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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gefäße, prähistorische

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Gefäße, prähistorische.

Stärke der dem Gefäß zu gebenden Wandung hatte; alsdann wurde ein neuer Thoncylinder aufgelegt, in gleicher Weise behandelt und hierin fortgefahren, bis das Gefäß die erforderliche Höhe hatte. Manche Gefäße, namentlich die kannenförmigen, sind aus mehreren Teilen zusammengesetzt, von welchen ursprünglich jeder besonders geformt wurde. In Westpreußen wurden bis vor kurzem noch Gefäße aus freier Hand hergestellt, und in Jütland geschieht dies zum Teil heute noch. Die uns erhaltenen Gefäße sind sämtlich im Feuer gebrannt, wenn auch mehr oder minder stark, und zwar die hellen bei hellem, die schwarzen in Schmauchfeuer, wobei der Thon mit Ruß imprägniert wurde. Die Ornamente sind entweder vertieft, oder plastisch aufgelegt, oder farbig aufgemalt. In der Steinzeit wurden teils lineare Zeichnungen mit einem Knochengriffel eingestochen und die auf diese Weise hergestellten Linien mit einer weißen Masse, Kalk oder Kreide, ausgefüllt, teils aber auch durch Eindrücken von Haarschnüren die Linien hergestellt. Die plastischen Ornamente bestehen in aufgelegten horizontalen, ringförmigen und bogenförmigen Leisten, in Knöpfen und Buckeln, welche zum Teil an die Form der Weiberbrust erinnern (Buckelurnen), oder es sind einzelne Teile des Gefäßes figürlich entwickelt, indem der obere Teil des Halses ein Gesicht und der darauf passende Deckel eine Kopfbedeckung darstellt (Gesichtsurnen). Ja, sogar die Form von Häusern wurde manchen zur Aufnahme der verbrannten Gebeine dienenden Gefäßen gegeben (Hausurnen). Die aufgemalten Ornamente bestehen, abgesehen von der Färbung der Wandungen durch Schwärzung in Rußfeuer, Beimengung oder Auftragung von Graphit, Auftragung weißer kreideartiger oder rötlicher ockerhaltiger Schichten, aus Linien und Figuren, welche rot auf weißem Grund, rot auf Graphitgrund, schwarz auf gelblichem oder rotem Grund angebracht sind. Es sind meist schraffierte Dreiecke, schachbrettartige Muster, senkrechte, gerade und Zickzacklinien und Kreise; aber auch die Figur des Triquetrums und sogar Tierfiguren kommen vor. Die Formen der Gefäße sind sehr mannigfaltig. In der Steinzeit trifft man bereits Formen mit bauchigem, kugeligem Körper und steilem, cylindrischem Halse, sogar kleinere, flaschenförmige Gefäße mit sehr engem Hals, daneben allerdings auch einfachere mit weiter Öffnung und einfach becherförmige. In der Metallzeit und namentlich unter den Gefäßen des sogen. Lausitzer Typus, die nach ihrem häufigsten Vorkommen in der Lausitz benannt sind, finden sich die mannigfaltigsten Formen: einfache, runde, flache Untersätze und Deckel, kleine Teller mit reichverziertem Boden, schüssel- und napfförmige Gefäße, einhenkelige Schalen und Tassen, Kannen, Krüge, Räuchergefäße, große, weitbauchige Urnen und Vorratsgefäße. Je nach der Gebrauchsweise sind dieselben entweder ganz roh gehalten, oder sauber ornamentiert, gehenkelt und ungehenkelt. In der La Tène-Periode werden die Thongefäße wieder einfacher, vielleicht weil Metall- und Holzgefäße, die uns aber aus dieser Zeit nicht erhalten sind, häufiger werden. Vorwiegend finden sich große, weitbauchige Gefäße und napfförmige Deckelgefäße. In der römischen Periode finden wir in den ehemals römischen Provinzen natürlich eine große Mannigfaltigkeit vorzüglich gearbeiteter Gefäße aus feinster Thonmasse und mit künstlerisch vollendeten Dekorationen, in den nicht provinzialen Gebieten dagegen noch die in alter Weise gefertigten Gefäße, aber von meistens sehr einfachem Charakter. Erst in der fränkisch-merowingischen Zeit zeigt sich wieder eine zum Teil sogar sehr reiche Verzierungsweise, während die Formen meist einfach sind und nur weitmundige und weitbauchige, terrinenähnliche Bildungen zeigen. Die eigentlich wendischen Gefäße sind höchst einfach, ohne Henkel, in Form von tiefen Schalen oder Bechern und zeigen meist ein mit einem Rastral hergestelltes horizontales Wellenornament (das sogen. Burgwallornament) oder einfache, horizontale Furchen oder gekreuzte Liniensysteme. Ihr Boden ist häufig mit einem Stempeleindruck versehen, der ein Hakenkreuz oder auch eine Hand oder ein vierspeichiges Rad darstellt.

