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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Gerichtsfolge - Gerichtskosten.

fahren, das Zwangsvollstreckungsverfahren und das Konkursverfahren sind die G. ohne Einfluß. Im Zivilprozeß wird der Lauf der Fristen durch die G. gehemmt (deutsche Zivilprozeßordnung, § 201). Der noch übrige Teil der Frist beginnt mit dem Ende der Ferien zu laufen. Der Beginn einer Frist wird durch die G. gehemmt. Doch finden diese Bestimmungen auf Notfristen und auf Fristen in Feriensachen keine Anwendung.

Gerichtsfolge, s. v. w. Gerichtsfronen; auch die ehedem diese Fronen verrichtende Mannschaft (z. B. die G. aufbieten) oder die Gerichtsdienerschaft; auch gleichbedeutend mit Nacheile (s. d.).

Gerichtsfronen, die in frühern Zeiten zu den Staatsfronen (s. Fronen) gehörigen Dienstleistungen der Unterthanen in polizeilichen und strafrechtlichen Fällen (Landessicherheitsfronen), z. B. Aufsuchung, Arretierung, Bewachung, Transporte von Verbrechern; auch kleinere zur Unterstützung der Gerichte seitens der Unterthanen zu übernehmende Geschäfte.

Gerichtsgebrauch (Usus fori), die Gleichförmigkeit der Grundsätze, welche ein Gericht in Ansehung des gerichtlichen Verfahrens (formeller G.) oder bei Entscheidung vorkommender Fälle (materieller G.) beobachtet. Unter letzterm versteht man die fortdauernde Geltendmachung gewisser Rechtssätze durch gleichförmige Aussprüche seitens eines und desselben Gerichts; in diesem Sinn haben die Urteile der Gerichte keinen größern Wert als das sogen. Recht der Wissenschaft, d. h. die Aussprüche schaffen kein bindendes Recht und stehen einer andern für richtiger erkannten Auslegung des Gesetzes nicht im Weg. Ebensowenig sind die Entscheidungen der höhern Gerichte für die untern bezüglich andrer Fälle maßgebend, denn der Richter hat nur nach seiner Überzeugung Recht zu sprechen. Indessen haben die gleichförmigen Aussprüche eines obersten Gerichtshofs für die Untergerichte eine große Bedeutung, denn die Praxis richtet sich naturgemäß in zweifelhaften Fällen nach dem Vorgang des Obergerichts in frühern gleichartigen Fällen. Darum ist für die Einheitlichkeit der Gerichtspraxis in Deutschland das Vorhandensein eines gemeinsamen höchsten Gerichtshofs, wie wir ihn im Reichsgericht besitzen, von so großer Wichtigkeit. Gleichlautende Urteilssprüche können in Ländern, in welchen das Gewohnheitsrecht Geltung hat, in der Weise in Betracht kommen, daß durch sie das Bestehen eines Gewohnheitsrechts bezeugt wird.

Gerichtshalter (Justitiarius), ehedem der mit der Verwaltung eines Patrimonialgerichts beauftragte Rechtsgelehrte, s. Patrimonialgerichtsbarkeit.

Gerichtshandelsbuch, ein bei Gericht geführtes Buch über die von diesem konfirmierten Verträge, namentlich über den Eigentumserwerb an Grundstücken und über die Verpfändung von solchen (s. Grundbücher und Hypothek). Zuweilen werden derartige Bücher auch Gerichtshandelsprotokolle genannt.

Gerichtsherr (Stuhlherr), ehedem der Inhaber eines Patrimonialgerichts (s. Patrimonialgerichtsbarkeit), im militärischen Sinn Militärbefehlshaber, welcher nach der Militärstrafprozeßordnung die Befugnis hat, die Einleitung gerichtlicher Untersuchungen zu befehlen und Spruchgerichte abhalten zu lassen. Gerichtsherren sind in Deutschland für die niedere Gerichtsbarkeit die Regimentskommandeure und die Kommandeure selbständiger Bataillone, für die höhere Gerichtsbarkeit die Gouverneure oder Kommandanten, die Divisionskommandeure und kommandierenden Generale (s. Militärgerichtswesen). G. im Sinn von Inhaber der Gerichtsbarkeit (s. d.) ist heutzutage nur noch der Inhaber der Staatsgewalt selbst, also in monarchischen Staaten der Souverän.

