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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gemischte Stimmen; Gemlik; Gemma; Gemmae; Gemmel; Gemmen

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Gemischte Stimmen - Gemmen.

tigung der Konfessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung, jeden Unterschied, welchen die Gesetzgebung aus der Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses hergeleitet hatte. Zudem drängte die Opposition, in welche sich der römisch-katholische Klerus dem Staat gegenübergestellt hatte, zu einer vollständigen Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche, und so ward nach dem Vorgang Preußens durch das Reichsgesetz vom 6. Febr. 1875 für das Deutsche Reich die obligatorische Zivilehe eingeführt und damit das Ehehindernis der Religionsverschiedenheit in staatsbürgerlicher Beziehung überhaupt beseitigt (s. Zivilehe).

Gemischte Stimmen (ital. Coro pieno, lat. Plenus chorus, gemischter Chor, voller Chor), die Verbindung der Männerstimmen und Frauen- oder Knabenstimmen (Baß, Tenor, Alt und Sopran) im Gegensatz zu dem nur aus gleichen Stimmen (voces aequales) zusammengesetzten Männer- oder Frauenchor. Die gemischten Stimmen gestatten den Komponisten eine reichere Fülle von Klangkombinationen als hohe oder tiefe Stimmen allein. In der Orgel heißen g. S. die zusammengesetzten Hilfsstimmen, wie Mixtur, Rauschquinte, Kornett, Sesquialter, Tertian, Scharf, Cymbalum.

Gemlik, türk. Stadt, s. Kios.

Gemma (lat.), Edelstein; Name eines Sterns zweiter Größe in der Nördlichen Krone; auch s. v. w. Knospe, daher Gemmation, das Knospen.

Gemmae (Oculi) populi, Pappelknospen.

Gemmel, Hermann, Maler, geb. 1813 zu Barten in Ostpreußen, bildete sich zu Berlin unter E. Biermann und F. W. Schirmer in der Architektur- und Landschaftsmalerei aus und machte dann Studienreisen in Italien. Im J. 1855 wurde er als Professor der Perspektive und Architektur an die Kunstakademie in Königsberg berufen, wo er 22. März 1868 starb. Mit gründlicher Kenntnis der architektonischen Stilarten verband er ein feines Gefühl für malerische Wirkung. Seine Hauptbilder sind: Familiensaal in einem mittelalterlichen Schloß, die Taufkapelle in San Marco zu Venedig, die Kapelle des Kardinals Zeno ebendaselbst.

Gemmen (Gemmae, hierzu die Tafel "G. und Kameen", mit Textblatt), Edelsteine im allgemeinen, dann geschnittene Steine. G. im engern Sinne nennt man solche Edelsteine, in welche das Bild vertieft geschnitten ist (intaglio), und Kameen (cammeo) solche, auf welchen das Bild sich in erhabener Arbeit (en relief) befindet. In neuerer Zeit nennt man auch für den Galanteriewarenhandel angefertigte Muscheln mit erhaben geschnittenem Bildwerk Kameen und G. Die G. dienten ursprünglich nur zum Abdrücken in Wachs etc. und wurden meist in Siegelringen getragen, während Kameen zum Besetzen von Knöpfen, Spangen, Ringen, dann von Pokalen, Waffen, Kandelabern, Götterbildern etc. dienten. In Zeiten des Verfalls der Kunst verwendete man aber auch die G. in ähnlicher Weise. Die Fertigkeit, Edelsteine künstlich zu schneiden, war schon im Altertum bekannt. Nach einem Bericht des Herodot trug jeder Babylonier einen Siegelring, deren sich auch in Menge erhalten haben (s. Tafel, Fig. 2 und 6). Im Museum zu Berlin befinden sich Mumien, an deren Fingern noch Siegelringe stecken. Bekannt ist der sagenhafte Siegelring des Polykrates. Seit den Perserkriegen wurde auch in Griechenland das Wohlgefallen an Siegelringen ziemlich allgemein. Man benutzte dazu fast alle damals bekannten, meist orientalischen Ganz- und Halbedelsteine, für die G. einfarbige, durchsichtige, aber auch fleckige, wolkige Steine, von eigentlichen Edelsteinen fast nur Amethyst und Hyacinth, dagegen viele halbedle Steine, besonders die mannigfachen Achate, darunter den sehr beliebten Karneol, den Chalcedon, auch das Plasma des Smeraldo. Für Kameen (s. d.) bevorzugte man mehrfarbige Steine, wie den aus rauchbraunen und milchweißen Schichten bestehenden Onyx, den Sardonyx, der noch eine dritte Schicht von Karneol besaß, und andre aus dem Orient eingeführte Steinarten, indem man die dunkelste Schicht zum Hintergrund, die hellern zur Kolorierung des Reliefbildes benutzte. Von griechischen Steinschneidern sind uns nur wenig Namen bekannt, und auf diese können wir die uns erhaltenen Steine nicht mehr zurückführen; wo ihre Namen auf G. vorkommen, sind sie häufig in neuerer Zeit in betrügerischer Absicht hinzugefügt. Vgl. die Liste in Brunns "Geschichte der griechischen Künstler", Bd. 2, S. 441 ff. Als der ausgezeichnetste gilt Pyrgoteles, dem allein Alexander d. Gr. gestattete, sein Bild zu schneiden. Die künstlerische Entwickelung des Gemmenschnittes (Glyptik) richtete sich nach der Entwickelung der griechischen Plastik überhaupt. Neben Porträten und symbolischen Darstellungen mit Bezug auf den Namen und den Beruf des Trägers des Ringes, wohl auch mit Rücksicht auf die Eigenschaft des Steins als Amulett, wurden auch Darstellungen berühmter Kunstwerke, hochverehrter Götterbilder und Ähnliches in Stein geschnitten. Auch im alten Etrurien stand die Glyptik in hoher Blüte. Es sind uns noch eine große Anzahl etruskischer G., meist in Form von Käfern (Skarabäen), zum Teil von ausgezeichneter Arbeit, erhalten (s. Tafel, Fig. 3). In Rom war die Sitte, Siegelringe zu tragen, seit der letzten Zeit der Republik ganz allgemein geworden, die Vorliebe für geschnittene Steine artete hier bald in Leidenschaft aus. Kunstliebhaber legten große Sammlungen von

^[Abb.: Gemmen aus Pompeji. Artemis. Perseus.]

^[Abb.: Kameen (Neapel). Dionysos. Pan mit dem jungen Dionysos.]