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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gent

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Gent (Beschreibung der Stadt).

Denkschrift die Beihilfe der Gironde versprach, wenn er sich den Führern derselben unterwerfen wollte; als Ludwig dies aber zurückwies, arbeitete er von neuem an dem Umsturz des Throns, der auch im August 1792 gelang. Nach den Septembergreueln forderte G. die Bestrafung der Schuldigen. Im Prozeß des Königs stimmte er für den Tod desselben, verlangte aber Aufschub der Urteilsvollstreckung und Berufung ans Volk. Als im März 1793 der Kampf zwischen dem Berg und der Gironde der Entscheidung nahte, verteidigte G. als Präsident des Konvents seine Partei mit Sicherheit und Kühnheit gegen die Anschuldigungen der Schreckensmänner und verlangte die Auflösung des Konvents und die Berufung einer neuen Versammlung in eine Provinzialstadt. Nach dem Abfall Dumouriez', mit dem er in Verbindung gestanden, ward er besonders heftig von den Jakobinern angefeindet und 2. Juni mit den Häuptern seiner Partei verhaftet. G. verteidigte sich 24. Okt. vor dem Revolutionstribunal mit schlagender Beredsamkeit, mußte jedoch 31. Okt. 1793 mit den übrigen Girondisten das Schafott besteigen.

Gent (franz. Gand), Hauptstadt der belg. Provinz Ostflandern, vormals der ganzen Grafschaft Flandern, liegt 5 m ü. M. am Zusammenfluß der Schelde und der Lys und ist mit Antwerpen, Brüssel, Tournai, Ostende und Brügge durch Eisenbahnen verbunden. Das Klima ist mannigfachem Wechsel unterworfen; die mittlere Wintertemperatur beträgt -5°, die des Sommers +17° C. G. wird von zahlreichen Flußarmen und zum Teil schiffbaren Kanälen durchzogen, welche die Stadt in 26 Inseln abteilen, die durch Brücken (42 steinerne, 28 größere hölzerne und über 200 kleinere) verbunden sind. Die in Form eines Dreiecks erbaute Stadt hat einen Durchmesser von fast 4 km und umschließt in ihrem 11 km weiten Umfang zahlreiche Gärten, Wiesen, Teiche und Promenaden. Sie hat enge, finstere Gassen und noch zahlreiche gotische Giebelhäuser sowie einzelne altertümliche Gebäude mit Böschungsmauern, Vorsprüngen und Schießscharten; aber sie hat auch freundliche, neue Straßen, moderne Paläste und schöne Kais. Unter den Plätzen ist der von altertümlichen Gebäuden umgebene Freitagsmarkt, an welchem die "Dulle Griete", eine ungeheure, 5,8 m lange, 3,3 m im Umfang messende eiserne Kanone aus dem 15. Jahrh., liegt, der für die Genter Geschichte bedeutsamste Platz (seit 1863 mit dem kolossalen Standbild Jacob van Arteveldes von Devigne-Quyo geschmückt), der sogen. Kouter, der als Paradeplatz und Blumenmarkt dient, der regelmäßigste. Auf jenem fanden zur Zeit des Herzogs Alba und der Inquisition unzählige Hinrichtungen statt; an letzterm wohnten die Maler van Eyck und unweit davon Jacob van Artevelde. Die beste Übersicht über die Stadt bietet der fast in der Mitte derselben stehende Belfried (1183-1339 gebaut), der 118 m Höhe hat, obschon er nur in zwei Dritteilen ausgebaut ist. Auf seiner gußeisernen, 36 m hohen, 1854 erneuten Spitze schwebt als Wetterfahne ein über 3 m langer vergoldeter Drache, der sich ehedem auf der Sophienkirche in Konstantinopel befand und 1204 nach der Eroberung dieser Stadt durch die Kreuzfahrer von Balduin IX. nach G. geschickt wurde. In diesem Belfried hing auch der berühmte Roland, eine mächtige Glocke, welche Karl V. nach der Einnahme der Stadt entfernte. Gegenwärtig enthält der Turm (auf dem auch ein Glockenspiel von 44 Glocken) das städtische Gefängnis, den "Mammelocker". Neben dem Belfried steht die ehemalige Tuchhalle (1325 erbaut). Von der alten Citadelle (het Spanjaerds Kasteel), innerhalb deren die St. Bavoabtei lag, stehen nur noch Trümmer der achteckigen, im 12. Jahrh. erbauten St. Machariuskapelle; eine neue, 1822-30 angelegte Citadelle liegt auf dem Blandinusberg, dem einzigen Hügel in der Gegend, im W. der Stadt und beherrscht den Lauf der Schelde und der Lys. Die ehemaligen Wälle sind in Spaziergänge umgewandelt.

