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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Geschäftssteuer - Geschichte.

G., in der Diplomatie war es bis in die neueste Zeit zumeist die französische. Jetzt ist die betreffende Landessprache auch in der Diplomatie die G., und es kann sich derselben jede Regierung zu ihren Äußerungen bedienen, muß jedoch die Mitteilungen andrer Regierungen ebenfalls in deren Sprache entgegennehmen. In Staaten mit Bevölkerung verschiedener Nationalitäten gibt die Wahl der G. leicht zu Klagen Anlaß, so in Österreich und in den preußisch-polnischen Landesteilen. Nach der Wiedervereinigung von Elsaß-Lothringen mit dem Deutschen Reich wurde die amtliche G. geregelt durch Gesetz vom 14. Juli 1871, § 14, Gesetz vom 31. März 1872 und Gesetz vom 17. Sept. 1874. Für die Verhandlungen des Landesausschusses für Elsaß-Lothringen insbesondere wurde durch Reichsgesetz vom 23. Mai 1881 die deutsche Sprache als G. erklärt. Nachdem deutschen Gerichtsverfassungsgesetz (§ 186 ff.) ist die Gerichtssprache die deutsche, doch ist nötigen Falls, wenn Personen beteiligt, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, ein Dolmetsch zuzuziehen.

Geschäftssteuer, Bezeichnung für die Börsensteuer (s. d.), insofern sie nicht die sogen. wilde Spekulation, sondern den legitimen Waren- und Geschäftsverkehr trifft.

Geschäftsstil, die den jedesmaligen Geschäften angemessene Art des schriftlichen Ausdrucks. Man unterscheidet einen höhern G. (Kurial-, Kanzleistil), der wieder in Hofstil und Gerichtsstil zerfällt, und gemeinen oder niedern G. für das gewöhnliche Geschäftsleben unter Privaten. Die früher sehr gebräuchlichen nutzlosen Förmlichkeiten sind in der neuern Zeit aus dem G. meist verschwunden, als dessen Hauptregeln Kürze und Klarheit anzusehen sind. Neuere Verordnungen haben vielfach den Behörden die Führung eines möglichst einfachen und klaren Geschäftsstils zur Pflicht gemacht, und der Ausdruck Kurial- oder Kanzleistil wird jetzt nicht selten in tadelndem Sinn gebraucht, um eine mit veralteten Floskeln belastete, ungenießbare Schreibweise zu bezeichnen.

Geschäftsträger (franz. Chargés d'affaires accrédités auprès des ministres chargés des affaires étrangères), Bezeichnung derjenigen Gesandten (s. d.), welche nicht bei dem Staatsoberhaupt selbst, sondern nur bei dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten beglaubigt sind.

Gescheid, bisher Getreidemaß in den Rheingegenden, = 1/64 Malter (s. d.).

Gescheide, der Magen (Wanst) und die Gedärme der Jagdtiere (s. Aufbrechen).

Geschenk (lat. Donum), freiwillige (durch keinerlei rechtlichen Zwang, durch ein Geschäft unter Lebenden bewirkte) Vermehrung des Vermögens eines andern durch Verminderung des eignen Vermögens, ohne Absicht auf eine Gegenleistung (s. Schenkung); im Handwerkswesen die in der Regel bestimmte Gabe an Geld oder Nahrungsmitteln und Herberge, welche die wandernden Gesellen mancher Handwerke bei ihrer Ankunft in einer Stadt oder einem Ort erhielten, wo ihre Zunft bestand; daher geschenkte Handwerke im Gegensatz zu den "ungeschenkten", bei denen solche Unterstützung nicht üblich war. Der Ausdruck G. hat sich in diesem Sinn noch erhalten.

