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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Geier

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Geier.

weiß oder gelblichweiß; das übrige Gefieder ist sehr gleichmäßig licht fahlbraun, auf der Unterseite dunkler als auf der Oberseite, jede einzelne Feder lichter geschaftet. Die Flügeldeckfedern bilden eine lichte Binde auf der Oberseite, die Schwingen erster Ordnung und die Steuerfedern sind schwarz, die Schwingen zweiter Ordnung graubraun, fahl gerandet; das Auge ist lichtbraun, die Wachshaut dunkel blaugrau, der Schnabel rostfarben, der Fuß hell bräunlichgrau. Der Gänsegeier findet sich in Siebenbürgen, Südungarn, in Krain, Kärnten und im Salzkammergut, auf der Balkanhalbinsel, in Spanien, Sardinien, Sizilien, Nordafrika, Westasien bis zum Himalaja und verfliegt sich bisweilen nach Deutschland, lebt gesellig, läuft und fliegt sehr gut, ist äußerst jähzornig und tückisch und greift angeschossen den Menschen an. Vom Aas frißt er besonders die Eingeweide, soll sich aber auch über kranke oder sonst wehrlose Tiere hermachen. Er bildet Nistansiedelungen auf Felsen, und das Weibchen legt ein weißes, stark nach Moschus riechendes Ei, welches es gemeinsam mit dem Männchen bebrütet. In der Gefangenschaft bleibt der Gänsegeier tückisch und bissig. In Ägypten dienen Schwung- und Steuerfedern zu Schmuck- und Wirtschaftsgegenständen. In Kreta und Arabien soll der Balg als Pelzwerk benutzt werden. Die Gattung der Schopfgeier (Vultur L.) ist charakterisiert durch den kräftigern Leib, den kürzern, stärkern Hals, größern Kopf mit kräftigerm Schnabel und breitere Flügel. Der Kopf ist mit kurzem, krausem, wolligem Flaum bedeckt, welcher am Hinterkopf einen Schopf bildet. Hinterhals und einige Stellen des Vorderhalses sind nackt; eine bis an den Hinterkopf reichende Halskrause besteht aus kurzen, breiten, kaum zerschlissenen Federn. Der Kuttengeier (Mönchsgeier, grauer, brauner, gemeiner G., Vultur cinereus Tem., s. Tafel), der größte Vogel Europas, ist 1,16 m lang, 2,3 m breit, gleichmäßig dunkelbraun; das Auge ist braun, Schnabel und Wachshaut blau, der Fuß fleischfarben, die nackte Stelle am Hals ist licht blaugrau, ein nackter Ring ums Auge violett. Er findet sich in Südeuropa, Slawonien, Kroatien und in den Donautiefländern, in Asien bis China und Indien und in den Atlasländern sowie an einem Teil der afrikanischen Westküste, verfliegt sich auch bis Deutschland. Seine Haltung ist edler, adlerartiger als die des vorigen; er frißt hauptsächlich Muskelfleisch, verschlingt Knochen und ergreift auch lebende Säugetiere. Er horstet einzeln auf Bäumen und legt ein weißes Ei. Der Schmutzgeier (Aas-, Maltesergeier, ägyptischer, heiliger G., Alimosch, Henne der Pharaonen, Neophron percnopterus Gray, s. Tafel), 70 cm lang, 1,6 m breit, mit kurzem, kräftigem Leib, etwa kopflangem, starkem, geradem, an der Spitze stark gekrümmtem Schnabel, langen, ziemlich spitzen Flügeln, in denen die dritte Schwinge die längste ist, langem, abgestuftem Schwanz und mittelhohem, starkem, an der Ferse unbefiedertem Fuß. Das Gefieder ist am Hinterhals verlängert, Gesicht und Kopf sind nackt. Die Färbung ist schmutzig weiß, Hals und Oberbrustgegend mehr oder weniger dunkelgelb, Handschwingen schwarz, Schulterfedern gräulich; das Auge ist rotbraun oder licht erzgelb, der nackte Kopf, der Kropfflecken und der Schnabel orangegelb, letzterer an der Spitze hornblau, der Fuß hellgrau. Er findet sich als Zugvogel in Südeuropa, auch in der Schweiz, selten in Deutschland, häufig und als Standvogel in fast ganz Afrika, West- und Südasien. Er meidet den Wald, fliegt sehr schön, lebt gesellig, ist friedfertig, wenig scheu, ruht auf Felsen und Gebäuden, nicht auf Bäumen, nährt sich von Menschenkot, Abfällen der Schlächtereien und Aas und wird dadurch für die afrikanischen und asiatischen Städte ein großer Wohlthäter. Er wird dort nicht verfolgt, kommt deshalb auch sorglos in größte Nähe des Menschen und begleitet die Karawanen tagelang. Bisweilen ergreift er auch kleine Säugetiere (Mäuse) und Vögel, Kriechtiere und frißt Eier. Er horstet in kleinen Gesellschaften an steilen Felswänden, auch auf alten Gebäuden, Pagoden etc. und legt 1-2 gelblichweiße, lehmfarben oder braun gefleckte Eier. In der Gefangenschaft wird er zahm wie ein Hund. Sein Bildnis findet sich auf altägyptischen Bauwerken (s. unten). Der Kappengeier (Neophron pileatus Burch.), 68 cm lang, 1,7 m breit, mit etwas kürzerm Schnabel, gerade abgestutztem Schwanz, am Scheitel, Wangen und Vorderhals nackt, gleichmäßig dunkel erdbraun, an Hinterkopf und Hals gräulichbraun, am Kopf schmutzig weiß, Handschwingen und Steuerfedern braunschwarz, am nackten Kopf bläulichrot, mit braunem Auge, hornblauem, an der Spitze dunklerm Schnabel, violetter Wachshaut und hell bleigrauen Füßen. Er bewohnt Mittel- und Südafrika, lebt gesellig, verkehrt wie ein halbes Haustier in den Ortschaften, nährt sich, wie der vorige, von Kot und allerlei Abfällen, raubt niemals lebende Tiere, ruht nachts auf Bäumen fern von menschlichen Wohnungen, lebt sehr gesellig und nistet in großen Ansiedelungen in Wäldern auf Bäumen. Das Weibchen legt nur ein grauweißes, lehmrot geflecktes Ei, welches, wie es scheint, von beiden Geschlechtern ausgebrütet wird. Dieser G. wird ebensowenig verfolgt wie der vorige. Der Lämmer- oder Bartgeier (s. d.) gehört einer andern Familie an, und noch ferner steht den Geiern der Kondor (s. d.).

