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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Genealogisches Natursystem; Geneanomie; Genée

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Genealogisches Natursystem - Genée.

Die G. ist zuerst von den Deutschen in größerm Umfang bearbeitet worden. Seit dem Ende des 15. Jahrh. waren mehrere Gelehrte bemüht, den Stammbaum berühmter Geschlechter auszumitteln. Gutmütige Leichtgläubigkeit und Nachsicht gegen herkömmliche Vorurteile und Überlieferungen unterstützten die Eitelkeit der Großen, und die Forderungen ernster Forschung wurden von wenigen beachtet; daher die Ableitung mancher Adelsfamilien von altrömischen Geschlechtern. In diesem Sinn schrieben G. Rüxner sein mythenreiches "Turnierbuch" (Simmern 1527) und Heinr. Zellius eine "Genealogia insignium imperatorum, regum et principum" (Königsb. 1563), worin er den Ursprung fürstlicher Häuser von den Goten ableitete. Ihnen folgte Hier. Henniges, dessen "Theatrum genealogicum" in 5 Bänden, vollständig jetzt selten, zwar ohne Wert, doch fleißig ausgeschrieben ist. Berüchtigt wegen der Erfindungen ihres Verfassers sind die Schriften von Fr. de Rosière (um 1580), so daß es in Frankreich noch jetzt sprichwörtlich heißt: mentir comme un généalogiste. Eine gründlichere Darstellung erhielt zuerst die altrömische Familienkunde in dem Versuch von R. Strenius (gest. 1601) und in den gelungenern Arbeiten Glandorps. Auch Guilliman (gest. 1612) bewies in seiner Schrift "Habsburgica" urkundliche Treue, und G. Bucelin hinterließ zahlreiche genealogische Werke, welche viel brauchbares Material enthalten. Das bedeutendste ist "Germania topochronostemmatographica" (1655-78). Der richtige Weg kritischer Untersuchung wurde jedoch erst von A. du Chesne (gest. 1640) und vor allen von Pierre d'Hogier (gest. 1660) eingeschlagen, denen Anselm 1674, J. ^[Jean] de Laboureur 1683 und A. Lancelot 1716 in Frankreich, W. Dugdale 1675 in England folgten. In Deutschland befolgten ein wissenschaftliches Verfahren zuerst Nik. Ritterhusius, welcher auf unverwerfliche urkundliche Beweise drang, und Philipp Jakob Spener, welcher G. und Heraldik in ihrer Wechselwirkung verband. J. W. ^[Jacob Wilhelm] v. Imhof setzte das Werk des Ritterhusius nach dessen Grundsätzen fort, und ihm folgte J. D. ^[Johann David] Köhler. Die wichtigsten Werke des vorigen Jahrhunderts sind Hübners durch Vollständigkeit ausgezeichnete "Genealogische Tabellen" (Leipz. 1725-1733, 4 Bde.; neue Aufl. 1737-66), denen Lenz "Erläuterungen" (das. 1756) und die Königin Sophia von Dänemark "Supplementtafeln" (Kopenh. 1822-1824, 6 Lfgn.) hinzufügte; Gebhardis "Genealogische Geschichte der erblichen Reichsstände in Deutschland" (Halle 1776-85, 3 Bde.); J. Ch. ^[Johann Christoph] Gatterers "Abriß der G." (Götting. 1788), eine brauchbare wissenschaftliche Übersicht; Kochs "Tables généalogiques des maisons souveraines de l'Europe" (deutsch, Berl. 1808). Die besten neuern Werke sind Örtels "Genealogische Tabellen der germanischen und slawischen Völker im 19. Jahrhundert" (3. Aufl., Leipz. 1877), Cohns "Stammtafeln zur Geschichte der deutschen Staaten und der Niederlande" (Braunschw. 1871), Grotes "Stammtafeln" (Leipz. 1877), Hopfs "Historisch-genealogischer Atlas" (Gotha 1858-61, 2 Bde.) und Camill v. Behrs "G. der in Europa regierenden Fürstenhäuser" (2. Aufl., Leipz. 1870; dazu "Wappenbuch", 1871). Einzelne Arbeiten in Beziehung auf Griechenland und Rom lieferten Steinbeck, Niebuhr, Huschke u. a.; für Deutschland J. G. ^[Johann Georg] v. Eckhard, M. E. v. Schließen, J. ^[Josef] v. Hormayr, Graf Stillfried-Rattonitz (Hohenzollern), Frhr. v. Reitzenstein u. a. Für Frankreich sind Lesages (Las Casas) "Atlas historique généalogique, etc." (Par. 1803, 1804, 1826) und "L'art de vérifier les dates, etc." (das. 1820-1838), für Italien die Werke vom Grafen Pompeo Litta (gest. 1852) und dem Grafen Luigi Passerini zu nennen sowie die Arbeiten, welche das vom Cavaliere G. B. di Crollalanza in Pisa seit 1874 herausgegebene "Giornale araldico-genealogico-diplomatico" enthält. Von den periodischen Werken sind die von Justus Perthes in Gotha jährlich herausgegebenen genealogischen Taschenbücher die wichtigsten, nämlich der in deutscher und französischer Sprache erscheinende "Gothaische genealogische Hofkalender" (seit 1764), mit dem das reichhaltige "Diplomatisch-statistische Jahrbuch" verbunden ist, das "Genealogische Taschenbuch der deutschen gräflichen Häuser" (seit 1825) und das der "deutschen freiherrlichen Häuser" (seit 1848). Ein "Genealogisches Taschenbuch der Ritter- und Adelsgeschlechter" erscheint seit 1876 in Brunn; für England sind die umfänglichern Jahrbücher von Burke ("Peerage and baronetage of the British empire", 48. Jahrg. 1886), Debrett und von Lodge zu erwähnen.

