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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gericht

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Gericht (Gerichtsbarkeit).

scher Ereignisse, gelang ihm erst nach seiner Rückkehr nach Paris. Ein Tagesereignis, der Schiffbruch der Fregatte Medusa, veranlaßte ihn später zu einer Schilderung der Leiden der Schiffbrüchigen auf einem Floß, welche er 1819 unter dem Titel: das Floß der Medusa ausstellte. Dieses ergreifende Gemälde (im Louvre), welches man als das Manifest der romantisch-naturalistischen Schule bezeichnet hat, blieb vereinzelt. Später hat er, angeregt durch eine Reise nach England, nur noch Sittenbilder aus dem Londoner Volksleben und Sportbilder (Rennen von Epsom, Louvre) ausgeführt, da ihn der Tod (er starb 26. Jan. 1824 in Paris) an der Vollendung größerer Entwürfe hinderte. Vgl. Clément, G. Étude biographique et critique (3. Aufl., Par. 1879).

Gericht, eine zur Ausübung der Rechtspflege bestimmte Behörde; auch Bezeichnung für die richterliche Thätigkeit sowie für den von einem Richter gefällten Urteilsspruch. Die Ausübung des Richteramtes, die Rechtsprechung (Gerichtsbarkeit, Jurisdiktion), ist ein Ausfluß der Staatsgewalt. Es liegt in dem Wesen des Staats und in der Unterordnung der Staatsangehörigen unter die Autorität der Staatsgewalt, daß der Einzelne sich nicht selbst Recht verschaffen kann und darf, sondern den staatlichen Schutz anzurufen hat, wenn er sich in seinem Recht gekränkt glaubt und Abhilfe erstrebt. Der Rechtsschutz ist eine der vornehmlichsten Aufgaben des Staats, und die Selbsthilfe ist in einem wohlgeordneten Staatswesen prinzipiell ausgeschlossen. Sie ist zudem dem Stärkern gegenüber unzulänglich. Es ist daher der öffentlichen Gewalt der Schutz der Einzelrechte anvertraut und damit eine feste Rechtsordnung begründet. Die richterliche Gewalt (Gerichtsbarkeit) ist nichts andres als ein Stück der Staatsgewalt selbst. Daß im Mittelalter ein Teil der Gerichtsbarkeit wie ein nutzbares Privatrecht nicht selten den Städten überlassen und vielfach sogar als sogen. Patrimonial- oder Privatgerichtsbarkeit den Grundherren übertragen ward, erklärt sich aus der Schwäche der staatlichen Autorität und aus der vielfachen Gliederung des mittelalterlichen Lehnsstaats. Auch die geistliche Gerichtsbarkeit (s. d.), von welcher sich bis in die neuere Zeit hinein Überreste erhalten hatten, findet in jenen besondern historischen Verhältnissen ihre Erklärung. Die einheitliche Gerichtsverfassung des Deutschen Reichs beseitigte die Privatgerichtsbarkeit, soweit sie überhaupt noch bestand, vollständig, wie sie denn auch der geistlichen Gerichtsbarkeit in weltlichen Dingen jedwede Wirkung entzog. Die deutschen Gerichte sind Staatsgerichte; sie sind jedoch mit alleiniger Ausnahme des Reichsgerichts nicht Gerichte des Deutschen Reichs, sondern der Einzelstaaten, welchen ihre Justizhoheit geblieben ist. Die richterliche Gewalt des Reichs beschränkt sich, abgesehen von Elsaß-Lothringen, auf das allen verbündeten deutschen Staaten gemeinsame Reichsgericht und auf den Kompetenzkreis, welcher ihm gesetzlich eingeräumt ist.

