln kontrahieren sich stark, und durch diese eigentlichen Geburtswehen wird die Frucht durch Muttermund und Scheide nach außen befördert. Bei normaler Lage der Frucht treten erst beide Vorderfüße und auf und zwischen diesen liegend der Kopf hervor. Das Durchtreten des Kopfes verursacht den Tieren die größten Schmerzen. Wenn der Kopf herausgetreten ist, halten die Wehen gewöhnlich einen Augenblick an, kehren jedoch bald wieder, wenn das Tier nicht zu sehr erschöpft ist. Bei Stuten wird die G. meist sehr schnell, oft in 5-10 Minuten vollendet. Der Nabelstrang reißt in der Regel bei der G. oder, wenn das Muttertier nach der G. aufsteht, ab; Fleischfresser beißen auch wohl den Nabelstrang ab. Die Oberfläche der Jungen bedeckt eine nasse käsige Masse (vernix caseosa), welche von der Mutter abgeleckt wird. Werden von einem Tier mehrere Junge geboren, so treten bald nach der G. des ersten neue Wehen ein; die folgenden Jungen werden leichter geboren. Bei Stuten folgt bei einer Zwillingsgeburt das zweite Junge nach etwa 10 Minuten, bei Schafen und Ziegen nach etwa ½ Stunde, bei Kühen nach 1-2 Stunden; bei Schweinen folgen die einzelnen Ferkel gewöhnlich in Zwischenräumen von ¼ Stunde, bei Fleischfressern noch schneller aufeinander. Ausnahmsweise werden von Kühen und von Schafen die einzelnen Jungen in Zwischenzeiten von mehreren Tagen geboren. Die Muttertiere erholen sich nach dem Gebären bald wieder und belecken das Junge. Wenn die Eihäute nicht sofort mit den Jungen ausgeworfen wurden, so treten bald nach vollendeter G. wieder Wehen (Nachwehen) ein, um die Eihäute auszustoßen (Nachgeburt). Bei Stuten, Schafen, Schweinen und Fleischfressern folgt die Nachgeburt gewöhnlich sehr bald nach der G., bei Kühen 1-2 Stunden, mitunter aber erst mehrere Tage nachher. Dieselbe ist, namentlich bei Schweinen, schnell zu beseitigen, weil sie sonst zuweilen von den Tieren verzehrt wird. Sauen, welche die Nachgeburt verzehrt haben, fressen hinterher oft die Ferkel. Die G. wird beiden Tieren durch Regelwidrigkeiten in der Lage oder Entwickelung der Jungen oftmals sehr erschwert.

Geburtsfest (Geburtstag, Wiegenfest), Fest, welches alljährlich am Geburtstag eines Menschen zu dessen Ehren gefeiert wird. Als "erster" Geburtstag kann nicht der Tag der Geburt selbst, sondern nur die erste Wiederkehr dieses Tags, wenn das Kind sein erstes Lebensjahr vollendet hat, gerechnet werden. Schon die Alten pflegten dergleichen Tage feierlich zu begehen. In Gesellschaft von Freunden überließ man sich heitern Scherzen, kleidete sich in weißes Gewand, bekränzte und salbte die Laren, umduftete sie mit Wohlgerüchen und brachte ihnen, besonders dem erwählten Genius, Opfer dar. Frauen wandten sich damit vorzugsweise an Juno. Auch die Geburtstage der Götter, Kaiser und andrer verdienter und angesehener Männer wurden festlich begangen. Die Katholiken begehen statt des Geburtstags meist den Namenstag (s. d.).

Geburtshelferkröte, s. Frösche, S. 752.

Geburtshilfe (franz. Accouchement). Der Inbegriff aller bei der Behandlung der Schwangern, Gebärenden und Wöchnerinnen anwendbaren Regeln stellt den Inhalt der G. als Kunde (Geburtshilfekunde), und die Anwendung dieser Regeln auf die bestimmten Fälle den Inhalt der G. als Kunst oder die Geburtshilfekunst dar. Durch die Vereinigung beider kommt alsdann die eigentliche Hilfe beim Geburtsakt selbst zu stande.

Zu einem regelmäßigen Verlauf der Geburt ist es nötig, daß mehrere Bedingungen sowohl von seiten der Mutter als von seiten der Frucht und ihrer Umgebung vereint erfüllt werden. Diese sind von seiten der Mutter einerseits die Regelmäßigkeit der Wehen in Bezug auf ihre Kraft und Aufeinanderfolge, anderseits der regelmäßige Bau der Geburtsteile sowie die natürliche Beschaffenheit der in den Geburtsteilen, insbesondere in dem Becken, befindlichen Organe; von seiten der Frucht deren normale Bildung und Gestaltung sowie deren regelmäßige Lage im mütterlichen Körper. In Bezug auf die Lage der Frucht (Kindslage) im Mutterleib kurz vor Eintritt der Geburt kommen die meisten Abweichungen vor, und durch sie wird meistens die Regelwidrigkeit einer Geburt bedingt. Die regelmäßige Lage der Frucht ist daher eins der Haupterfordernisse zu einer natürlichen Geburt. Die normale Lage ist die Schädellage. Dabei steht der Kopf entweder im linken schrägen Beckendurchmesser, der Rücken des Kindes links