Genealogisches Natursystem, s. Darwinismus, S. 567.

Geneanomie (griech.), Lehre von den Naturgesetzen, die sich in dem Wesen der Stamm- und Geschlechtsgenossen kundgeben.

Genée (spr. schöneh), 1) Richard, Komponist, geb. 7. Febr. 1823 zu Danzig als Sohn des dortigen Opernsängers (Baß) Johann Friedrich G., studierte Musik in Berlin und ging dann (1848) als Musikdirektor zur Bühne über, in welcher Eigenschaft er in Reval, Riga, Köln, Düsseldorf, Aachen, Danzig, Mainz, Prag und seit 1868 am Theater an der Wien zu Wien fungierte. Als Komponist debütierte er 1856 in Danzig mit der komischen Oper "Polyphem, oder ein Abenteuer auf Martinique", in welcher er mit Glück die von Lortzing eingeschlagene Bahn verfolgte. Noch mehr Erfolg hatte im nächsten Jahr die Oper "Der Geiger von Tirol", zu welcher er, wie zu manchen andern seiner Vokalwerke, selbst den Text verfaßt hat. Von seinen übrigen Arbeiten sind zu erwähnen die Operetten: "Der Seekadett" (1876), "Nanon, die Wirtin vom Goldenen Lamm" (1877), "Nisida" (1880), "Rosina" (1881) u. a. sowie zahlreiche Lieder und humoristische Männerchöre, welch letztere sich in Liedertafelkreisen großer Beliebtheit erfreuen. Seit 1878 lebt G. auf seiner Villa in Preßbaum bei Wien ganz der Komposition und litterarischen Arbeiten.

2) Rudolf, Schriftsteller, Bruder des vorigen, geb. 12. Dez. 1824 zu Berlin, betrieb zuerst unter Gubitz' Leitung die Holzschneidekunst, widmete sich dann der Litteratur und lebte als Journalist in seiner Vaterstadt. Nachdem er später einige Jahre Redakteur der "Koburger Zeitung" gewesen, ließ er sich 1865 in Dresden nieder, kehrte aber 1879 nach Berlin zurück, wo er als Dozent am Viktoria-Lyceum einen Wirkungskreis gewann. Als Vorleser und Erklärer Shakespeárescher Dramen hatte G. schon früher auf zahlreichen Reisen großen und verdienten Beifall gefunden. Als Theaterdichter veröffentlichte er außer einigen satirischen Possen die Lustspiele: "Das Wunder" (Berl. 1854), "Ein neuer Timon" (im "Jahrbuch deutscher Bühnenspiele" 1856), "Lustspiele" (Berl. 1855), "Vor den Kanonen" (1857), das Schauspiel "Die Klausnerin" (Berl. 1884) u. a., bearbeitete Sheridans "Lästerschule" unter dem Titel: "Schleicher und Genossen" und mit großem Erfolg Heinrich v. Kleists "Hermannsschlacht" (das. 1872). Von seinen "Gesammelten Komödien" erschien der erste Band (Berl. 1879). Mit den Werken: "Shakespeares Dramen in Deutschland" (Leipz. 1868) und "Shakespeare.