Geschenkannahme von seiten eines Beamten für eine in sein Amt einschlagende, an sich nicht pflichtwidrige Handlung wird nach dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch (§ 331) mit Geldstrafe bis zu 300 Mk. oder mit Gefängnis von einem Tag bis zu sechs Monaten bestraft. Nach gemeinem deutschen Strafrecht war eine derartige G. nicht kriminell strafbar, während die Partikulargesetzgebung einzelner deutscher Staaten, namentlich das preußische Strafgesetzbuch, dieselbe mit öffentlicher Strafe bedrohte. Das deutsche Strafgesetzbuch zählt die G. zu den Verbrechen und Vergehen im Amte. Dabei ist aber zu beachten, daß die G. nur dann als strafbar erscheint, wenn das Geschenk gerade für die Handlung gegeben wurde, also die Handlung mit dem Geschenk in einem ursachlichen Zusammenhang steht, so daß also namentlich die an Unterbeamte gelegentlich dienstlicher Verrichtungen derselben verabfolgten Trinkgelder nicht unter den § 331 des Strafgesetzbuchs zu subsumieren sind. Wird dagegen ein Geschenk für eine Diensthandlung eines Beamten gegeben, angeboten oder versprochen, resp. angenommen oder gefordert, welche eine Verletzung der Amts- oder Dienstpflicht enthält, so geht die Handlung in das schwerere Verbrechen der Bestechung (s. d.) über. Das Empfangene oder der Wert desselben ist bei der strafbaren G. für den Staat verfallen zu erklären.

Geschenkte Handwerke, s. Geschenk.

Geschichte (lat. Historia), ein viel umfassender Ausdruck, mit dem im gewöhnlichen Leben (seiner Abstammung von "geschehen" entsprechend) jede nach irgend welchen Gesichtspunkten zu einer Einheit zusammengefaßte Summe von in der Zeit sich vollziehenden Begebenheiten bezeichnet wird. Allein für den technisch-wissenschaftlichen Gebrauch erhält das Wort eine viel tiefere Bedeutung. Hier steht im Gegensatz zu der G. die Natur, und mit den beiden Worten Natur und G. umfassen wir die Gesamtheit aller Erscheinungen. Diese beiden Ausdrücke aber verhalten sich zu einander wie die umfassendsten unserm Geist eigentümlichen Formen unsrer Anschauung, wie Raum und Zeit. In der einen Reihe von Erscheinungen tritt unserm Geiste das Moment des Nebeneinanderseins, das Räumliche, in einer andern das des Nacheinanderseins, das Zeitliche, näher. Ersteres ist bei den Erscheinungen der Natur der Fall, wo die Bewegung sich in stetigem Wechsel, in periodischer Wiederkehr vollzieht, wo, wie bei den Umläufen der Himmelskörper, die gleiche Bewegung sich immer aufs neue wiederholt; letzteres da, wo in der Bewegung ein kontinuierlicher Fortschritt hervortritt. Ein solcher vollzieht sich aber (unserm Geist erkennbar) nur in den Erscheinungen des Menschenlebens; nur von ihnen, nur von der menschlich-sittlichen Welt wird deshalb der Ausdruck G. in seinem wissenschaftlichen Sinn gebraucht. Dieses Werden und Sichentwickeln der sittlichen Welt forschend zu verstehen, die Vergangenheit zu begreifen aus dem, was in der Gegenwart von ihr noch unvergangen ist, das ist die Aufgabe der Wissenschaft der G.

Einteilung und Nutzen der Geschichte.

Je nach dem Umfang des Gewordenen, das die Geschichtsforschung zu verstehen sucht, kann man die G. äußerlich einteilen in Spezial-, Partikular- und Universal- oder Weltgeschichte. Die Spezialgeschichte oder Monographie stellt danach eine einzelne geschichtliche Erscheinung ihren Ursachen, ihrem Verlauf, ihrer Stellung zu andern oder zu einer Gesamtheit solcher und ihrer Bedeutung nach dar. Sie ist Biographie oder Lebensbeschreibung, wenn sie das Leben eines Einzelnen in seiner Entwickelung, seinem Thun und Leiden und seiner Wechselbeziehung zur Zeit schildert. Die Partikulargeschichte führt uns die für einen engern oder weitern Lebenskreis, eine Stadt, eine Landschaft, ein Volk, einen Staat, wichtigen und folgenreichen Begebenheiten vor Augen.