Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gefährdeeid; Gefährte; Gefälle; Gefallen; Gefallene; Gefälligkeit

994

Gefährdeeid - Gefälligkeit.

Versicherungswesen gebraucht. Bei der Seeversicherung z. B. hat der Versicherer alle Gefahren zu tragen, welchen Schiff oder Ladung ausgesetzt sind, sofern nicht Gesetz oder Vertrag Ausnahmen statuieren. Er trägt nicht nur die G. der Elementarereignisse und der Seeunfälle, selbst wenn sie durch Dritte verschuldet sind, wie Strandung, Schiffbruch, Sinken, Feuer, Explosion, Blitz u. dgl., sondern auch die G. des Kriegs und der Verfügung von hoher Hand, des Seeraubs, der Plünderung, der Kaperei (Revier- und Türkengefahr) und nach deutschem Seerecht auch der Baratterie, d. h. der Unredlichkeit des Schiffsvolkes. Ebenso spricht man bei der Feuerversicherung (s. d.) von der Versicherung gegen Feuersgefahr, ebenso von der Versicherung gegen Krankheits- und Unfallsgefahr etc. Im Obligationenrecht ist die Frage vielfach von Bedeutung, mit welchem Zeitpunkt die G. von dem einen auf den andern Kontrahenten übergehe, so namentlich bei dem Kauf (s. d.) die G. des Unterganges oder der Verschlechterung (Deterioration) der Ware. In betreff der nach auswärts zu sendenden Waren trägt nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (welches jedoch das bürgerliche Recht bestehen läßt, insofern es einen frühern Zeitpunkt festsetzt) der Käufer von dem Augenblick an die G., in welchem die Ware an den Spediteur oder Frachtführer oder die sonst zum Transport bestimmte Person übergeben wurde, wofern nichts Anderweites ausdrücklich vereinbart ist. Im Verkehr der deutschen Eisenbahnen ist reglementmäßig als Zeitpunkt der Übergabe die Abstempelung des Frachtbriefs anzusehen und hiernach der Gefahrübergang zu bestimmen. Für den Frachtführer gilt die Regel, daß derselbe für Verlust und Beschädigung des Gutes von der Empfangnahme bis zur Ablieferung haftet, also auch für den Zufall (casus), es sei denn, daß der Schade durch höhere Gewalt (vis major, force majeur), durch die natürliche Beschaffenheit des Gutes oder durch äußerlich nicht erkennbare Mängel der Verpackung entstand. Diese auch für die Eisenbahnen geltenden Regeln hat das Betriebsreglement für die deutschen Eisenbahnen dahin präzisiert, daß die letztern für die G. nicht haften, welche mit dem Transport in unbedecktem Wagen verbunden ist oder mit dem Mangel der Verpackung oder deren mangelhafter Beschaffenheit. Sie haften ebensowenig für die besondere G., die mit der eigentümlichen natürlichen Beschaffenheit des Gutes oder mit dem Transport lebender Tiere zusammenhängt, und endlich auch nicht für eine G., deren Abwendung durch Begleitung bezweckt wird. Vgl. Deutsches Handelsgesetzbuch, Art. 277, 324 f., 345 ff., 357, 363 ff., 395 ff., 423 ff.; Betriebsreglement für die Eisenbahnen Deutschlands vom 11. Mai 1874 ("Zentralblatt für das Deutsche Reich", 2. Jahrg., Nr. 21).

Gefährdeeid (Kalumnieneid, Juramentum calumniae), im frühern Prozeßverfahren das eidliche Versprechen einer Partei, daß sie ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel "nicht aus Gefährde", d. h. nicht schikanös, sondern in gutem Glauben gebrauchen wolle. Der G. kam sowohl in Ansehung des ganzen Prozeßverfahrens als sogen. genereller wie auch bezüglich einzelner Prozeßhandlungen als spezieller Kalumnieneid vor.

Gefährte (lat. Comes), Bezeichnung der Beantwortung des Fugenthemas, s. Fuge.