Der G. spielt in der Mythologie oft eine ähnliche Rolle wie der Adler. Der indische G. Gatayu weiß alles Vergangene und alles Zukünftige, weil er die ganze Erde durchmessen hat. Er kämpft mit den Ungeheuern und ist den Herden und den Göttern freundlich gesinnt. Nach Herodot war der G. dem Herkules befreundet, er kündigt dem Romulus, Cäsar und Augustus die Alleinherrschaft an. Verbrannte Geierfedern vertreiben Schlangen, erleichtern die Geburtswehen. Die Gefräßigkeit des Geiers wurde bei den Alten sprichwörtlich, er wittert Leichname, sogar schon vor dem Tod, und daher wurden hungrige Erben G. genannt. Bei den Germanen galt er für ein böses Prinzip (daher die Verwünschung). Bei den Ägyptern war er Symbol der Sonne, und weil sie glaubten, daß es unter den Geiern nur Weibchen gebe, die vom Ostwind befruchtet würden, war er das Symbol der Mutter und der Göttin Neith geheiligt, welche mit einem Geierkopf abgebildet wurde.

Geier, Florian G. von Geiersberg, aus einem zu Gibelstadt in Franken ansässigen ritterlichen Geschlecht, schlug sich aus Haß gegen seine Standesgenossen im Bauernkrieg 1525 zu den Bauern, ward Anführer des "schwarzen Haufens" im Bauernkrieg, half mit bei der Eroberung der Burg Weinsberg und der Ermordung Helfensteins, plünderte sodann Heilbronn, trennte sich aber dann mit seiner Schar von dem "hellen Haufen" und schloß sich dem fränkischem Heer an, mit dem er am Zuge gegen Würzburg und an der Belagerung des Frauenbergs Anteil nahm. Nachdem er darauf Rothenburg zur Verbrüderung gebracht, traf er bei dem Flecken Sulzdorf mit dem Heer des Truchseß zusammen, zog sich, als das Bauernheer zerstob, mit seiner Schar in fest geschlossener Ordnung gegen das Dorf Ingolstadt zurück, hielt hier