Gerichtsherrlichkeit, die Befugnis der Staatsgewalt zur Ausübung der Rechtspflege, insbesondere das Recht, die nötigen Richter anzustellen und ihre Amtsführung zu beaufsichtigen. Die Rechtsprechung selbst erfolgt allerdings im einzelnen Fall in einer von der Staatsverwaltung völlig unabhängigen Weise (s. Gericht). Dies schließt jedoch das Oberaufsichtsrecht des Souveräns und seines Justizministeriums keineswegs aus, vielmehr kommt demselben außer der Anstellung der Richterbeamten auch die Beaufsichtigung und Regelung ihrer Geschäftsführung (Visitationen, Prüfung von Beschwerden, Dienstinstruktionen etc.) zu. In frühern Zeiten verstand man unter G. den Inbegriff der Rechte des Inhabers der Patrimonialgerichtsbarkeit (s. Gerichtsherr).

Gerichtsherrschaft, s. Patrimonialgerichtsbarkeit.

Gerichtshof, Bezeichnung eines höhern Gerichts, z. B. eines Schwurgerichts. Offiziell ist eine solche Bezeichnung nicht mehr üblich.

Gerichtshöfe der Liebe, s. Minnehöfe.

Gerichtskosten (Sporteln), diejenigen Gebühren, welche für die Thätigkeit der staatlichen Rechtspflege im einzelnen Rechtsfall jeweilig zu entrichten sind. Auch die Auslagen der Gerichtsbehörden werden nicht selten zu den G. gerechnet; auch pflegt man von den gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten eines Rechtsstreits zu sprechen und dann unter letztern die Anwaltsgebühren sowie die Gebühren der Zeugen und Sachverständigen und die sonstigen Auslagen zu verstehen. Während früher die G. unmittelbar zur Bestreitung der Kosten der Rechtspflege bestimmt waren und die Sporteln vielfach von den Justizbeamten selbst vereinnahmt wurden und in deren Privatkasse flossen, ist die Gerichtsverwaltung jetzt lediglich Staatssache, die Kosten der Rechtspflege werden vom Staat bestritten und die Justizbeamten aus der Staatskasse besoldet, in welch letztere die von den Parteien im Einzelfall zu entrichtenden G. fließen. Wollte man die Rechtshilfe gänzlich kostenfrei oder auch nur zu besonders niedrigen Kostensätzen gewähren, so würde dies einem leichtfertigen Prozessieren Thür und Thor öffnen, und ebendarum wäre ein solches System verwerflich. Auf der andern Seite soll jedoch das fiskalische Interesse nicht in den Vordergrund treten; die Rechtspflege soll nicht etwa den Charakter einer Einnahmequelle für den Staatssäckel annehmen. Gewisse G., die für Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, insbesondere bei der Übereignung von Immobilien, erhoben werden, tragen allerdings den Charakter einer Abgabe. Sie gehören daher in die Kategorie der Stempelgebühren und nicht zu den eigentlichen G., deren Wesen darin besteht, daß die dem Staate durch die Rechtspflege erwachsenden Kosten wenigstens einigermaßen durch den Anfall dieser G. gedeckt werden sollen. Für die Liquidation der G. bestehen zwei Systeme, das der Einzelsätze für die einzelnen Gerichtshandlungen und das der Pauschalsummen, welche für gewisse Prozeßabschnitte erhoben werden. Auch besteht in manchen Staaten die Einrichtung, daß Eingaben an die Gerichtsbehörden auf Stempelpapier geschrieben sein müssen, indem der Stempel zur Staatskasse erhoben wird. Für das Deutsche Reich besteht in dem Gerichtskostengesetz vom 18. Juni 1878 eine gemeinsame Gebührenordnung für alle