Gefälle (Gefäll), Neigung der Oberfläche eines fließenden Gewässers (Bach, Fluß, Strom) oder eines Verkehrswegs (Chaussee, Eisenbahn). Man findet es, indem man den Höhenunterschied zweier Punkte und ihre Entfernung mißt und dann bestimmt, wieviel dieser Höhenunterschied auf je 100 oder 1000 m beträgt. Sehr wichtig ist der Grad des Gefälles für fließende Gewässer, insofern die Geschwindigkeit die Größe der Kraft des Gewässers zum Treiben von Mühlwerken u. dgl. bedingt, eine Vergrößerung der Geschwindigkeit aber durch Vermehrung des Gefälles und diese durch die Abkürzung des Wegs, den das Wasser von einem Ort zum andern zu machen hat, erreicht wird. Aus dem G. und der Anzahl Kubikmeter Wasser, welche in einer Sekunde abfließen, läßt sich die disponible Betriebskraft ermitteln. Man drückt dieselbe durch Multiplikation des Gewichts der in einer Sekunde abfließenden Wassermenge mit der Höhe des Gefälles in Meterkilogrammen aus. Am stärksten ist das G. eines Flusses im allgemeinen in seinem obersten, am geringsten in seinem untern Lauf. - Im Mühlenwesen ist Archengefälle das G., welches bei einer Mühle dem Wasserzufluß unmittelbar vor dem Wasserrad gegeben wird. - Beim Bergbau die durch den Bergbaubetrieb gewonnenen Fossilien, welche, der Aufbereitung unterworfen, Poch- oder Waschwerksgefälle genannt werden; beim österreichischen Salzbergbau die salzhaltigen Abfälle, welche bei Gewinnung des Steinsalzes in kleinen Stücken erfolgen und, wenn rein, als Minutien in den Handel gehen, wenn unrein, ausgelaugt werden (Gefällsverätzung), worauf man die Salzlauge auf Kochsalz versiedet.

Gefälle (Grundgefälle), nach den Grundsätzen der feudalen Ordnung bestimmte, am Grund und Boden haftende Lasten, welche von dem verpflichteten Grundbesitzer an den frühern grundherrlichen Berechtigten in Naturalien oder Geld als Zehnten, Handlöhne, Gilten und Grundzinse verschiedener Art abzutragen sind. Als Naturalleistungen an die Geistlichen nennt man sie auch wohl Kalenden. Die G. des Staats sind, wenn nicht rein, so doch vorherrschend privatrechtlicher Natur, oft auch mit alten steuerartigen Abgaben vermischt. Die neuere Zeit hat die Grundherrlichkeit überall aufgehoben, und durch die ins Werk gesetzte Ablösung wird das Gefällwesen völlig verschwinden, nachdem in Frankreich alle G. (droits, prestations etc.) schon infolge der ersten Revolution beseitigt worden sind. In Österreich bezeichnet man auch gewisse indirekte Steuern und Gebühren als G. und spricht demnach von Stempelgefällen, Zollgefällen etc.

Gefallen bedeutet entweder eine Art und Weise des Erscheinens für andre (daß in diesen durch deren Wahrnehmung ein Lustgefühl, beim Gegenteil, dem Mißfallen, ein Unlustgefühl entsteht) oder dieses (die Erscheinung begleitende Lust- oder Unlust-) Gefühl selbst, in welchem Fall es Wohlgefallen (Mißfallen) heißt. In ersterm Sinn wird sowohl von dem (sobald keine höhern Pflichten verletzt werden, berechtigten) Wunsch als von der (wenn keine schädlichen oder sittlich verwerflichen Mittel angewandt werden, erlaubten) Kunst und von einer (ihrer Natur als Leidenschaft halber schlechterdings unerlaubten) Sucht zu gefallen (Koketterie), in letzterm Sinn sowohl von unbedingtem (ästhetischem) als bedingtem G. und Mißfallen wie von den Bedingungen beider und insbesondere von den Normen des ästhetischen Gefallens und Mißfallens (ästhetischen Ideen) und der Wissenschaft von diesen (Ästhetik, s. d.) gesprochen.

Gefallene, s. Lapsi.

Gefälligkeit als Bestreben, andern durch Entgegenkommen zu gefallen, ist nur als uneigennütziges Wohlwollen (s. Güte), nicht aber als sich selbst ent-^[folgende Seite]