Auf Grund der Reichsverfassung, welche das gerichtliche Verfahren der Reichsgesetzgebung unterstellt, ist die einheitliche Gerichtsorganisation nach Maßgabe des deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Jan. 1877 in Deutschland ein- und durchgeführt worden. Dazu kamen die weitern Justizgesetze des Reichs (s. Gerichtsordnung) und die Einführungsgesetze und Ausführungsverordnungen der Einzelstaaten, und so trat an die Stelle der bisherigen außerordentlichen Zerrissenheit der Gerichtsorganisation ein einheitlicher Rechtszustand auf diesem hochwichtigen Gebiet für den Umfang des gesamten Reichs. Alle die wichtigen Rechtsgrundsätze, welche sich nach und nach in der Gesetzgebung der Einzelstaaten Anerkennung verschafft hatten, und welche die Sicherung eines wirksamen Rechtsschutzes für den Staatsbürger bezweckten, fanden bei diesem großen Gesetzgebungswerk Berücksichtigung, wenn auch Unvollkommenheiten im einzelnen selbstverständlich nicht ausgeschlossen sein konnten. Der auch in manchen Verfassungsurkunden ausdrücklich anerkannte Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung ist durchgeführt. Die Unabhängigkeit des Richteramtes und das Verbot der sogen. Kabinettsjustiz, d. h. der Einmischung des Souveräns und der Regierungsorgane in einzelne Rechtssachen, waren unbeschadet des landesherrlichen Oberaufsichtsrechts und des Begnadigungsrechts in Strafsachen schon zuvor in den einzelnen deutschen Staaten nach und nach zu allgemeiner Anerkennung gelangt. Das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz enthält ebenfalls die nötigen Garantien für die Unabhängigkeit des Richterstandes, indem es zugleich die Voraussetzungen der Fähigkeit zum Richteramt für ganz Deutschland in einheitlicher Weise bestimmt (s. Richter). Das Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten wird, ebenso wie das Hauptverfahren des Strafprozesses, durch die Grundsätze der Mündlichkeit und der Öffentlichkeit, der Unmittelbarkeit der Verhandlung und der freien Würdigung der Beweisergebnisse durch das G. beherrscht. Für das Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ist die Erforschung der materiellen Rechtswahrheit in den Vordergrund gestellt und der Zwang prozessualischer Förmlichkeiten möglichst beseitigt. Thunlichste Beschleunigung des Verfahrens, insbesondere eine rasche und wirksame Zwangsvollstreckung, ist angestrebt, wie denn auch durch die Konkursordnung einer im Interesse von Handel und Verkehr dringend gebotenen raschen Abwickelung der Schuldenwesen Rechnung getragen ist. Die deutsche Strafprozeßordnung aber bezweckt nicht nur eine wirksame Verfolgung verbrecherischer Handlungen, sondern auch den Schutz unschuldig Verfolgter. Bei den Schöffengerichten und in dem Institut der Geschwornen finden wir jene Berücksichtigung des Laienelements, welche im Interesse der Volkstümlichkeit der Rechtsprechung und der Gleichheit vor dem Gesetz im modernen Rechtsleben gefordert wird. In Handelssachen ist die Zuziehung von Fachmännern zu der bürgerlichen Rechtsprechung ermöglicht. Ebenso ist dem Bestreben, wenigstens in den wichtigern Rechtssachen die Garantie größerer Gründlichkeit und sorgfältigerer Prüfung durch den Richterspruch einer kollegialischen Behörde zu haben, Rechnung getragen. Nur ausnahmsweise und in minder wichtigen Fällen entscheiden Einzelrichter. Die Möglichkeit einer gründlichen und unparteiischen Prüfung ist auch dadurch gewährt, daß eine und dieselbe Rechtssache in der Regel vor verschiedene Gerichte (Instanzen) gebracht werden kann, die zu einander im Verhältnis der Über- oder Unterordnung stehen (Ober- und Untergerichte). Ausnahmegerichte sind unstatthaft. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden, doch werden hiervon die gesetzlichen Bestimmungen über Kriegsgerichte und Standrechte nicht berührt.

Einteilung der Gerichtsbarkeit.

Nach den Gegenständen, welche der Rechtsprechung der Gerichte unterliegen, ergibt sich die übliche Einteilung der Gerichtsbarkeit. Die streitige Gerichtsbarkeit (Zivilgerichtsbarkeit) hat es mit bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (Zivilsachen, Zivilpro-^[folgende Seite]