Die verschiedenen Gefäßtypen haben nun auch ihre bestimmten Verbreitungsbezirke. So kommen die Gefäße der Steinzeit mit eingestochenem Ornament nur in Skandinavien und Nordwestdeutschland, hauptsächlich aber in dem Verbreitungsgebiet der Dolmen, die mit Schnurornament verzierten in Ungarn, Böhmen, Sachsen, Thüringen, dann aber auch wieder sehr zahlreich in Großbritannien und sporadisch in der Schweiz und dem Gouvernement Perm vor. Hausurnen einer bestimmten Form finden sich in Dänemark und auf Bornholm, bienenkorbförmige Hüttenurnen in der Priegnitz, eigentliche Hausurnen in der Provinz Sachsen in einem Umkreis, dessen Mittelpunkt die Stadt Aschersleben zu bilden scheint, außerdem aber weit südlich in Italien im alten Latium und Etrurien, Albano und Corneto. Die Gefäße des sogen. Lausitzer Typus, deren charakteristischte Formen die sogen. Buckelurnen sind, erstrecken sich von Brandenburg durch Posen und Schlesien bis nach Ungarn hinein. Vereinzelte wurden im Elsaß gefunden. Die Gesichtsurnen finden sich auf dem linken Weichselufer, in Westpreußen, Hinterpommern und Posen. Die von Schliemann in Hissarlik, dem alten Troja, entdeckten sind nur der Idee nach ihnen verwandt, der Zeit und dem Formencharakter nach jedoch sehr verschieden, denn die nordischen Gesichtsurnen gehören der La Tène-Zeit an, während die trojanischen sehr viel älter sind. Auf Cypern wurden auch ähnliche Gefäße gefunden, jedenfalls aber auch einer sehr alten Zeit angehörig. Neben den Thongefäßen sind die Metallgefäße (Bronzegefäße) von hervorragender Bedeutung in der prähistorischen Archäologie. Sie kommen bereits in der ältesten Metallzeit vor und sind größtenteils Importartikel. Die ältesten Formen sind getrieben oder aus dünn gehämmerten Blechen zusammengenietet. Besondere Wichtigkeit haben die Bronzecisten (manchmal auch situlae genannt), horizontal gerippte, eimerförmige Gefäße mit einem oder zwei Henkeln, welche sehr häufig in Etrurien gefunden sind, aber in größerer Zahl auch zu Hallstatt in Oberösterreich, Kärnten und vereinzelt auch in Ungarn, Böhmen, Sachsen, Posen, Belgien und in der Gegend von Lübeck gefunden wurden. Eigentlich eimerförmige Gefäße (situlae) kommen in Hallstatt und Mähren sehr häufig vor, vereinzelt auch in Ungarn, Böhmen, Westpreußen und Dänemark. In der La Tène-Zeit kommen eimerförmige Gefäße häufiger vor, am häufigsten jedoch in der römischen Zeit, wo dieselben denn auch nicht nur aus Bronze, sondern nicht selten auch aus gediegenem Silber bestehen. Namentlich zeigt sich in der spätrömischen Zeit ein großer Reichtum an Gefäßen aus Edelmetallen, Silber und Gold, wenngleich auch goldene Gefäße schon in der ältesten Metallzeit im Norden vorkommen. Ein andres Material, das zur Gefäßbildung reichlich verwandt wurde, ist das Glas. Perlen aus Glas lassen sich im Norden teilweise schon aus dem 3. und 4. Jahrh. v. Chr. nachweisen, aber Ge-^[folgende Seite]