Unter den Kirchen der Stadt, deren Gesamtzahl auf 55 angegeben wird, steht obenan die Kathedrale zu St. Bavo, die in ihrem Äußern schwerfällig, in dem mit Marmor bekleideten Innern aber eine der prächtigsten Kirchen Belgiens ist. Die Krypte oder unterirdische Kirche ist aus dem Jahr 941, das Chor von 1274-1300. Die 24 Kapellen der Seitenschiffe und die spätgotischen des Chors enthalten viele ausgezeichnete und berühmte Gemälde, z. B. Johann und Hubert van Eycks Anbetung des Lammes (ursprünglich aus 13 Tafeln bestehend, wovon sich noch 4 dort, 6 im Berliner Museum, 2 im Brüsseler Museum befinden). Neben der Kathedrale steht der bischöfliche Palast. Die St. Nikolaikirche am Kornmarkt, dem belebtesten Platz Gents, ist unter den Kirchengebäuden das älteste, in ihrem jetzigen Bau frühgotisch. Ebenfalls gotisch ist die St. Michaeliskirche, aus dem 15. Jahrh., mit unvollendetem Turm. Auf dem Blandinusberg, neben der erwähnten neuen Citadelle, steht die im Anfang des 18. Jahrh. erneuerte St. Peterskirche mit vielen ausgezeichneten Gemälden, während von der alten Abtei zu St. Peter ein Teil als Kaserne (für 4000 Mann) dient. Unter den weltlichen Gebäuden zeichnet sich besonders das Rathaus aus, das unweit des Belfrieds steht und nur durch das gotische Haus der Schützengilde (von 1325) davon getrennt ist. Seine nördliche Fronte (1481-1533 nach den Plänen von D. van Waghenmakere und Keldermans im Flamboyantstil erbaut, 1829 restauriert) ist vielleicht das an Verzierungen reichste und reizendste gotische Architekturstück Belgiens; der östlichen Fronte (zwischen 1595 und 1628 aufgeführt) mit drei Reihen Halbsäulen soll der Palazzo Cornaro in Venedig zum Vorbild gedient haben. Im Thronsaal des Rathauses wurde 1576 die Pazifikation von G. unterzeichnet. Auf der andern Seite des Belfrieds steht der Universitätspalast, von Roelandt 1818 in antikem Stil erbaut. Auch der 1844 von Roelandt erbaute Justizpalast mit einem Peristyl korinthischer Ordnung ist ein Prachtgebäude; in den untern Räumen desselben befindet sich die Börse. Gegenüber steht das 1848 erbaute schöne Schauspielhaus, ebenfalls ein Bau Roelandts. Merkwürdig ist ferner der 1234 gegründete und noch bestehende Beghinenhof (Beggynhof) am Brügger Thor: eine kleine Stadt von 103 Häuschen, 18 Konventen und 2 Kirchen, mit Mauer und Graben umgeben und von gegen 700 Beghinen bewohnt, deren Zweck religiöses Leben und Übung der Barmherzigkeit ist, und deren Beschäftigung größtenteils in Spitzenklöppeln besteht. Eigentliche Klöster zählt G. 21 (7 Mönchs- und 14 Frauenklöster). An der Promenade de la Coupure (Verbindungskanal zwischen dem Brügger Kanal und der Lys) steht das 1825 vollendete Rasp- oder Zuchthaus, ein Achteck mit 9 innern Höfen und Raum für 2600 Sträflinge. Ein neues Zellengefängnis mit Raum für 368 Gefangene steht vor dem Brügger

^[Abb.: Wappen von Gent.]